Zum Hauptinhalt springen

Nur nicht zu viel reden

Von Jan Michael Marchart und Werner Reisinger

Politik

Wenig Inhaltliches, aber viele Signale beim ersten Ministerrat der neuen Regierung.


Wien. Er wird mit Spannung erwartet, der erste Plenartag im Parlament nach der Angelobung des Kabinetts Kurz. Viel steht auf der Tagesordnung, allen voran die Regierungserklärung. Was davon zu erwarten ist, war den neuen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ allerdings am Dienstag nicht zu entlocken. Die neue Regierung bleibt Journalisten gegenüber bisher eher wortkarg. Mehrmalige entsprechende Anfragen der "Wiener Zeitung" an ÖVP und FPÖ blieben unbeantwortet.

Ebenso zurückhaltend zeigten sich die neuen Minister, die Dienstagfrüh zum ersten Ministerrat der neuen Legislaturperiode zusammenkamen. Dabei wurde im Kanzleramt dafür eigens ein neues "Setting" aufgebaut: Die Journalisten stehen ab sofort hinter einer Absperrung, davor stehen zwei Mikrofone. Ob Kanzler und Vizekanzler oder ihre Minister für Fragen und Antworten bereit stehen, bleibt wie gehabt ihnen überlassen. Den Freiheitlichen jedenfalls war beim ersten Pressefoyer noch nicht nach reden. Sie zogen geschlossen schweigend an Presse und Kameras vorbei. Die neue Außenministerin Karin Kneissl sprach noch am ausführlichsten, als sie die Bitte um ein Statement zur kritischen Haltung Israels gegenüber der FPÖ mit den knappen, aber unmissverständlichen Worten "Nein Dankeschön" quittierte.

Die ÖVP schickte zwar drei Leute vor, inhaltlich kam aber auch hier nur wenig. Der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser, nun Justizminister, freute sich, dass der "erste Baustein gesetzt wird, um Österreich neu zu ordnen" und das Justizressort nun zum Reformressort werde. Umgehend möchte er eine Staatsreform umsetzen. Ein erstes Projekt sei eine Rechtsbereinigung. Ins Detail ging Moser nicht.

Signale Richtung Israel

Danach verkündete Finanzminister Hartwig Löger, dass eine Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen bis 1948 Euro brutto im Ministerrat beschlossen wird. Damit erreiche man 620.000 Österreicher, die durchschnittliche Entlastung betrage 300 Euro pro Jahr. Wie genau wird das umgesetzt? "Dankeschön", sagte Löger und verschwand recht flott hinter der Tür zum Sitzungszimmer.

Hörbar gut vorbereitet war das Statement der neuen ÖVP-Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler. "Nach der gestrigen, feierlichen Angelobung geht es heute daran, für Österreich zu arbeiten", lautete ihre lapidare Einleitung. "In meinen besonderen Aufgabenbereich als Staatssekretärin im Innenministerium liegen die Gedenkstätten", betonte Edtstadler weiter. Eine solche soll nun auf Beschluss des Ministerrates in Maly Trostinec bei Minsk errichtet werden, wo von 1941 bis 1942 über 10.000 jüdische Österreicher ermordet wurden. Die Gedenkstätte sei ein "Signal" im Vorfeld des Gedenkjahres, sagte sie. Die Frage, ob sie nun auf Drängen des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen die "Aufpasserin" des blauen Innenministers Herbert Kickl sei, blieb unbeantwortet - und schon war der erste Auftritt Edtstadlers wieder vorbei.

Dass die neue Staatssekretärin an der Seite Kickls in ihrem ersten Statement gerade die Initiative in Maly Trostinec so betonte, könnte mit einer Reaktion Israels auf die FPÖ-Regierungsbeteiligung zu tun haben. Israel werde aus Protest gegen die FPÖ-Minister die diplomatischen Kontakte zum Außen-, Innen- und Verteidigungsressort nur mehr auf Beamtenebene pflegen, sagte der israelische Premier Benjamin Netanjahu am Montagabend. Die israelische Botschaft in Wien betonte allerdings, dass die Entscheidung nicht als "Boykott" zu werten sei. Es gehe vielmehr um eine Prüfung über die Art und Weise der Kontakte gegenüber der neuen Regierung. Offen bleibt, ob frühere Aussagen der neuen Außenministerin Karin Kneissl die Israelis zu diesem Schritt mitbewogen haben könnten. Der Zionismus sei eine an den deutschen Nationalismus angelehnte Ideologie, schrieb sie ihrem Buch "Mein Naher Osten". Auf einer Podiumsdiskussion im Jahre 2002 bezeichnete Kneissl Israel zudem als "US-finanziertes Ghetto". Kanzler Kurz hat zwar "vollen Respekt" für die Entscheidung Israels, will allerdings die Bedenken ausräumen und traf diesbezüglich am Dienstag mit der israelischen Botschafterin in Wien zusammen.

