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Die verlorene Ehre der Eva Glawischnig

Von Werner Reisinger

Politik

Enttäuschung bei den Grünen: Ex-Parteichefin wechselt zum Glücksspielkonzern Novomatic.


Wien. Ihre Entscheidung werde "viele überraschen, manche vielleicht irritieren", sagte Eva Glawischnig am Freitag bei einer Pressekonferenz mit Harald Neumann, dem Chef des Glücksspielkonzerns Novomatic. Mit Kritik aus den eigenen Reihen bezüglich ihres neuen Jobs hat die ehemalige Bundessprecherin und Klubobfrau der Grünen offenbar gerechnet. Fraglich ist, ob sie auch mit einer solchen Vehemenz gerechnet hat, als sie der Öffentlichkeit ihren Karriereschritt ankündigte: Glawischnig leitet seit Freitag die Bereiche "Corporate Responsibility und Sustainability" just bei jenem Glücksspielriesen, den sie selbst noch im April vergangene Jahres heftig kritisierte. Die, die Geld und Einfluss hätten wie Novomatic, würden Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben, sagte sie damals sinngemäß in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum".

"Bärendienst" für Holub

Vor allem in den sozialen Medien rotierten Glawischnigs frühere Mitstreiter. "Sollte es einen Gott geben, glaube ich, ist er momentan wirklich gegen uns. Wir werden auch diese Prüfung bestehen", schrieb etwa die Wiener Grüne Birgit Hebein auf Twitter, "sprachlos" zeigte sich der steirische Grünen-Chef Lambert Schönleitner. Am frühen Nachmittag rückte Bundessprecher Werner Kogler aus und verkündete, Glawischnig habe ihm versichert, dass sie die Parteimitgliedschaft zurücklegen werde.

Der Zeitpunkt der Bekanntgabe von Glawischnigs Karriereschritt kommt überraschend. Am Sonntag wählt Kärnten einen neuen Landtag, der grüne Spitzenkandidat und Hypo-Aufdecker Rolf Holub hatte in der Vergangenheit voll auf die Themenklassiker Kontrolle und Transparenz gesetzt, in den Umfragen steht seine Landespartei bei rund zwei Prozent - ein "Bärendienst" für die um den Einzug in den Landtag kämpfenden Grünen, wie auch Kogler zugeben musste.

Glawischnig hat sich offenbar trotz anderer Angebote aus der Wirtschaft für die umstrittene Novomatic entschieden. "Konzerntanker" und die Industrie hätten sie nach ihrem Abgang aus der Politik besonders interessiert. Sie sehe sich bei Novomatic als "Verantwortungsmanagerin", die Firma selbst sei "im Wesentlichen ein Hightech-Konzern". Und sie versichert: "Meinen kritischen Geist kann und werde ich nicht aufgeben." Auf die Frage, ob sie auch mit den Wiener Grünen reden werde, die das vor allem von Novomatic betriebene Automaten-Glücksspiel vehement bekämpfen, sprach Glawischnig von der Wichtigkeit von Regulierung, aber auch davon, dass man "unerwünschte gesellschaftliche Erscheinungen" wie die Spielsucht nicht "wegverbieten" könne.

Filzmaier: "Doppelmoral"

"Sozial anerkannt ist in Österreich bei Ex-Politikern eigentlich nichts, was sie nach der politischen Karriere machen", versucht der Politikwissenschafter Peter Filzmaier eine Relativierung der massiven Kritik an Glawischnig. Er kritisiert vor allem Ad-hoc-Urteile aus rein moralischer Perspektive, wie sie in ähnlich gelagerten Fällen - Stichwort Alfred Gusenbauer und SPÖ - "sehr rasch zur Hand sind". "Meine Sympathien für das Glücksspiel halten sich sehr in Grenzen, aber Empörung über einen privaten Konzern zu äußern und dabei zu übersehen, dass auch der Staat massiv daran verdient, geht Richtung Doppelmoral", sagt der Politologe. Wird nun die politische Konkurrenz Glawischnigs fragwürdige neue Karriere ausnutzen?

"Eine große Offensive werden die anderen Parteien mangels Glaubwürdigkeit nicht wagen, denn sie alle haben Ex-Politiker in privatwirtschaftlichen Jobs." Politische Gegner könnten sich zurücklehnen, da ohnehin die Massenmedien "den Job erledigen". Filzmaier rechnet aber damit, dass Glawischnigs Karriereschritt spätestens vor der Wienwahl 2020 "zumindest bei Gelegenheit herangezogen" werden wird.