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Rote Schneemänner unter blauem Himmel

Von Wolfgang Liu Kuhn

Politik

Am Sonntag ist der dritte Wahlgang des heurigen Jahres. Kärnten wählt nach einem relativ unaufgeregten Wahlkampf.


Klagenfurt. Der Befund, wonach in Kärnten die Sonne vom Himmel gefallen ist, lässt sich eine knappe Dekade später nicht bestätigen: Ein blauer Himmel (immerhin) strahlt über der Gedenkstätte für Jörg Haider an dessen Unfallort in der Nähe von Klagenfurt. Ansonsten scheint man dem einstigen Landeshauptmann von Kärnten die ewige Ruhe zu gönnen: Die frühere Pilgerstätte seiner Fans wirkt verwaist. Einst hingen hier Transparente, die das frühe Ableben des Landesvaters auf Raketenangriffe sowie den Mossad und weniger auf Alkoholisierung und überhöhte Geschwindigkeit zurückführten. Heute sieht man nur noch vereinzelt einige Kerzen, die meisten davon seit längerer Zeit erloschen.

Immerhin sorgt der Wahlkampf für kleine Farbtupfer in der Tristesse: Mit kleinem Respektabstand zum Marterl haben die Freiheitlichen zwei Wahlplakate aufgebaut. Am Grundstück hinter der Gedenkstätte macht hingegen eine Schneemann-Familie offensichtlich Stimmung für die Sozialdemokraten. Ob SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher am Ende doch recht hatte mit seiner Annahme, dass Haider heute rot wählen würde? Gerhard Dörfler war jedenfalls der Mann, der Haider 2008 nach dessen Unfalltod im Amt nachfolgte und sich neben der genannten Gedenkstätte auch für eine Jörg-Haider-Brücke über die Drau einsetzte.

Keine Flüchtlinge sorgenfür Gesprächsstoff

Um Dörfler mag es still geworden sein, doch in seiner Heimatgemeinde Deutsch-Griffen hat das Erbe der blauen (beziehungsweise orangen) Regierungsarbeit Früchte getragen. Nirgendwo sonst in Österreich erzielen die Freiheitlichen bessere Wahlergebnisse, im Jahr 2017 bei der Nationalratswahl 2017 waren es 53,8 Prozent. Der Ort zählt 911 Einwohner, zwei Volksschulklassen, eine Kirche, eine Raiffeisen-Bank - und null Flüchtlinge. Und dennoch dominiert das Ausländer-Thema die Gespräche rund um die Stammtische der vier Dorfgasthäuser. Gegen die Zuwanderung müsse man sich zur Wehr setzen, da die eigene Kultur und vor allem das Sozialsystem in Gefahr seien, hört man dort.

Dass die Hypo-Alpe Adria das Land mit einem Schaden von 12,5 Milliarden Euro knapp in den Ruin getrieben hat, ist hingegen kein Thema. Lieber erinnert man sich an die Legende, wonach der verstorbene Landesvater Haider jedem Kärntner dreimal die Hand geschüttelt hat, und alle Stammtisch-Besucher wissen noch, wo sie "dem Jörg" begegnet sind. Beim Marathon, am Bauernmarkt, an der Raststätte neben der Autobahn. "Der hat sich halt die Zeit genommen und uns zugehört", sind sich die Deutsch-Griffener einig. Dass sich "der Strache" gegen ein Rauchverbot in der Gastronomie einsetzt, finden sie auch gut. Auf den Tischen liegen blaue Feuerzeuge mit dem Aufdruck: "Die soziale Heimatpartei".

Im Gegensatz zu Deutsch-Griffen ist es in Velden schwierig, eine Gaststätte zu finden, die überhaupt offen hat. Der mondäne Jetset-Ort am Wörthersee wirkt in den Wintermonaten wie ausgestorben, die vereinzelt aufgestellten Wahlplakate wirken ein wenig verloren, und die wenigen Menschen auf der Straße sehen dem kommenden Wahlgang gelassen entgegen.

Bei der Nationalratswahl im vergangenen Oktober ging die FPÖ hier als Nummer 1 durchs Ziel, noch stärkere Zugewinne konnte allerdings die ÖVP mit ihrem dritten Platz verbuchen. Die Sympathiebekundungen auf der Straße fallen entsprechend ausgeglichen aus - man ist sich einig, dass der amtierende Landeshauptmann Peter Kaiser Statur habe, die ÖVP durch die Bundesregierung im Aufwind sei.

