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Im Schatten der Affäre

Von Jan Michael Marchart

Politik

Trotz Wahlerfolg wird es für FPÖ-Kandidat Udo Landbauer in der Causa Liederbuch eng. | Seine Partei schließt weiterhin einen Rücktritt aus.


Wien. Die NS-Liederbuch-Affäre des blauen Spitzenkandidaten Udo Landbauer tat dem prophezeiten Wahlerfolg der Freiheitlichen in Niederösterreich keinen Abbruch. Das ausgegebene Ziel, das historisch beste Ergebnis der Ära Haider aus dem Jahr 1998 (16,09 Prozent) zu übertrumpfen und sich zu verdoppeln, schaffte die FPÖ zwar nicht ganz. Aber künftig werden doppelt so viele Abgeordnete - nämlich acht - im Landtag sitzen. Mit einem Plus von 6,6 Prozentpunkten verzeichnen die Blauen in Niederösterreich einen Wahlerfolg und bleiben mit 15 Prozent auf Platz drei.

Dass es Zugewinne geben würde, war absehbar, allein schon, weil das implodierte Team Stronach nicht mehr antrat und rund zehn Prozent der Stimmen frei wurden, die 2013 zu großen Teilen von den Freiheitlichen abgesprungen waren. Damals verzeichneten sie mit 8,2 Prozent auch ihren Tiefpunkt in Niederösterreich.

Der Wahlerfolg wird aber überdeckt von der Liederbuchaffäre um Landbauer und seine Burschenschaft Germania, die einen themenlosen Wahlkampf noch gehörig aufgemischt hatte. Und eine Frage offen lässt: Welche Konsequenzen muss er daraus ziehen?

Distanz zu Landbauer

Landbauer sagte zur Causa, dass es gegen ihn kein Ermittlungsverfahren gibt. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen vier Personen. Namen werden nicht genannt. An einen Rücktritt denkt im blauen Lager niemand. Personalentscheidungen würden sie in den kommenden Tagen treffen. FPÖ-Landesparteiobmann Walter Rosenkranz sprach von einer "intensiven Kampagne", bei der sich "vom Bundespräsidenten" abwärts alles eingemischt hat". Das hätte sich auf das Ergebnis ausgewirkt.

In den vergangenen Tagen wurde es enger für den 31-Jährigen mit persischen Wurzeln. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagte am Samstag, dass sich Landbauer durch die Naziliederaffäre seiner Burschenschaft als Politiker "disqualifiziert" habe. Trete Landbauer nicht zurück, habe "die FPÖ ein Problem", so Van der Bellen ob seines Staatsamtes überraschend deutlich zu Ö1. Im Gegensatz zu Kanzler Sebastian Kurz beginnt die rote Linie für Van der Bellen nicht beim Strafrecht, sondern davor.

Landbauer fiel aber nicht nur diesmal mit seinem Hang zum völkischen Liedgut auf. So unterstützte er 2010 die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als völkisch-fundamentalistisch bewertete und 2011 wieder aufgelöste Organisation "Junge Patrioten" und bewarb deren "Liederbüchlein für unterwegs", das ebenfalls NS-Lieder enthält. Damals war Landbauer Spitzenfunktionär der Freiheitlichen Jugend. In einer ORF-Wahldiskussion am 21. Jänner verteidigte er dieses Liederbuch. "Das sind Volkslieder, wo ich auch meine, das ist ein Stück Tradition", sagte er. "Das sollen auch unsere Jungen wieder lernen."

Getrübtes Verhältnis

Auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner schloss am Wochenende eine Zusammenarbeit mit Landbauer endgültig aus. Sein Verhalten sei keine Basis für eine Zusammenarbeit. Zuvor ließ sie sich trotz Liederbuchaffäre alle Optionen offen, obwohl das Verhältnis Landbauers zur Landeshauptfrau schon davor getrübt war. In einer Wahlkampfaussendung hatte er sie als "Moslem-Mama" tituliert, weil Kinder in Landeskindergärten türkisch zählen lernen. Zuletzt fuhr die Freiheitliche Jugend tagelang mit einem Kleintransporter durch Niederösterreich, auf dem ein Foto Mikl-Leitners mit Flüchtlingen und dem Schriftzug "Großes Herz für Zuwanderer" abgebildet war.

Ihren größten Zugewinn erreichte die FPÖ in der Gemeinde Blumau-Neurißhof im Bezirk Baden. Dort legte sie 16,08 Prozentpunkte zu, bleibt aber hinter ÖVP und SPÖ zurück. Allerdings verloren dort die Schwarzen rund zehn Prozentpunkte. Besonders stark fielen die Zugewinne der FPÖ im oberen Waldviertel aus. Im Bezirk Waidhofen an der Thaya war sie die einzige Partei, die zulegen konnte. Und zwar gleich um fast zehn Prozentpunkte: Sie überholte mit 20,35 Prozent die SPÖ deutlich, die auf Rang drei zurückfiel und leicht Stimmen einbüßte. In Groß-Siegharts etwa konnte die SPÖ, die in dieser Gemeinde den Bürgermeister stellt, zwar den zweiten Platz hinter der ÖVP verteidigen, doch auch hier derselbe Trend: Verluste für die SPÖ, starke FPÖ-Zugewinne.

Waldviertel besonders blau

"Man sieht", sagt Bürgermeister Gerald Matzinger, "dass in unserer Region zu wenig passiert ist. Es ist eine gewisse Verdrossenheit da, die vor allem die etablierten Parteien trifft." Das Waldviertel zählt zu den strukturschwachen Regionen des Landes, und im Gegensatz zum Weinviertel verfügt es auch nicht über einen Anschluss an eine hochrangige Straße. Der Bau einer Autobahn ist seit Jahren ein Thema, das von Lokalpolitikern auch gefordert wird, die FPÖ machte sich auch in diesem Wahlkampf dafür stark und deklarierte sich als einzige Partei pro Waldviertel-Autobahn.

Nur im Nachbarort von Groß-Siegharts, in Dietmanns, blieben die FPÖ-Zugewinne im Bezirk gering. Dort hatte sich die FPÖ aber von der Bezirkspartei nach internen Streitigkeiten abgespalten - drei Wochen vor der Wahl.

In Wiener Neustadt, jener Gemeinde also, in der Landbauers politischer und burschenschaftlicher Grundstein liegt, gewannen die Freiheitlichen bei der Landtagswahl um 10 Prozenpunkte dazu und stehen nun bei rund 20 Prozent. Allerdings bleiben sie mit diesem Ergebnis deutlich hinter ÖVP und SPÖ (rund 38 Prozent und 30,1 Prozent) zurück.