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Überwachung auf Werkvertragsbasis

Von Werner Reisinger

Politik
Dolmetscher für polizeiliche Abhöreinsätze sollen vorschriftswidrig eingesetzt werden.
© gettyimages/Westend

Beschäftigt das Innenministerium bei der Telefonüberwachung nicht beeidete Scheinselbstständige ohne Ausbildung?


Wien. Es ist ein wichtiges Ziel der Regierung: mehr Sicherheit durch mehr Überwachung. Mit den gravierenden Ausweitungen der polizeilichen Überwachungsmöglichkeiten soll es deshalb schnell gehen. Noch im ersten Halbjahr 2018 soll das Sicherheitspaket den Nationalrat passieren. Jenes Sicherheitspaket, das von der ÖVP während der letzten großen Koalition aufgrund des SPÖ-Widerstandes gescheitert war, und das der heutige FPÖ-Innenminister damals mit "DDR-Methoden" verglichen hatte.

Neben der Überwachung von Messengerdiensten sollen auch optische und akustische Überwachungsmöglichkeiten ausgebaut werden – und zwar auf alle Einrichtungen, denen ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt, wie Bahnhöfe, Flughäfen oder öffentliche Verkehrsbetriebe. Dafür wird die Polizei auch immer mehr Dolmetscher benötigen. Doch bei den für das Innenministerium tätigen Dolmetschern liegt möglicherweise schon jetzt einiges im Argen. Vor dem Wiener Arbeits-und Sozialgericht wird aktuell der Fall einer aus Ex-Jugoslawien stammenden Frau verhandelt, die das Ministerium wegen möglicher Scheinselbstständigkeit klagt. Sie übersetzte für die Polizei abgehörte Telefonate, vor allem im Suchtgiftmilieu, wie das "profil" berichtete. Dabei hat die Betroffene weder ein einschlägiges Studium absolviert, noch ist sie gerichtlich beeidet. Und sie dürfte nicht die Einzige sein.

Ob das Beschäftigungsverhältnis der Frau rechtlich in Ordnung ist, oder ob es sich um eine unzulässige Scheinselbständigkeit handelt, wird das Urteil zeigen. Für die Übersetzerin stand ein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung. "Die Dolmetscher arbeiteten teilweise weit über 40 Stunden in der Woche, abgerechnet wurde mit Honorarnoten", sagt Oliver Stauber, Chef der gewerkschaftlichen Initiative vidaflex, die sich vor allem um Einpersonenunternehmen und (Schein-)Selbstständige kümmert. Sie hat sich um die Causa der Betroffenen angenommen.

Stauber bestätigt der "Wiener Zeitung", dass es sich bei der Betroffenen keinesfalls um einen Einzelfall handelt. Das Vorgehen des Innenministeriums hält er in mehrerlei Hinsicht für hochproblematisch. Zwar unterschreiben die Dolmetscher eine Verschwiegenheitsklausel, es sei aber mehr als fraglich, ob diese mit dem Eid zu vergleichen sei, den ein gerichtlich beeideter Dolmetscher leisten muss. Auch müsste das Innenministerium als Behörde die Übersetzer belehren und beeiden, "und zwar schriftlich" – was ebenfalls nicht geschehe.

Gegen eigene Dienstanweisung?

"Für die hochsensible Telefonüberwachung, die ja auch einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstellt, dürften aber nur gerichtlich beeidete Dolmetscher herangezogen werden", sagt Stauber. Dafür gebe es eine Dienstanweisung mit einer entsprechenden Liste von Personen, die für die Übersetzertätigkeit herangezogen werden dürfen. "Die Betroffene hat nicht einmal einen Schulabschluss." Wenn selbstständige Dolmetscher herangezogen werden, dann müssen diese aber laut Gesetz in ihren Qualifikationen den der gerichtlich beeideten Dolmetscher oder Sachverständigen entsprechen.

Aus sicherheitstechnischer Sicht wiegt für ihn schwer, dass die Dolmetscher nicht nur nicht auf ihre Kompetenz, sondern auch nicht auf ihre Integrität hin überprüft würden. "Ebenso problematisch ist aber, dass es sich möglicherweise um Scheinselbstständigkeit handelt, und das in einem Bundesministerium". Das ist nicht nur ein großer Nachteil für die Betroffenen, sondern auch für den Staat, der dadurch um Sozialversicherungsbeiträge gebracht wird. In der Privatwirtschaft gibt es Überprüfungsmechanismen gegen Scheinselbstständigkeit, die mit harten Strafen sanktioniert wird. "Niemand aber überprüft den Bund", sagt Stauber. Deshalb seien, wie im vorliegenden Fall, auch massive Überschreitungen der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften möglich.

Obendrein ist die offenbar gängige Praxis für das Ministerium möglicherweise auch noch teurer, als wenn die Dolmetscher angestellt wären.

SPÖ stellt Anfrage an Kickl

Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage an FPÖ-Innenminister Herbert Kickl hervor, die SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim am Mittwoch einbrachte. Darin ist von "exorbitant hohen Kosten" die Rede, die den gesetzlich vorgeschrieben Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit widersprechen würde. Zudem werde der Stellenplan des Bundes "systematisch unterlaufen".

"Ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Verständnis vorausgesetzt, hätte so eine Situation niemals eintreten dürfen", sagt Jarolim. Er will nun vom Innenminister unter anderem wissen, wie viele nicht beeidete und nicht zertifizierte Dolmetscher zwischen 2013 und 2018 eingesetzt wurden. Jarolim verweist zudem auf den Justizbereich und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, in der entsprechende Sachverständige ebenfalls angestellt seien.