Zum Hauptinhalt springen

Der letzte Kaiser

Von Jan Michael Marchart

Politik

Mit Peter Kaiser ist ein unglamouröser Politiker zu einer gewichtigen Stimme in der Bundes-SPÖ aufgestiegen.


Wien. Muss ein Politiker ein Schreihals sein? Ein Volkstribun? Oder klischeehaft eitel? Nein, meinen die Kärntner. Ausgerechnet, könnte man ergänzen. Das befand das Nachrichtenmagazin "profil" schon beim ersten Überraschungserfolg des roten Landeshauptmanns Peter Kaiser im Jahr 2013. Staubtrocken verteidigte Kaiser nun Platz eins im schuldengeplagten Kärnten: 10,7 Prozentpunkte plus, die Absolute nur knapp verpasst, ein großer Abstand auf den Angstgegner, die Freiheitlichen. Das klingt nach einer Geschichte aus einer längst vergangenen Zeit.

Kaiser passt nicht in die Gegenwart. Er sei ruhig und bescheiden, sagen Parteifreunde. Und wahrlich kein Volkstribun. Der prononcierte Linke gleiche einem Antipolitiker neben der gegenwärtigen Politik der Slimfitanzüge.

Manche Genossen beschreiben ihn gar als Langweiler. Aber nicht boshaft. Er bleibe gerade deshalb Landeshauptmann, weil sich Kaiser so wohltuend von den Schlawinern der einstigen Buberlpartie unterscheide, in der Sozialpolitik als feudales Event verstanden wurde. Obwohl Kaiser nach dem Hypo-Chaos vor allem eines musste: sparen. Das ist nicht leicht für einen Roten. Nach der großen Party der Haider-Jahre scheint in Kärnten aber eine Sehnsucht nach Ruhe eingekehrt zu sein. Und Wahlerfolge gehören offenbar doch nicht nur schreienden Populisten.

Das Ergebnis in Kärnten tangiert auch den roten Parteichef Christian Kern und dessen Zukunft als Vorsitzender der Bundesgenossen, die in der Opposition noch sehr kleinlaut wirken. Kern steht zwar weiterhin im Zentrum, hat aber spätestens seit dem Ende seiner Kanzlerschaft keine Hausmacht mehr in der Partei. Und die roten Machtverhältnisse verschieben sich gerade.

Kaiser ist für Kern ein wichtiger Verbündeter. Er war einer der Kanzlermacher Kerns und gilt als einer der wenigen verbliebenen Linken unter den roten Landespolitikern. In der Vergangenheit genoss Kaiser vielleicht auch deshalb das Vertrauen Kerns, der ihn mit eminenten Projekten wie dem Wertekompass betraute, der die Frage klären sollte, wie es die SPÖ mit der FPÖ halten solle. Mehr einflussreiche Unterstützung für Kern gibt es im Westen nicht, die roten Landesparteien haben dort noch nie eine große Rolle gespielt.

Ein neuer Spielerim roten Universum

Weiter im Osten bekam Kern bisher mehr Gegen- als Rückenwind. Dort ist aber mit dem innerhalb der Partei streitbaren Wiener Parteivorsitzenden Michael Ludwig ein neuer Entscheider im roten Universum aufgetaucht. Ludwig hat sich in der Wiener SPÖ vom Linken zum Realo gewandelt. Was so viel heißt, dass er für viele Genossen im Rathaus in der heiklen Frage der Zuwanderung nach rechts gerückt ist. Das war aber mehr ein Deutungsangriff aus dem Lager seiner Widersacher. Diese Zuschreibung könnte sich nun zum Bumerang für die Wiener Genossen entwickeln.

Ludwigs Verhältnis zur FPÖ gilt aber als entspannter als das seiner Wiener Parteifreunde. Gemäß des ungeschriebenen Parteiengesetzes ist er als Wiener Bürgermeister der mächtigste Mann in der SPÖ, zumal der Kanzler verloren wurde. Ludwigs pragmatische Linie wird in der gesamten SPÖ nicht ohne Wirkung bleiben.

