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Weniger Studierende, mehr Qualität?

Von Martina Madner

Politik

Zugangsbeschränkungen und Geld für Unis mit mehr Abschlüssen, das hebt die Qualität - aber nur ein bisschen.


Wien. Die Universitäten werden künftig neu finanziert. Bildungs- und Wissenschaftsminister Heinz Faßmann konkretisierte, nach welchen sogenannten "Leistungsindikatoren" die künftig 11,07 Milliarden Euro in den Jahren 2019 bis 2021 an die Universitäten verteilt werden sollen: Zusätzlich zu individuellen Leistungsvereinbarungen und Mitteln für Infrastruktur spielen in der Lehre Prüfungsaktivität der Studierenden sowie Absolventenquote, in der Forschung Basisleistung und Drittmittelerlöse eine Rolle.

Das neue Gesetz soll den universitären Bereich Faßmanns Ziel, dass "mehr aktive Studierende" zum Abschluss kommen, näher bringen. Doch ist das geplante dafür geeignet? Und bringt es neben mehr Quantität auch mehr Qualität ins Studium?

Studierende sind aktiver, als die Daten vermitteln

Tatsächlich sind nicht alle Studierenden gleich aktiv bei der Sache: Eine Auswertung des Ministeriums der Bildungsdokumentation der Universitäten zeigt, dass von den aktuell 280.000 Studierenden an den österreichischen Universitäten rund 105.000 weniger Prüfungen und Seminare besuchen, als für den Bezug der Familienbeihilfe notwendig ist.

Um diese Grenze zu überschreiten, sind allerdings 16 sogenannte ECTS-Punkte (gemäß dem europaeinheitlichen European Credit Transfer and Accumulation System) notwendig.

Im Zeitgeschichte-Studium müsste man beispielsweise innerhalb eines Semesters zwei Einführungsvorlesungen positiv abschließen, ein weiteres Proseminar und einen Grundkurs, um 15 ECTS-Punkte zu erhalten - einen Punkt zu wenig, um in der Definition des Ministeriums als "prüfungsaktiv" zu gelten. Sogenannte Karteileichen müssen sie jedenfalls nicht sein. Es könnten auch Studierende darunter sein, die wegen einer Berufstätigkeit länger für das Studium brauchen.

Weitere Beschränkungdes Zugangs

Wobei dieser Umstand noch kein Grund sein muss, das Angebot für Studierende nicht zu verbessern. Denn dieselben Daten belegen auch, dass das Betreuungsverhältnis an manchen Universitäten im Argen liegt. Im Wintersemester 2016 standen etwa an der Wirtschaftsuniversität Wien einem Professor 244 Studierende gegenüber. Sogar auf jede Lehrperson generell kamen 37. Im Durchschnitt aller Universitäten sind es übrigens 118 Studierende pro Professor und 21 pro Lehrperson.

Das Gesetz sieht deshalb weitere Zugangsbeschränkungen vor. Solche gibt es bereits in den Fächern Medizin, Psychologie, Veterinärmedizin, Architektur und Städteplanung genauso wie in der Biologie und Biochemie, Informatik, Wirtschaft, Pharmazie sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Neu hinzu kommen drei Fächer mit schlechtem Betreuungsverhältnis: die Pädagogik, wo auf eine Lehrperson 123 Studierende kommen, Fremdsprachen mit 1:73 und Jus mit 1:70. Optimal wäre hier laut Ministerium ein Verhältnis von 1:40.

Ein weiteres Instrument, um den Betreuungsschlüssel zu verbessern, ist die Finanzierung der Studienplätze nach der Anzahl der Absolventen, der Prüfungsaktiven und jener, die mehr als 40 ECTS-Punkte schaffen, also besonders schnell studieren.

"Großer Schritt" oder"Unis ohne Studierende"

Insgesamt sollen Kriterien wie diese - weitere gibt es auch für die Forschung - zu 70 Prozent dafür verantwortlich sein, wie viel Budget eine Universität erhält. Noch nicht klar ist, wie wichtig die jeweiligen Kriterien sein sollen. Das will der Minister in den kommenden Wochen per Verordnung noch festlegen - zum Beispiel, ob Forschung und Lehre gleichwertig sind.

Klar ist aber schon jetzt, dass das Gesetz unterschiedlich bewertet wird, erwartbar schlecht von der Opposition, aber auch innerhalb des universitären Bereichs sehr unterschiedlich: Oliver Vitouch, stellvertretender Vorsitzende der Universitätenkonferenz, der Vertretung der Rektoren, bezeichnete den Entwurf als "großen Schritt". Das neue System bringe eine strukturiertere Form, wobei durch das deutliche Budgetplus verbesserte Betreuungsrelationen sichergestellt würden, sagt Vitouch im Interview mit der APA - also mehr Qualität.

Anders die Vertreter der Studierenden, Johanna Zechmeister, die Vorsitzende der "Österreichischen HochschülerInnenschaft". Sie sagt im Gespräch mit der Wiener Zeitung, dass "es so bald Unis ohne Studierende geben wird, und nicht mehr Qualität". Zwar sei ein besseres Betreuungsverhältnis gut, das reiche aber nicht: Die ÖH verlangt jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Unis, das wären nach aktuellem Stand 22,2 Milliarden für drei Jahre statt der 11,07 - also doppelt so viel Geld. Und andere Maßnahmen wie eine bessere und vollständige Evaluierung von Lehrveranstaltungen, verpflichtende didaktische Schulungen für Lehrende und dass "Studierende als Teil der Universitäten mit Mitspracherecht ernst genommen werden".

Qualität muss früher und anders ansetzen

Hochschulforscher Hans Pechar sagt dagegen, dass es mit der Studienplatzfinanzierung "in die richtige Richtung geht". Dass die Unis oder einzelne Professoren damit auch Prüfungen vereinfachen, um mehr positive Noten pro Semester und Absolventen produzieren, um mehr Geld zu generieren, glaubt Pechar nicht: "Jede Uni wäre davor zu warnen, zur Diploma Mill zu werden. Aber der Anreiz durch das Gesetz ist nicht so stark." Die besten Talente verliere man in Österreich außerdem nicht durch die Zugangsbeschränkung, sondern weit früher, sagt Pechar: "Da bräuchte es mehr Investitionen und weniger Selektion in der Elementarpädagogik und im schulischen Bereich."

Wifo-Innovations- und Bildungsexperte Jürgen Janger würde diese Gefahr übrigens mit der Möglichkeit, den Zugang zu allen Studien zu beschränken, bannen: "Dann kann ich mir Studierende am Beginn aussuchen, brauche sie später nicht durchzutragen." Die Qualität ließe sich durch mehr Wettbewerb der Unis untereinander steigern, da geht man aber den gegenteiligen Weg.

Grundsätzlich gilt für Janger: "Mehr Ressourcen, die übrigens erstmalig explizit für die Lehre reserviert sind, bedeuten mehr Qualität. Es ist ein Fortschritt, in Studierende zu investieren. Und ein Abschluss ist besser als kein Abschluss." Der Aufnahmetest sorgte jedenfalls für mehr ernsthaftes Studieren: In der Medizin erhöhte sich zum Beispiel die Quote der Anfänger, die auch nach zwei Semestern noch studierten, von 77 Prozent auf 97 Prozent.