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Premiere im Schloss

Von Walter Hämmerle und Jan Michael Marchart

Politik

Blau-Schwarz wollen ihr Programm möglichst rasch umsetzen. Zuerst wird die Familienbeihilfe für Kinder im Ausland gekürzt.


Seggauberg. Treffpunkt 9 Uhr am Wiener Ballhausplatz vor dem Kanzleramt. Dann zweieinhalb Stunden Busfahrt und schließlich heißt es warten im Schloss Seggau im südsteirischen Leibnitz, in dem die schwarz-blaue Regierung ihre erste Klausur abhält. Die meisten Minister bleiben wie bei ihrer ersten Ministerratssitzung Ende Dezember im Hintergrund. Nur durch ein Fenster dürfen von der neuen Regierungsmannschaft um Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache Fotos und Bewegtbilder fürs Fernsehen eingefangen werden. Erst um 13.30 Uhr erfolgt ein Statement von Kurz und Strache. Die Inszenierung des in den letzten Wochen schon mantraartig artikulierten "Gemeinsamen", des "schnellen Handelns" sollte der einzige Höhepunkt des ersten Klausurtages bleiben.

Denn die Themen, um die es in der zweitägigen Klausur gehen wird, waren bereits im Vorfeld hinlänglich bekannt, weil über Medien und Ministerinterviews bereits in Überschriftenform lanciert.

Apropos Geschwindigkeit: Als eine der ersten Maßnahmen will die Regierung die europarechtlich strittige Anpassung der Familienbeihilfe, die an Kinder ins Ausland überwiesen wird, umsetzen. Bereits 2015 forderte Kurz, dass die Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder an die jeweiligen Lebenserhaltungskosten in der Heimat angepasst werden soll. Die schwarz-blaue Regierung will nun im Alleingang agieren und keine europäische Entscheidung abwarten. Die Reform wird heute, Freitag, im Ministerrat behandelt und anschließend in Begutachtung geschickt. Der Kanzler zeigt sich erfreut, weil das mit der SPÖ nicht zu machen gewesen sei. Diese hatte europarechtliche Bedenken. Auch die EU-Kommission hat dieses Ansinnen bisher abgelehnt und will das schwarz-blaue Gesetz nun prüfen, sobald es da ist. Kurz berief sich schon vor einem Jahr auf ein Gutachten des Arbeits- und Sozialrechtlers Wolfgang Mazal, der einen nationalen Alleingang in dieser Frage für zulässig erachtet.

Regierung will damit 114 Millionen einsparen

Mazal argumentiert die Reform in seinem Gutachten damit, dass EU-Bürger, die in einem anderen EU-Land wohnen, Anspruch auf Leistungen für Familienmitglieder haben, "als ob" sie in diesem Land leben würden. Das heißt, dass ein Ungar, der in Österreich lebt, aber dessen Kinder in Ungarn sind, zwar Familienbeihilfe aus Österreich bekommt. Das müsse aber nicht bedeuten, dass diese immer in der gleichen Höhe ausbezahlt werden müsse. Die Familienbeihilfe hätte den Zweck, den Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Die Lebensunterhaltskosten seien aber in Ländern wie Ungarn, Rumänien oder der Slowakei geringer als in Österreich. Das sei laut Mazal "nicht gerecht".

Darauf stützt sich der Bundeskanzler. Österreich könnte sich damit 114 Millionen Euro ersparen, rechnete er vor. 132.000 im Ausland lebende Kinder seien davon betroffen. 2016 flossen 273 Millionen Euro an Familienbeihilfe ins Ausland, 80 Millionen davon nach Ungarn. Man stelle damit einen Missstand ab und sorge für Gerechtigkeit, sagt Kurz. Ihm sei es "jahrelang ein Dorn im Auge gewesen", dass hunderte Millionen Euro ins Ausland fließen für Kinder, die nicht in Österreich leben und wo die Lebenshaltungskosten viel geringer seien.

Neben der Reform der Familienbeihilfe wollen ÖVP und FPÖ die bereits vor Weihnachten angekündigte Entlastung von niedrigen Einkommen beschließen. Konkret soll der Arbeitslosenversicherungsbeitrag gesenkt werden. Einkommen von 1350 bis 1950 Euro brutto monatlich und damit bis zu 900.000 Menschen sollen entlastet werden. Durchschnittlich soll die Entlastung im Jahr etwas mehr als 300 Euro betragen.

Unklar bleibt hingegen weiterhin, wie genau das neue Arbeitslosengeld ausgestaltet werden soll. Darüber scheint man sich auch innerhalb der Regierungsmannschaft noch nicht ganz klar zu sein. Sozialministerin Beate-Hartinger-Klein von der FPÖ sagte zuletzt, dass Langzeitarbeitslose nicht in die Mindestsicherung fallen werden, sondern "dauerhaften Anspruch auf Arbeitslosengeld haben" und es demnach unbefristet beziehen können. Das sieht Kurz anders. Es gelte das, was im Regierungsprogramm steht, sagt er. Wer länger einbezahlt hat, soll länger profitieren. Wer nur kurz einbezahlt hat, soll auch kürzer Arbeitslosengeld beziehen. Bestehe kein Anspruch mehr, gebe es noch die Mindestsicherung. Ein konkretes Konzept wollen Kurz und Strache noch heuer präsentieren, die Einführung eines deutschen Hartz-IV-Modells sei aber nicht geplant.

Auf dem weiteren Programm der Klausur stehen eine Energie- und Klimastrategie, der Erhalt des Militärgymnasiums in Wiener Neustadt, "Einsparungen" im System und eine "Deregulierungs-Offensive".

Rechtsbestand der Republik wird durchforstet

Im Zuge der geplanten Entbürokratisierung und Deregulierung soll der gesamte Rechtsbestand des Bundes vom Verwaltungsrecht über das Zivilrecht bis zum Strafrecht durchforstet und auf Übererfüllung von EU-Recht überprüft werden. Zusätzlich soll die heimische Rechtsordnung um Bundesverordnungen bereinigt werden, die vor dem 1. Jänner 2000 kundgemacht wurden. Um diesen Schwerpunkt soll sich Justizminister Josef Moser kümmern, der bekanntlich in seinem ehemaligen Job langjähriger Rechnungshofpräsident war.

Noch vor dem Sommer will die schwarz-blaue Regierung eine Klima- und Energiestrategie auf den Weg bringen. Die Treibhausgasemissionen sollen drastisch reduziert und die Weichen für einen langfristigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gestellt werden. Bis 2030 soll der gesamte Strom in Österreich aus erneuerbaren Energiequellen stammen und die Förderquellen für eine Klimastrategie sollen evaluiert werden. Wie die Strategieziele erreicht werden sollen, blieb am Rande der Klausur offen.

Heute, Freitag, findet im Schloss Seggau ein Ministerrat der schwarz-blauen Regierung statt. Am Nachmittag geht es zurück nach Wien.