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Gebremste Energiewende

Von Petra Tempfer

Politik
© Fotolia/Oskar

Sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene wurden Schritte für eine Neuorientierung bei den erneuerbaren Energien gesetzt - deren Ausbau wird dadurch jedoch zum Teil beschränkt.


Wien. Man kann zumindest nicht mehr sagen, dass nichts passiert. Während die vorige Regierung die geplante Energie- und Klimastrategie jahrelang vor sich hergeschoben hatte, hält nun Elisabeth Köstinger, in deren Ministerium für Nachhaltigkeit die Themen Energie und Umwelt zusammengeführt wurden, daran fest, bis März eine Strategie vorlegen zu wollen. Spätestens im Juli soll diese beschlossen werden. Die Eckpunkte sind im Regierungsprogramm festgeschrieben. 100 Prozent Ökostrom bis 2030 und die Abkehr vom fossilen Energiesystem sind nur einige davon. Derzeit liegt der Anteil der Erneuerbaren im Stromsektor bei 76,5 Prozent und bei der gesamten Energieversorgung bei 30 Prozent. Die Energie- und Klimastrategie ist die Basis für die ebenfalls lange geplante große Ökostromnovelle, die in Form eines Energiegesetzes verwirklicht werden soll - die kleine Ökostromnovelle wurde 2017 beschlossen.

Und auch auf EU-Ebene tut sich etwas: Das EU-Winterpaket "Clean Energy for all Europeans" beinhaltet eine Neuorientierung des Strommarktes in Europa. Der CO2-Ausstoß soll gesenkt und der Anteil erneuerbarer Energien erhöht werden. Es soll 2018 zum Beschluss kommen. Durch den EU-Ratsvorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2018 kommt Österreich dabei eine entscheidende Rolle zu.

Einspeisetarife sinken

Trotz dieses offenbaren Engagements, die Klimaziele von Paris zu erreichen und die Erwärmung bis 2100 unter zwei Grad zu halten, fallen beim genaueren Hinsehen einige Ungereimtheiten und Widersprüche bei den Maßnahmen auf. Durch die kleine Ökostromnovelle etwa könne man zwar mit dem Sonderkontingent von 45 Millionen Euro rund 120 Windkraftanlagen mit 350 Megawatt Windkraftleistung bauen, sagte IG-Windkraft-Geschäftsführer Stefan Moidl am Mittwoch. "Schmerzliche Abschläge" orte man jedoch bei den Einspeisetarifen, die von 7 bis 12 Prozent des zugesagten Tarifs reichten.

Ob bei bereits genehmigten Projekten eine so hohe Kostenreduktion überhaupt möglich sei, werde sich weisen. Bereits von 2011 bis 2017 seien die Einspeisetarife um insgesamt 7,7 Prozent gesunken, so Moidl - von 2017 bis 2018 war der Rückgang noch dramatischer, nämlich innerhalb dieser kurzen Zeitspanne 8,4 Prozent.

Und auch das EU-Winterpaket birgt Kurioses. Dieses Paket der Kommission schlägt nämlich ein Ziel von mindestens 27 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 vor, und auch der Rat der Europäischen Union plädiert für diesen Wert - laut EU-Parlament sollte dieser jedoch bei 35 Prozent liegen. IG-Windkraft und Erwin Mayer vom Dachverband "Erneuerbare Energie Österreich" zufolge würden 27 Prozent deutlich unter dem derzeitigen Ausbau liegen und somit eine Verlangsamung der Entwicklung in Europa bedeuten. Die Erneuerbaren-Vertreter wollen 45 Prozent.

Zudem soll der bisherige Vorrang erneuerbarer Energien, der garantiert, dass bei Überspeisung des Stromnetzes zuerst fossile Energien abgeschaltet werden, vollständig gelöscht werden. Auch im Fördersystem sind Änderungen vorgesehen, und zwar weg von Einspeisetarifen hin zu Ausschreibesystemen für eine bestimmte Leistung. "Dadurch will man den Ausbau in den Griff bekommen. Die Erneuerbaren werden ausgebremst", sagt dazu Mayer. "Die Klimaziele von Paris gehen sich so nie aus."

Diese Gegenbewegung sei unter anderem den Lobbies für die fossilen und atomaren Brennstoffe geschuldet, vermutet Mayer. Bis vor zehn Jahren sei Europa weit vor den USA und China Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien gewesen. Doch die anfangs belächelte "Alternativenergie" habe sich zu einem ernsthaften Konkurrenten bei den Marktanteilen im Energiesektor entwickelt - deshalb habe sich die Situation wieder gedreht, sagt Mayer. Im Gegensatz dazu haben die USA und China enorm aufgeholt. Etwa die Hälfte des weltweiten Ausbaus erneuerbarer Energien passiert auf chinesischem Boden.

Der Verbund, Österreichs größtes Elektrizitätsversorgungsunternehmen, sieht das EU-Winterpaket weniger kritisch. "Es setzt auf Wettbewerb, Energieeffizienz und verstärkte Teilnahme der Verbraucher am Energiemarkt", heißt es auf Nachfrage. Der Verbund unterstütze diesen Ansatz und plädiere für marktnahe Instrumente wie Marktprämien oder Investitionsförderungen anstatt fixer Einspeisetarife. Die Vergabe der Förderungen soll künftig per Ausschreibungen erfolgen, heißt es auf Nachfrage.

Klage gegen Paks II

Köstinger plädiere ebenfalls dafür, "ein besseres Fördermodell als die aktuelle Einspeiseförderung zu finden", sagt sie zur "Wiener Zeitung". Beim EU-Winterpaket komme Österreich als Vorsitzland eine zentrale Vermittlerrolle zu. Logistisch sei das zwar eine gewaltige Herausforderung, aber dennoch "eine Aufgabe, auf die ich mich gemeinsam mit meinem Ressort sehr freue", so Köstinger. Die finanziellen Herausforderungen seien noch nicht zur Gänze abschätzbar.

Was den Neubau des Atomkraftwerks Paks II in Ungarn betrifft, so wurde am 1. Dezember der Genehmigungsbeschluss der Investitionsbeihilfe im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Binnen zwei Monaten und zwei Wochen muss nun eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof eingebracht werden. Eine Klage werde gerade im Ministerium geprüft, heißt es dazu.

In Zukunft - speziell in Hinblick auf die Energie- und Klimastrategie - müsse man jedenfalls bei der Förderung mehr auf Markmechanismen und Kosteneffizienz achten, sagt Köstinger. Das neue österreichische Energiegesetz soll auf der Strategie und dem EU-Winterpaket aufbauen.

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