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Warum Frauen 2018 nicht nur feiern

Von Martina Madner

Politik

2018 gibt es 100 Jahre Wahlrecht für Frauen - und trotzdem werden Feministinnen weiter zu kämpfen haben.


Wien. 2018, konkret am 12. November, haben Frauen Grund zu feiern. An diesem Tag feiert nicht nur die Republik ihren einhundertsten Geburtstag. An diesem Tag wurde auch das Gesetz über die Staats- und Regierungsform verabschiedet. Und Artikel neun sprach erstmals vom "allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Stimmrecht aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts". Frauen dürfen seither wählen, übrigens elf Jahre später als Männer.

Mit 1. Jänner 2018 tritt auch ein neues Gleichstellungsgesetz in Kraft. Damit soll der Frauenanteil in Aufsichtsräten von derzeit 18 auf 30 Prozent steigen. Auch von der Erhöhung der Mindestpension um 2,2 Prozent sollen rund 1,2 Million Frauen profitieren. Und ab Mitte des nächsten Jahres ist auch mit der Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe Schluss, wodurch bisher vor allem Frauen um diese Leistung häufig umfielen.

Trotz solcher Errungenschaften werden Frauen, insbesondere die Feministinnen und die Frauenbewegten unter ihnen, denen die rechtliche Gleichstellung nicht ausreicht, sondern die tatsächliche in allen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebensbereichen ein Anliegen ist, nicht ein Jahr durchfeiern.

Nicht, weil Feminismus links ist und deshalb automatisch in Opposition gegenüber einer rechtskonservativen Bundesregierung steht. Sondern, weil die Erfahrung zeigt, dass in Sachen Gleichberechtigung mühevoll erkämpfte Errungenschaften laufend vor Rückschritten bewahrt werden müssen. Und weil, wie Einkommensschere, Gewalt in der Familie und #Metoo als wenige Beispiele von vielen zeigen, es noch viele weitere Schritte in Sachen Gleichstellung braucht.

Kritischer Blick und Kampfgeist

Schaut man mehr als 100 Jahre zurück, zeigt sich: Auch das Wahlrecht wurde Frauen nicht einfach überlassen. Im Gegenteil: Da war im Vorfeld vom "natürlichen Aufgabengebiet" der Frau in Familie und Haushalt, der "geistigen Unmündigkeit" und der Unvereinbarkeit von Politik mit der "weiblichen Natur" die Rede.

Frauen mussten sich zwar auch in der Sozialdemokratie ihren Platz erkämpfen und die Forderung nach einem Wahlrecht durchsetzen. Noch mehr Gegenwind gab es aber aus anderen politischen Lagern: Einige Deutschnationale protestierten noch nach der Einführung gegen das Frauenwahlrecht. Aber auch Christlichsoziale hatten Bedenken, weil sie befürchteten, Frauen ließen sich eher von Sozialdemokraten als von Konservativen mobilisieren.

Das ist einhundert Jahre später nicht mehr so: Das Wahlrecht von Frauen ist auch bei ÖVP und FPÖ unbestrittenes Recht. Mehr noch, lange abgelehnt, gibt es heute selbst bei der ÖVP Unterstützung für Frauenquoten. Beispielsweise hielt Maria Fekter, langjährige Ministerin, damals noch im Nationalrat, im Juni 2016 eine Brandrede für die Quote, weil: "Es funktioniert halt nicht ohne Quote, auch wenn sie mir persönlich unsympathisch ist." Sie sei selbst eine, deshalb aber "nicht blöder, nicht schlechter, nicht weniger motiviert": "Auch als Quotenfrau kann man hervorragende Arbeit leisten." Was soll also die Aufregung?

Zuwarten und Auseinanderdividieren

Von Schwarz-Blau I haben Frauen gelernt, dass Organisationen, die sich für mehr Frauenrechte einsetzen und ihre Geschlechtsgenossinnen unterstützen, kein einfaches Leben haben. Der damalige "Frauenminister" Herbert Haupt bestellte bald nach Regierungseintritt der FPÖ zahlreiche Vereine zum Rapport, strich vielen davon Mittel, ließ sie finanziell aushungern und stattdessen einer Mädelschaft, einem weiblichen Pendant der Burschenschaften, Geld zukommen. Haupt schuf außerdem eine Männerabteilung im Sozialministerium, skurrilerweise unter dem Namen "Abteilung 6, Sektion römisch Sex" - was Österreich einen Artikel im deutschen "Spiegel" einbrachte.

Auch die neue Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß will gleich zu Beginn des Jahres über Geld reden: Sie meint damit allerdings mehr Transparenz bei Einkommen, um die Lohnschere zu schließen. Im Regierungsprogramm ist schließlich "Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit - Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt" verankert. Warum also solche Skepsis?

