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An der Belastungsgrenze

Von Matthias Nagl

Politik

Tirol muss sich gegen den wachsenden Lkw-Verkehr wehren. Darüber sind sich die Parteien vor der Landtagswahl einig.


Innsbruck. Der Verkehr über den Brenner ist zwischen Österreich und seinen Nachbarländern nicht erst seit gestern ein Thema. Die Brennerautobahn war schon vor Baubeginn ein internationaler Diskussionspunkt. Im September 1958, rund zehn Jahre vor Fertigstellung der längsten österreichischen Teilstrecken, fand in Bozen eine "internationale Brennerverkehrstagung" statt, an der Vertreter Italiens, Deutschlands und Österreichs teilnahmen. Am internationalen Abstimmungsbedarf in Sachen Brennerverkehr hat sich in 50 Jahren wenig geändert. Am Montag wurde in München wieder über den Brenner diskutiert. Diesmal handelte es sich um einen Verkehrsgipfel, wieder kamen die Teilnehmer aus Italien, Deutschland und Österreich. Mit dabei war auch die EU.

Der Blick auf die Brennerautobahn hat sich je nach Region aber etwas verschoben. Sagte Tirols damaliger Landeshauptmann Eduard Wallnöfer bei der Inbetriebnahme der Brennerautobahn 1968 noch, für das Land Tirol sei diese Straße "ein stolzes Werk", sagt der aktuelle Tiroler Landeshauptmann Günther Platter: "Die Belastung für Mensch, Natur und Infrastruktur ist überschritten." Er macht das an den aktuellen Zahlen fest. Im Jahr 2017 fuhren 14,1 Millionen Fahrzeuge über die Brennerautobahn, so viele wie nie zuvor. Davon waren 2,3 Millionen Transit-Lkw. Die Zahlen sind der vorläufige Gipfel einer langjährigen Verkehrszunahme.

Weitere Blockabfertigungen

Kurzfristig wehrt sich Tirol mit Maßnahmen zur Symptombekämpfung. Auch deshalb ist das Thema Brenner-Transit vor der Tiroler Landtagswahl am 25. Februar wieder einmal besonders aktuell. Seit vergangenem Sommer gab es an besonders verkehrsintensiven Tagen bereits mehrmals Lkw-Blockabfertigungen. Dabei wird die Einfahrt nach Tirol bereits am Beginn der Inntalautobahn bei Kufstein gedrosselt, stündlich werden nur 250 bis 300 Lkw ins Land gelassen. Tirol spricht von einem Erfolg, die EU-Kommission zeigt Verständnis, Deutschland protestiert. Für das laufende Jahr rechnet Landeshauptmann Platter mit 20 bis 30 weiteren Tagen mit Blockabfertigung.

Sektorales Fahrverbot

Die bisherigen Maßnahmen zeigten nämlich nur eingeschränkt Wirkung. Dabei gab es etwa um die Einführung des sektoralen Fahrverbots für Lkw mit unverderblichen Gütern ein jahrelanges Gezerre, einerseits innerhalb der Tiroler Landesregierung, andererseits zwischen Tirol und der EU-Kommission. Inzwischen ist Tempo 100 auf der Inntalautobahn auch für Pkw eingeführt. Das war eine Bedingung der EU-Kommission. Das sektorale Fahrverbot ist seit mehr als einem Jahr in Kraft. "Vor fünf Jahren waren der Luft- und Lärmhunderter und das sektorale Fahrverbot noch umstritten. Hier ist es uns gelungen, ein Umdenken einzuleiten", sagt Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe von den Grünen. Merkbare Auswirkungen auf die Transit-Zahlen hat das Verbot aber nicht. Nach wie vor dürfen Lkw, die die aktuellste EU-Abgasnorm Euro VI erfüllen, auch mit unverderblichen Gütern über den Brenner fahren.

Die Effekte beschränken sich darauf, dass es bei der Rollenden Landstraße Zuwächse gab und sich die Belastung der Luft durch Stickstoffdioxid spürbar verringerte.