Um Verbindlichkeit zu Israel ist auch Vizekanzler Strache bemüht, er betonte nach dem Ministerrat ausdrücklich Österreichs Verantwortung für den Holocaust und die Bedeutung des kommenden Gedenkjahrs 2018. Auch werde er "alles in seiner Macht stehende" für eine Verlegung der österreichischen Botschaft nach Jerusalem tun - eine Haltung, die wiederum Außenministerin Kneissl keineswegs teilt.

Wenig Zuspruch für Kitzmüller?

Politische Verstimmungen gibt es indes auch mit Italien. Dort stellen sich sowohl linke als auch rechte Parteien entschieden gegen das im Regierungsprogramm festgehaltene Vorhaben, Südtirolern auch die österreichische Staatsbürgerschaft anzubieten. "Der Doppelpass für die Südtiroler ist seit jeher eine symbolträchtige Forderung in einigen politischen Kreisen in Österreich", sagte der Staatssekretär für Europafragen, Sandro Gozi. Er warnt vor "Reaktionen", sollte die Ankündigung einen "separatistischen Charakter" annehmen. Auch in dieser Causa wurde Kurz aktiv: Schon am Dienstagnachmittag begrüßte der Staatssekretär im Außenministerium, Della Vedova, die einlenkenden Worte des Bundeskanzlers. Dieser habe einen "Schritt zurück" gemacht.

Auf der heimischen Politbühne sorgt eine weitere Personalie für Aufregung: Alexander Höferl, FPÖ-Kommunikationschef und einer der Masterminds hinter der extrem rechten Plattform "unzensuriert.at", soll Sprecher von Innenminister Kickl werden, hieß es am Dienstagvormittag. Der bisherige Innenministeriumssprecher Karlheinz Grundböck will davon jedoch nichts wissen, er nannte Isolde Seidl und Christoph Pölzl als künftige Ministeriumssprecher. Am Nachmittag war klar: Höferl wird in Kickls Kabinett im Hintergrund die Kommunikation leiten.

Auch im Parlament gibt es am Mittwoch personelle Veränderungen. Weil Norbert Hofer und Elisabeth Köstinger nun Ministerämter bekleiden, müssen die Abgeordneten einen neuen Nationalratspräsidenten und einen neuen Dritten Nationalratspräsidenten wählen: Als Ersteren wird die ÖVP ihren Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka vorschlagen, die FPÖ wird Anneliese Kitzmüller aufstellen, wie die Freiheitlichen der "Wiener Zeitung" bereits vergangenen Samstag bestätigt hatten.

Dass Sobotka und vor allem Kitzmüller abseits ihrer eigenen Klubs auf viel Zuspruch stoßen werden, ist unwahrscheinlich. "Frau Kitzmüller wird von uns nicht sehr viele Stimmen erhalten", hieß es am Dienstag aus dem SPÖ-Klub. Auch Wolfgang Sobotka erinnere an den Sager von Neos-Chef Matthias Strolz, wonach das Parlament "kein Durchhaus" sei. Nikolaus Scherak, stellvertretender Klubchef der Neos, spricht von einer "bedenklichen Geringschätzung des Parlaments", zu Kitzmüller sagte er, es sei "erstaunlich, wie weit rechts man auch innerhalb der FPÖ stehen kann". Kitzmüller ist Mitglied in zwei völkischen "Mädelschaften" und schrieb für die rechtsextreme "Aula".

Die Liste Pilz wird am Mittwoch in Form von Entschließungsanträgen gleich vier "Nagelproben" für die neue Regierung einbringen, und zwar zu den Themen Ceta-Volksabstimmung, Eurofighter-Ausstieg, Unterhaltsvorschuss und VW-Sammelklage. Bei letzterer dränge die Zeit, mit Jahresende erlösche die Klagsmöglichkeit, sagt Daniela Holzinger von der Liste Pilz. "Auch bei Ceta wollen wir sehen, ob die FPÖ ihren Worten Taten folgen lässt", so die Abgeordnete.