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Schwarzblaue Beruhigungspillen für Europa

Von Werner Reisinger

Politik

Die neue Regierung geht bei Europa, Sicherheit und direkter Demokratie auf Nummer sicher.


Wien. Ein eigenes Sicherheitsministerium ist es für den künftigen Vizekanzler Heinz-Christian Strache dann doch nicht geworden. Grund, sich zu beschweren, dürfte die von ihm geführte FPÖ aber trotzdem nicht haben. Sowohl das Innen- als auch das Verteidigungsressort geht an die Freiheitlichen – und damit auch der gesamte Verfassungsschutz wie auch die militärischen Geheimdienste, das Heeresnachrichtenamt und das Abwehramt. Eine große Machtfülle für die Rechtspopulisten. Zu groß, finden Kritiker, und auch Verfassungsrechtler wie Heinz Mayer oder Bernd-Christian Funk äußern Bedenken.

Vor allem aber im internationalen Ausland sorgt die Konzentration der bewaffneten, staatlichen Organisationen in der Hand der FPÖ für Aufsehen. Und so mussten sich Strache und der neue ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz am Samstag bei der Präsentation des Regierungsprogramms am Wiener Kahlenberg auch den Fragen der internationalen Medien stellen, ob man denn die Kritik und Sorge im Ausland verstehen könne.

 Berichtspflicht gegenüber Bundeskanzler

Vor allem Strache versuchte zu kalmieren. Dass sowohl Innen- als auch Verteidigungsressort von einer Partei geführt werden, sei in der Geschichte der Zweiten Republik schon mehrmals vorgekommen, beispielsweise bei Alleinregierungen aufgrund einer absoluten Mehrheit, oder auch zwischen 2003 und 2006, während Schwarzblau eins unter Wolfgang Schüssel.

"Wir werden im Bundesministeriumsgesetz sicherstellen, dass die Nachrichtendienste auch eine Berichtspflicht gegenüber dem Bundeskanzler haben", sagte Strache. Er verwies, wie schon in den vergangenen Tagen, auf die "sehr gute und offene" Gesprächsbasis, die man mit dem Bundespräsidenten pflege. Wichtig sei vor allem, dass das Innen- und das Justizministerium unter den Koalitionsparteien aufgeteilt wurden, versuchte auch Kurz zu beruhigen.

 "Weisungsungebundene Rechtsschutzbeauftragte"

Strache gab bekannt, dass es "weisungsungebundene Rechtsschutzbeauftragte" sowohl im Innen- wie auch im Verteidigungsministerium geben werde. Diese sollten dafür sorgen, dass die Arbeit der Erkennungsdienste auch weiterhin korrekt ablaufe. Auf den langjährigen FPÖ-Generalsekretär und Mastermind hinter Strache, den künftigen Innenminister Herbert Kickl angesprochen, sagte Kurz, er wisse aus eigener Erfahrung, dass es "für jedes neue Regierungsmitglied positiv ist, wenn man eine Chance bekommt. Das wäre auch meine Bitte." Man solle die Personen danach bewerten, wie sie "das Amt leben". Die Österreicher hätten den Koalitionsparteien bei den Wahlen großes Vertrauen entgegengebracht, Österreich sei eine "starke Demokratie" und die Wahlen seien rechtmäßig und korrekt durchgeführt worden, so Kurz.

Zudem verwies der neue Kanzler auf die neue ÖVP-Staatsekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler. "Eine Powerfrau" sei diese trotz ihres jungen Alters, so Kurz. Auch sie soll im Innenressort für Kurz nach dem Rechten sehen.

EU-Austritt vom Tisch

Der zweite große Kritikpunkt: die FPÖ und ihr Verhältnis zu Europa und zur EU. "Da hat es in der Vergangenheit einige Unterstellungen gegeben, auch in Richtung unserer Partei", sagte Strache – ohne zu erwähnen, dass die Freiheitlichen im Wahlkampf und FPÖ-Verhandler Reinhard-Eugen Bösch selbst während den Koalitionsverhandlungen noch die Möglichkeit einer Volksabstimmung über den EU-Austritt gefordert hatten. Diese Möglichkeit ist nun endgültig vom Tisch. Nicht nur eine Abstimmung über die EU ist im Koalitionspakt ausdrücklich ausgeschlossen, auch über andere, sensible Themen, "vor allem über Grundrechte und Minderheiten", werde es keine Volksabstimmungen geben. Und um ganz sicher zu gehen, dass es mit den Freiheitlichen nicht zu unangenehmen Überraschungen auf europäischer Ebene kommt, hat Kurz die Europa-Agenden, vor allem jene, die den österreichischen EU-Ratsvorsitz ab Mitte 2018 betreffen, direkt zu sich ins Kanzleramt geholt.

Auch beim notwendigen Quorum, mit dem eine Volksabstimmung zwingend zu einem Gesetz führen soll, rudert die neue schwarz-blaue Regierung gegenüber den Positionen im Wahlkampf zurück und geht auf Nummer sicher. Nicht wie kolportiert 300.000 oder 500.000 Unterschriften soll es brauchen, sondern 900.000.

Direkte Demokratie

Eine Verfassungsänderung ist für das Mehr an direkter Demokratie aber trotzdem nötig. Kurz und Strache wollen versuchen, sich die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zu holen. Danach soll es über die neuen direktdemokratischen Möglichkeiten eine Volksabstimmung geben. Kommt die Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande, soll es laut Kurz immerhin eine Volksbefragung geben.

Wie aber steht es um den dezidiert prorussischen Kurs der FPÖ? Zur Erinnerung: Erst kürzlich haben die Freiheitlichen mit der Putin-Partei ein Abkommen unterzeichnet, das die beiden Parteien zu einer engen Zusammenarbeit und regelmäßigem Austausch verpflichtet. "ja, wir sind dafür, dass die Russland-Sanktionen der EU enden", betonte Strache zwar auch am Samstag. Diese abzuschaffen wäre auch für Europa gut. Aber: "Wenn es auf europäischer Ebene keine Mehrheit dafür gibt, werden wir selbstverständlich den europäischen Kurs mittragen", sagte Strache. Abzuwarten bleibt freilich, wie sich dieser neue Pragmatismus des Heinz-Christian Strache bei der Putin- und Russland-affinen Parteibasis und der FPÖ-Wählerschaft auswirken wird.