Das sektorale Fahrverbot ist nach wie vor umstritten. "Der Lufthunderter, der derzeit am sektoralen Fahrverbot hängt, das mehr Ausnahmen als Verbote bringt, ist ein zahmer Tiger, der wenig gebracht hat. Es ist unbestritten, dass der Hunderter für die Luftqualität etwas gebracht hat. Da kann man aber auch über einen 80er oder 50er diskutieren, das kann es nicht sein", sagt FPÖ-Spitzenkandidat Markus Abwerzger. Er wolle darüber mit Brüssel noch einmal verhandeln. "Das Ziel muss sein, dass man den Lufthunderter wegbekommt."

FPÖ will Hausbrand verringern

Seine Partei will die Luftqualität anders verbessern. Die Luftverschmutzung durch den Hausbrand soll verringert werden, argumentiert die FPÖ. In diesem Punkt bekommt Abwerzger Schützenhilfe von der SPÖ. Spitzenkandidatin Elisabeth Blanik sagt: "Derzeit wird gegen den Hausbrand relativ wenig getan. Da braucht es großräumige Strategien in der Energieeffizienz und für neue Heiztechniken. Hier muss man eine Offensive starten, um für die Menschen eine Entlastung bei den Luftschadstoffen zu erreichen." Den Lufthunderter und das sektorale Fahrverbot unterstützt Blanik zwar, sie fordert aber ein Ende der Ausnahmen, etwa für Euro-VI-Lkw. Generell wirft die Lienzer Bürgermeisterin der Landesregierung Untätigkeit vor. "Von der grünen Landesrätin sind uns mit dem sektoralen Fahrverbot 200.000 Lkw-Fahrten weniger versprochen worden. Genau das Gegenteil ist der Fall", klagt sie.

Für die Reduktion des Lkw-Verkehrs wird es also auch weitere Maßnahmen brauchen. Über viele Maßnahmen herrscht zwischen den Landtagsparteien weitgehend Konsens.

Korridormaut

Eine erste ist schon zwischen Tirol und Südtirol abgestimmt. Mitte Jänner einigten sich die beiden Regionen darauf, eine Korridormaut für die Strecke Kufstein bis Verona zu forcieren. Die Gebühren für Lkw sollen an andere Alpentransitstrecken angepasst werden. Platter ist optimistisch, dass es noch im Jahr 2018 die notwendigen Beschlüsse in Österreich und Italien gibt. Auch dafür gibt es für die Landesregierung Unterstützung durch die SPÖ. Allerdings nicht ganz ohne Kritik: "Über die Maßnahmen sind wir uns alle einig. Nur dass jetzt erst, zwei Monate vor der Wahl, Maßnahmen gesetzt werden, ist der Kritikpunkt. Da braucht es verstärkten Druck Richtung Umsetzung", meint Blanik.

Langfristig hat Platter weitreichendere Pläne: "Ich will eine Lkw-Obergrenze von einer Million Lkw bis zum Jahr 2030, wenn der Brennerbasistunnel in Betrieb ist", sagt Platter im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Lkw-Obergrenze

Hier hat er die Unterstützung seines Koalitionspartners, der Grünen. Dazu sei man mit EU-Experten bereits im Gespräch. Die Grünen mahnen aber mehr Tempo ein. "Wir hätten jetzt schon Kapazitäten auf der Rollenden Landstraße. Deshalb ist es dringend notwendig, die Verlagerungspolitik jetzt zu starten", sagt Felipe.

Die Rollende Landstraße wollen auch die ÖVP und die Oppositionsparteien ausbauen. Dafür ist Platter allerdings weniger auf mögliche Koalitionspartner im Inland angewiesen. "Es muss endlich mit dem Bau der Zulaufstrecke in Bayern begonnen werden. Ich habe es satt, dass immer nur Papiere und Absichtserklärungen verfasst werden. Jetzt müssen Taten folgen", sagt Platter. Da ist er allerdings auf Deutschland angewiesen. Aber auch dieses Thema ist in München besprochen worden: Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) zeigte sich bereit, eine Verlagerung der Lkw auf die Schiene zu unterstützen.