Am Werk sind nun zwei Parteien, die nicht gerade bekannt dafür sind, Frauenpolitik forsch voranzutreiben. Maria Fekter brauchte 27 Jahre in der Politik, bevor sie ihren Sinneswandel in der Quotenfrage kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Nationalrat vollzog. Und die FPÖ? Die konnte sich anders als die ÖVP nicht dazu durchringen, vergangenen Juni für die Quote in den Aufsichtsräten zu stimmen. FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch stellte sie in Frage: "Wie vielen Frauen hilft das wirklich?" Und der damals parteilose Marcus Franz erhielt gar Beifall von FPÖ-Abgeordneten, als er meinte: "Da könnte ich genauso gut sagen, ich brauche in Aufsichtsräten nur Leute mit Schuhgröße 45, denn die haben ein gutes Auftreten. Das ist genauso logisch oder genauso dämlich wie diese Frauenquote."

Aber nicht nur das. Im Regierungsprogramm heißt es auch: "Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen, ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden." Die Frauenbewegung aber hat gegen ein solches Festnageln auf biologische Unterschiede angekämpft. Sie muss es nun wieder machen. Sonja Ablinger, Sprecherin des Frauenrings, dem Dachverband von mehr als 40 Frauenorganisationen, weist darauf hin, dass das Geschlecht nicht über den Lebensentwurf von Menschen entscheiden darf. Schließlich wurde und wird die Diskriminierung von Frauen oft mit biologischen Unterschieden argumentiert.

Außerdem: Nicht nur, dass Frauen- mit Familienpolitik vermischt wird, indem Familie als "gemeinsame Aufgabe von Frau und Mann" definiert wird, wertet die Regierung andere Lebensentwürfe von Frauen ab: kinderlose Pärchen genauso wie lesbische Paare mit Kindern. Auch zeugen manche Maßnahmen, wie zum Beispiel die gesetzliche Vereinfachung des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes für Au-pair-Kräfte, davon, dass die im Programm gezeichneten Probleme wenig mit der Lebensrealität der meisten Mütter zu tun hat.

Schifteh Hashemi, die Sprecherin des Frauenvolksbegehrens, ist darüber hinaus über die im Programm erwähnte "Forcierung von Unterstützungsleistungen für Schwangere in Konflikt- und Notsituationen" angesichts der bisherigen Positionen von ÖVP und FPÖ besorgt.

Die damaligen FPÖ-Abgeordneten und heutigen Minister Norbert Hofer und Herbert Kickl thematisierten zum Beispiel gemeinsam mit Barbara Rosenkranz in einer parlamentarischen Anfrage, "dass die öffentliche Hand für rechtswidrige Handlungen Ressourcen" zur Verfügung stelle, und meinte damit Abtreibungen.

Gefährder von Frauen sind in Familien zu suchen

Auch am Beispiel des Sicherheitsthemas lässt sich erkennen, dass Frauen künftig auf Politik und darauf, wie Maßnahmen dotiert sind, achten müssen. Zwar ist im Regierungsprogramm mehrmals von "Gefährdern" die Rede. Allerdings nur im Zusammenhang mit "islamistischen, dschihadistischen Gefährdern", nicht aber von solchen innerhalb der vier Wände. Dass Gewaltprävention im Frauenkapitel mit Integration von Frauen zusammengefasst wird, unterstreicht das noch.

Wenn man Tätern wie Opfern "Werteschulungen zur Aufklärung über Gleichberechtigung" nahelegt, zeugt das nicht von der Erkenntnis, dass eine von fünf Frauen in Österreich einmal in ihrem Leben von Gewalt in der Familie betroffen ist - und zwar vor allem von Männern österreichischer Herkunft. Rosa Logar und Maria Rösslhumer, Sprecherinnen der Allianz "Gewaltfrei leben", weisen darüber hinaus auf jährlich bis zu 25 Frauen hin, die in Österreich durch ihre eigenen (Ex-)Partner oder Familienmitglieder ermordet werden.

Die Allianz bietet der Regierung an, sie beim Ausbau von Gewaltschutzeinrichtungen zu beraten, sie fordert auch mehr Budget für Gewaltschutzeinrichtungen. Solche sind zum Beispiel Frauenhäuser. FPÖ-Politiker sind in der Vergangenheit allerdings kaum als Unterstützer solcher Einrichtungen aufgefallen. So ging zum Beispiel Brigitte Kashofer vor einigen Jahren gegen das Frauenhaus in Amstetten als "Unfug, der abgestellt gehört", vor. Solche Schutzeinrichtungen seien an der "Zerstörung von Ehen und Partnerschaften maßgeblich beteiligt".

Unterstützung fand dagegen die Väterrechtsbewegung, wo einige Vertreter in der Vergangenheit massiv gegen Frauenhäuser auftraten und das Ausmaß an Gewalt an Frauen mit solcher an Männern relativierten. Der künftige Infrastrukturminister Norbert Hofer wurde von einer dieser Organisationen sogar mit einem Award für sein Engagement bedacht.