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Reich und Reich vermählt sich gern

Von Petra Tempfer

Politik
© Fotolia/beeboys

Menschen, die heiraten, haben zunehmend einen ähnlichen Bildungsgrad. Die Vermögensschere klafft dadurch noch weiter auseinander.


Wien. Aschenputtel könnte heute vermutlich lange warten. Der Traum, dass man durch Heirat in eine höhere Schicht zu Wohlstand und Reichtum kommt, wird bald nur noch im Märchen wahr. Dass es im wirklichen Leben passiert, wird immer unwahrscheinlicher.

Einer aktuellen Studie der Ökonomen Pierre-André Chiappori, Bernard Salanié und Yoram Weiss zufolge zeigt sich nämlich unter weißen Amerikanern der Trend, dass die Menschen, die heiraten, zunehmend einen ähnlichen Bildungsgrad haben. Überspitzt ausgedrückt: Schulabbrecher heiratetet Schulabbrecherin und Akademikerin Akademiker. Denkt man diese Entwicklung weiter, so hat sie unweigerlich ein weiteres Auseinanderklaffen der Vermögensschere zur Folge. Denn Schulabbrecher, um bei diesem Beispiel zu bleiben, verfügen für gewöhnlich über ein geringeres Einkommen, während Akademiker meist besser bezahlte Jobs - und später mehr zu vererben haben.

Die Ökonomen betrachteten 21.583.529 Eheschließungen seit 2008 in Amerika. Alyssa Schneebaum von der Wirtschaftsuniversität Wien hat mit zwei Koautorinnen eine Studie zu genau diesem Thema gemacht. Das Ergebnis: "Auch in Österreich nimmt die Bildungshomogamie zu", so Schneebaum zur "Wiener Zeitung".

"Man sortiert das Angebot"

Die Ökonominnen untersuchten 1242 österreichische Paarhaushalte. Demnach haben etwa 60 Prozent der Paare, die in die Geburtskohorte 1930 bis 1934 fallen, ein ähnliches Bildungsniveau. Bei den 1975 bis 1979 Geborenen liegt dieser Anteil bereits bei 80 Prozent.

Wolfgang Mazal, Leiter des österreichischen Instituts für Familienforschung an der Universität Wien, hat eine Erklärung für diesen Trend. "Ganz anders als früher, als lange Zeit reichere Männer mit höherer Bildung Frauen aus einer niedrigeren Bildungsschicht geheiratet haben, sortiert man heute das Angebot", sagt Mazal zur "Wiener Zeitung". Das wurde freilich durch die wachsende Zahl an weiblichen Studierenden und Akademikerinnen erst möglich, man achte aber auch vermehrt bewusst darauf, "dass man in derselben Bildungsschicht bleibt." Man suche einen adäquaten Gesprächspartner, der auch ein gemeinsames Kind im passenden Maß fördern könne. Die Ökonomen der amerikanischen Studie stellten ebenfalls ein "assortative mating" - eine assortative Paarung - fest.

Dieses Sortieren der Partner in Bildungsschichten werde in weiterer Folge direkt an den Nachwuchs weitergegeben, so Mazal. Dem Neurowissenschafter Gerald Hüther zufolge kommen zwar 98 Prozent aller Kinder hochbegabt zur Welt -nach der Schule seien es aber nur noch zwei Prozent. Was lässt die Genialität in den Jahren dazwischen verkümmern, und was lässt sie wachsen?

Bildung sei eine Frage der sozialen Schicht, sagt Mazal. Das Bewusstsein über die Möglichkeiten, wie man sein Kind bestmöglich fördert, sei bei besser Gebildeten höher. Diese seien bereit und finanziell in der Lage, in Privatschulen zu investieren. Mazal: "Wir werden uns mit immer mehr Ungleichheit abgeben müssen, auch was die Bildung betrifft."

Nettovermögen variiert stark

Dazu kommt, dass besser Gebildete für gewöhnlich weniger Kinder haben, in die somit mehr Geld investiert werden kann. Akademiker, die eine längere Zeit der Ausbildung widmen, gehen aufgrund dessen meist später eine fixe Bindung ein. Das durchschnittliche Alter von Akademikerinnen bei der Geburt ihres ersten Kindes liegt laut Mazal bei 35 Jahren. Mit höherem Alter sinkt jedoch die Fertilitätsrate - und mit dieser "die Geburtenrate in diesen Milieus", so Mazal.