Ambivalent wirkt die Einstellung zu den Grünen, die bei den letzten Nationalratswahlen katastrophal abstürzten: Landesrat Rolf Holub habe ja "im Prinzip" recht mit seinen kritischen Anmerkungen zum GTI-Treffen. Nur könne man das nicht sagen, weil vom Tourismus so viel abhänge. Und überhaupt: Ganz allgemein müsse man einfach mehr tun zur Belebung der Region, denn mit Sparen alleine könne man den Tourismusstandort nicht voranbringen. Und da habe "der Jörg" eben schon einiges getan.

Grüner Ableger inroter Hochburg

Vergleichsweise belebt wirkt das Stadtzentrum von Villach, wo sich Touristen aus den nahe gelegenen Skigebieten und italienische Besucher die Klinke in die Hand geben. Mittendrin: Kleinere Gruppen von Wahlhelfern, die für ihre Spitzenkandidaten die Werbetrommel rühren. In der traditionell roten Hochburg gab es bei den Nationalratswahlen zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ und FPÖ, wobei Erstere noch knapp die Oberhand behalten konnten.

Im Kräftemessen der etablierten Parteien im Stadtzentrum scheinen vor allem die Wahlhelfer der Grünen buchstäblich um ihr Leben zu laufen. Doch es ist vor allem die "Verantwortung Erde", die mit ihrem Villacher Spitzenkandidaten Gerald Dobernig hervorsticht. Der 31-Jährige versprüht mit seinen etwas längeren Haaren und legerer Kleidung etwas vom Charme der grünen Sturm-und-Drang-Phase. "Aber wir fühlen uns durch die Denkweise der Grünen nicht vertreten. Wir sehen uns nicht links oder rechts, sondern neu, und freuen uns, wenn man das als Bereicherung sieht", sagt Dobernig, während seine Helfer Päckchen mit Saatgut verteilen.

Etwas weiter weg watscheln ein paar Schneemänner die Straße hinunter und klatschen für Peter Kaiser in die Hände. Dieser sei "Gut für Kärnten" sowie "Verlässlich. Ehrlich", wie auf den Flyern und Plakaten steht.

Noch biederer als die Sozialdemokraten geben sich nur die Freiheitlichen, die mit Landesparteiobmann Gernot Darmann auf den Plakaten "Stillstand beenden" und "Fortschritt wählen" wollen. Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache und schrille Sprüche à la "Daham statt Islam" sucht man diesmal vergeblich. Und doch ist das Ausländer-Thema - einmal mehr, einmal weniger - unterschwellig präsent, etwa dann, wenn man in der Gemeinde Lendorf unterwegs ist.

In der kleinen Ortschaft St. Peter in Holz wurden 2014 Flüchtlinge aufgenommen, gegen die Unterkunft gebende Familie gab es damals Drohungen und lautstarke Proteste. Besonders ärgerten sich die Anrainer darüber, dass sie vor vollendete Tatsachen gestellt wurden und kein Mitspracherecht hatten. "Der Herr Kaiser hat sich hier nie blicken lassen", kocht der Volkszorn bis heute nach. Die Rechnung folgte bei der Nationalratswahl mit einem Plus von 18 Prozentpunkten für die Freiheitlichen.

Fremde als Touristensind erwünscht

Woanders sind Ausländer hingegen erwünscht - zumindest dann, wenn sie in Form von Touristen kommen. Das Gailtal ist dieser Tage gut besucht, speziell das Skigebiet Nassfeld-Hermagor meldet in dieser Saison ein kräftiges Plus. Bei der vergangenen Nationalratswahl war die ÖVP hier der klare Gewinner, was für Kärnten relativ unüblich ist.

Auch die Landespartei unter Christian Benger scheint hier gut anzukommen, selbst wenn die Politik in den Après-Ski-Bars der Region eher für den einen oder anderen Flachwitz herhalten muss. Für Heiterkeit sorgt vor allem die Aussage von ÖVP-Klubobmann Christian Hueter, wonach die Partei einen "warmen Wind aus Wien" verspüre: "Aus Wien is scho imma a Schas kumma", ist man sich einig.