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Sind Sie Feminist?

Von Martina Madner

Politik

Ist Feminismus Frauensache? Nein - fünf Spitzenpolitiker machen das Thema mehr und auch weniger zum ihrigen.


Wien. Männer als Feministen - tut das der Sache gut, weil Frauen Verbündete brauchen, um Gleichberechtigung nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis umzusetzen? Oder eignet sich man(n) hier ein Thema an, das Frauen besser selbst aufrollen sollten, weil sie aus Erfahrung sprechen, zum Beispiel darüber, wie sich Diskriminierung anfühlt, deshalb besser als Männer wissen, was konkret zu tun ist?

Die "Wiener Zeitung" wollte von den fünf Männern an der Spitze der Regierungs- und Oppositionsparteien wissen: Sind Sie Feminist? Inwiefern, beziehungsweise warum nicht? Und es stellte sich heraus, dass man dem Feminismus durchaus zugeneigt ist - wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht sich selbst als "Teil einer Generation, in der die Rahmenbedingungen für Frauen Gott sei Dank schon so viel besser sind als früher": "Das hat viel Mühe, Einsatz und Engagement in den letzten Jahrzehnten bedeutet - und wir müssen den Weg konsequent weitergehen." Ein konkretes Ja oder Nein zur Frage, ob er Feminist ist, gibt es vom Kanzler zwar nicht, aber: "Ich werde mich gerne und entschlossen für weitere wichtige Schritte in der Frauenpolitik einsetzen." Er möchte in der Bundesregierung mit positivem Beispiel vorangehen, zum Beispiel "starke Ministerinnen im Team haben".

Ganz so einfach lässt sich die Frage auch für Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) nicht beantworten. Er sagt: "Wenn Feminismus bedeutet, für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einzutreten, dann bin ich Feminist. Wenn Feminismus hingegen bedeutet, die biologischen Unterschiede von Mann und Frau zu leugnen und künstlich hundert verschiedene Geschlechter postulieren zu wollen, bin ich kein Feminist."

In der Sache aber gibt er ein Bekenntnis ab: "Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist für mich eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheitsgeschichte."

Auch für den Vizekanzler ist noch nicht alles in Butter: "Es gibt hier noch viel zu tun." Zu gleichen Rechten und Pflichten, Chancengleichheit, gibt es vom Vizekanzler ein Ja; zu Gleichmacherei aber ein Nein. Er betont die "Verschiedenheit" beider Geschlechter, wie im Regierungsprogramm.

Das kommt bei vielen Feministinnen nicht gut an: Sie wollen sich nicht mit einem Danke abspeisen lassen, sondern weiteres Engagement. Außerdem schwingt hier ein Festnageln von Frauen auf aktuellen Positionen mit - und die sind nur zum geringen Teil an den Hebeln der Macht oder in gut entlohnten, leitenden Ebenen.

Tatsächlich tritt das Engagement für Gleichberechtigung laut Maria Perneggers vor kurzem präsentierter Studie bei der FPÖ, aber auch der ÖVP, vor allem dann zu Tage, wenn "letztlich andere Motive wie Sicherheit, Anti-Terror-Prävention, Wertedebatte oder Integrationsmaßnahmen im Vordergrund stehen". So wie in der Debatte rund um das Verhüllungsverbot wird Feminismus oder der Mangel desselben oft als das Problem anderer begriffen - solchen, die außerhalb der eigenen Gruppe gesehen werden.

Als Sozialdemokrat tut sich Klubobmann Christian Kern da leichter: "Das ist unser Thema, die Gleichberechtigung der Menschen unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung." Kern sieht sich auch selbst als Feminist, "da gibt es gar keinen Zweifel daran".

Er gibt aber zu, dass Feminismus lange Zeit nicht das Hauptthema in der Linken war, "wenn, dann vielleicht theoretisch, aber mit Sicherheit nicht in der gelebten Praxis". Das Denken vom Nebenwiderspruch Frauendiskriminierung, der hinter Hauptwidersprüchen wie Arbeit gegen Kapital verschwindet, sei aber seit Jahrzehnten passé: "Was uns treibt, ist der Wille zur Emanzipation und die Unzufriedenheit von Frauen und Männern mit ihrer Situation. Da gibt es viel zu tun", sagt Kern. Er verortet feministisches Tun in vielen Themen, Pflege, Bildung, Arbeit zum Beispiel.

Mit Töchtern verändere sich außerdem der Blickwinkel: "Du erfährst die Diskriminierung ganz anders, sie wird von einem Abstraktum zum konkreten Fall." Er betont einmal mehr, dass ihn seine Tochter nach seiner Zeit in der Politik einmal nicht fragen müssen soll, warum sie nicht die gleichen Chancen wie ihre Brüder erhalten habe.

Neos-Klubobmann Matthias Strolz reagiert auf die Frage, ob er Feminist sei, launig: "Das ist gar nicht anders möglich: Ich habe eine Frau, drei Töchter und eine weibliche Katze." Legt dann aber ernsthaft nach: "Ich halte es für völlig inakzeptabel, dass wir eine Gehaltsschere haben und dass Frauen nicht dieselben Chancen haben wie Männer."

Das feministische Tun sei bei den Neos "Dauerthema". "Bei unbezahlter Arbeit sollte man Männer viel stärker in die Pflicht nehmen", sagt Strolz und denkt sogar an einen für die Neos ungewohnten staatlichen Eingriff, eine "rabiate Maßnahme, die aber ein klares Signal" wäre, und zwar eigene Karenzansprüche für Mütter und Väter, die verfallen, wenn man sie nicht in Anspruch nimmt. Bei der Quote siegt dann doch der Freiheitsgedanke: Die Neos lehnten diese in Aufsichtsräten ab. Anders in der Partei, da droht Strolz mit einer Quote, wenn die Neos zehn Jahre nach der Gründung, also 2022, keinen 40-prozentigen Frauenanteil erreicht haben.

Für Peter Kolba, Klubobmann der Liste Pilz, wäre die Bezeichnung "Feminist" eine "Auszeichnung. Sie mir selber zu verleihen, wäre genant." Er tut sich auch schwer damit, weil er letztlich zur dominanten Gruppe gehöre, mit Feministinnen aber in den 70er und 80er Jahren zusammengearbeitet und sie als Kämpferinnen kennengelernt habe - im Unterschied zu heute, wo Kolba "Ansätze von Wehleidigkeit feststellt". In der Praxis "revoltiert" Kolba gegen das Verwenden von männlichen Formen, insbesondere über Männerdomänen poste er mit dem Binnen-I. Schwerer tut er sich mit einer feministischen Position zur Causa Pilz: "Sexuelle Belästigung geht gar nicht, Vorverurteilung aber auch nicht. In der Gesellschaft gibt es viele Probleme, die miteinander kollidieren können."

Also alles Feministen? Letztlich entscheidet sich diese Frage genau daran, wie solche Kollisionen aufgelöst werden und dem Bekenntnis auch Taten folgen.