Wien. "Die Gemeinden haben es satt, als Ausfallshafter für den Bund zu dienen", sagte Gemeindebundpräsident Alfred Riedl am Montag. Konkret meinte er damit den Beschluss des Nationalrates zur Abschaffung des Pflegeregresses im Sommer 2017. Dieser trat am 1. Jänner dieses Jahres in Kraft. Eine "Ho-Ruck-Aktion", wie Riedl sie bezeichnete, die mit enormen Kosten für die Länder verbunden sei. Fast 1200, also mehr als die Hälfte aller Gemeinden hätten daher bereits im Gemeinderat entsprechende Resolutionen beschlossen. "Und täglich werden es mehr", so Riedl.
Die Gemeinden wollen mit Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) über eine Übernahme sämtlicher Mehrkosten vonseiten des Bundes verhandeln. "Denn wer anschafft, muss zahlen", so Riedl. Einigt man sich nicht, schließt Riedl eine Klage beim Verfassungsgerichtshof nicht aus. Diese muss spätestens ein Jahr nach Gesetzesbeschluss - in diesem Fall bis 1. August 2018 - angemeldet werden. Außerdem verlangt Riedl, dass der Nationalrat in Vorwahlzeiten keine budgetwirksamen Beschlüsse mehr fassen darf.

Mit dem vor der Nationalratswahl im Oktober 2017 beschlossenen, neuen Paragrafen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes wurde für den Bereich der Pflegeleistungen für Personen in stationären Einrichtungen der Zugriff auf deren Vermögen abgeschafft. Das Gleiche gilt für das Vermögen deren Angehöriger, Erben und Geschenknehmer. Der Ersatz von sonstigen Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe bleibt nach wie vor unverändert.
Mehrkosten für die Länder von bis zu 500 Millionen Euro
Für die dadurch der öffentlichen Hand entstehenden Mehrkosten sagte der Bund 100 Millionen Euro zu - bei Weitem zu wenig, kritisierte Riedl. Der Gemeindebundpräsident rechnet vielmehr mit 350 bis 500 Millionen Euro, die die neue Regelung kosten werde.
Die relativ große Spannweite ergebe sich daraus, dass aufgrund der Abschaffung des Pflegeregresses die Nachfrage nach einem Platz im Heim voraussichtlich steigen werde, so Riedl. Wie viel genau, das werde sich erst weisen.
Die Bruttoausgaben der Länder und Gemeinden für die Langzeitpflege betragen laut Riedl rund 3,5 Milliarden Euro. Rund 40 Prozent davon (etwa 1,5 Milliarden) stammen aus privaten Eigenleistungen wie Pensionen. Die Netto-Ausgaben von rund 2 Milliarden Euro teilen sich die Länder und Gemeinden nach dem jeweiligen Sozialhilfegesetz auf, meist halbe-halbe.
"Wir haben Verträge mit dem Steuerzahler, dass wir nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen", sagte Riedl. "Wenn wir diese Verträge - Stabilitätspakt und Finanzausgleich - einhalten wollen, müssen wir andere Ausgaben zurückstellen." Also Ausgaben wie etwa für die Kinderbetreuung oder Sanierungen von Kanal, Schulen und Straßen. Auch Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger forderte im Ö1-"Morgenjournal" am Montag dringend Verhandlungen mit dem Bund und einen Ersatz der Kosten. Genaue Zahlen konnte auch er noch nicht nennen. Nach ersten Schätzungen sprach Weninger von 500 Millionen Euro.