Das führt uns wiederum zur Vermögensschere zurück. Denn: Weniger Kinder erben einen größeren Teil des Vermögens. Ökonomin Schneebaum von der Wirtschaftsuniversität Wien hat im Zuge ihrer Studie auch die Vermögenssituation mit Zahlen unterlegt. Das Nettovermögen von Paaren, von denen beide Partner höchstens einen Pflichtschulabschluss haben, beträgt demnach durchschnittlich 227.705 Euro. Bei Akademiker-Paaren ist es mit 543.750 mehr als doppelt so hoch. Zum Nettovermögen zählen zum Beispiel Sparbücher, Wertpapiere, Immobilien und Autos abzüglich der Schulden, die man hat.

"Wenn sich ,gleich‘ zu ,gleich‘ gesellt, verflechten sich als Konsequenz daraus die sozio-ökonomischen Merkmale beider Partner", so die Autorinnen. Für gut ausgebildete Paare sei das positiv, weil die Partner beispielsweise bei Investitionsentscheidungen einen besseren Zugang zu Informationen vorweisen. Für die andere Seite habe dieses Handlungsmuster bei der Partnerwahl jedoch schwerwiegende, negative Folgen: "Wenn zwei weniger gebildete Menschen miteinander zusammenleben, hat ihr Haushalt vergleichsweise schlechte Ertragspotenziale", heißt es in der Studie.

Wären die Paare anders zusammengesetzt - jeweils ein hoch- und ein weniger gebildeter Mensch -, würden sie sich in ihren Einkommensmöglichkeiten annähern und wären folglich gleicher. "Ein hoher Grad an Bildungshomogamie ist mit steigender Vermögensungleichheit verbunden, die über Generationen hinweg vertieft wird."

Im Zuge einer weiteren Erhebung kam Schneebaum gemeinsam mit Julia Groiß und Barbara Schuster zu dem Schluss, dass der Anteil des Vermögens der Reichsten derzeit überdurchschnittlich stark ansteigt. Global betrachtet verfügen zehn Prozent der Bevölkerung bereits über 80 Prozent des Vermögens. Vor allem Unternehmensbesitz spiele für die Top zehn Prozent eine bedeutende Rolle - die Unternehmen würden oft nur auf wenige Personen übertragen respektive vererbt, "was zu einer Reproduktion der Vermögenskonzentration am oberen Rand der Verteilung führt", so die Autorinnen.

Erbschaftssteuer 2008 gekippt

Möglichkeiten zur Gegensteuerung wären den beiden Studien zufolge, den sozialen Wohnbau zu erweitern oder die Bildungsmobilität zwischen den Generationen zu fördern, zum Beispiel durch eine spätere Segmentierung im Schulsystem. Freilich fällt auch die Erbschaftssteuer darunter. Geeignete Vermögenssteuern könnten nicht nur der Vererbung von Vermögen, sondern auch der Übertragung von Einfluss und Macht entgegenwirken und so zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen, sagt Groiß.

Seit dem Jahr 2008 gibt es in Österreich keine Erbschaftssteuer mehr, der Verfassungsgerichtshof hob damals § 1, Zif. 1 des Erbschaftssteuergesetzes ("Erwerb von Todes wegen") auf. Unter der rot-schwarzen Regierung scheiterte ein neues Gesetz stets am Widerstand der ÖVP. Im Wahlkampf zur vergangenen Nationalratswahl im Oktober verdeutlichten die Parteien erneut ihre Positionen: ÖVP, FPÖ und Neos traten gegen eine Erbschaftssteuer ein, SPÖ, Grüne und Liste Pilz waren dafür. Innerhalb der EU steht Österreich mit der aktuellen Regelung, an der sich in einer schwarz-blauen Koalition vermutlich so schnell nichts ändern wird, relativ alleine da: In 19 von 28 Mitgliedstaaten gibt es eine Erbschaftssteuer.

Mazal sieht die Situation ein wenig differenzierter. Es gehe darum, "wie weit wir gegensteuern können und wollen", sagt er. Denn es sei auch eine Frage der Freiheit, eine gewisse Ungleichheit zuzulassen. Gleichzeitig müsse man diese freilich ansprechen und an die gesellschaftliche Verantwortung appellieren, zum Beispiel, wenn es um Sozialleistungen geht. Die Kunst sei, "die Balance zwischen Konformität und Differenziertheit zu finden".