BurgenländischeQuertreiber

Als die Wiener SPÖ kurz davor war, Ludwig zum Vorsitzenden zu küren, drückte man diesem auch im Burgenland etwas fester die Daumen als sonst. Und wohl am festesten taten das Landeshauptmann Hans Niessl und dessen Nachfolger in spe, Hans Peter Doskozil, die das Tabu Rot-Blau bereits leben und in der Vergangenheit immer wieder Kerns Kurs unterliefen, etwa in der Migrationsfrage und als es darum ging, ob die SPÖ als Zweiter in die Opposition gehen soll. Das sei Mist, sagten beide. Niessl hielt Ludwig für eine gute Wahl und Doskozil führte aus, dass Ludwig nicht nur für die Wiener Genossen eine wichtige Entscheidung gewesen sei, "sondern auch für die Entwicklung der Sozialdemokratie auf Bundesebene."

Mit Ludwig wurde der Pragmatikerflügel gestärkt, der nicht vorrangig darauf drängt, grünaffine Wähler anzusprechen, sondern sich die Arbeiter von der FPÖ zurückzuholen. Daher tönt es aus vom neuen Team von Ludwig etwas freiheitlicher als bisher: Bevorzugung heimischer Betriebe bei öffentlichen Aufträgen, Verschärfungen bei der Mindestsicherung sowie ein Kopftuchverbot in Schulen.

Der gelassenePragmatiker

Aber die jüngsten Wahlergebnisse, vor allem jenes bei der Nationalratswahl und nun in Kärnten, wurde nur möglich, weil die SPÖ die enttäuschten Grün-Wähler nahezu vollständig geschluckt hat. Aber eine Mehrheit im Bund durch das gegenwärtige rot-grüne Wählerreservoir ist derzeit nicht in Sicht. Regierungsmacht dadurch zu erlangen, einen Teil jenen Wähler zurückzuholen, die in den vergangenen Jahrzehnten an die Freiheitlichen verloren wurden, scheint wahrscheinlicher zu sein. Allzu blaue Töne stehen jedoch diametral zu den Interessen des grünen Milieus.

Durchaus vorstellbar, dass der Gegenwind für Kern aus Eisenstadt und Wien stärker wird. Und auch die zerrüttete Wiener Basis zerrüttet bleibt und eine konsequente Linie der SPÖ zusätzlich erschweren wird, wenn Ludwig es nicht schafft, die zwei Lager zu einen. Selbst wenn Kern einen klaren Kurs einschlägt, wird er das alte Dilemma seiner Partei nicht vollständig lösen können. Zumindest nicht alleine.

Auch wenn Wien die traditionell stärkste Landesorganisation der Roten bleibt, hat Peter Kaiser an Stärke zugelegt. Er hat im Gegensatz zu Niessl auch die jüngste Wahl gewonnen, jene von Ludwig steht noch aus.

An Kerns Sessel sägt zwar niemand, da es keinen Herausforderer gibt. Er hat aber noch nicht alle Genossen überzeugt, dass er wirklich die Partei langfristig anführen möchte. Am Wahlabend hat Kaiser mehrfach dementiert, dass er nach Wien gehen werde. Es wird auch von mehreren Genossen bestätigt, dass er dahingehend keine Ambitionen hat. Aber was passiert, wenn plötzlich in der Bundespartei ein neuer Chef benötigt wird? Doskozil wurde bereits für den Fall der Fälle in Stellung gebracht. Am linken Flügel der SPÖ scheint derzeit Kaiser alleine auf weiter Flur.

Vom unauffälligen Landespolitiker hat sich Kaiser zu einem starken Landeshauptmann entwickelt und dabei einen moderaten Weg eingeschlagen. Auch in der heiklen Migrationsfrage entschied er sich früh für Pragmatismus. Er plädierte dafür, die EU-Außengrenzen zu schützen und "Migrationsströme zu reduzieren". Auch hält sich Kaiser nun eine Koalition mit der FPÖ offen. Kaiser sagt solche Sätze aber gelassener, sachlicher, als andere Genossen, weshalb sie außerhalb Kärntens fast untergehen und innerparteilich auch nicht für Streit sorgen. Wie langweilig.

Um diesen externen Inhalt zu verwenden, musst du Tracking Cookies erlauben.