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Gedenken von unten

Von Heike Hausensteiner

Politik

Privatinitiativen formieren sich seit Jahren in den einst bedeutenden jüdischen "Siebengemeinden".


Eisenstadt. Es tut sich was im Burgenland - in Sachen Gedenkkultur. Eine Gedenkfeier für die jüdischen Opfer der Shoah fand am Montag erstmals in Kobersdorf beim neuen Mahnmal im seinerzeitigen jüdischen Viertel, vis-à-vis vom Schloss, statt. Es ist der Versuch, ein Stück der menschlichen Würde zurückzugeben. Anlässlich der Vertreibung der Juden, die bis vor 1938 in etwa gleich großer Anzahl mit Katholiken und Protestanten in dem Ort zusammenlebten, soll der 12. März künftig jedes Jahr als Gedenktag begangen werden. Das haben die Mitglieder des kleinen Gedenkvereins einstimmig beschlossen, der auch das im Vorjahr eröffnete Mahnmal für die vertriebenen jüdischen Dorfbewohner durchsetzte.

Den künstlerischen Entwurf dafür hatte noch der Maler Ernst Fuchs beigesteuert. Dieses Vermächtnis erklärt sich dadurch, dass die jüdischen Wurzeln des weltberühmten Künstlers in dem mittelburgenländischen Dorf liegen. Soweit bekannt, haben nachweislich 44 der mehr als 200 enteigneten (und nie entschädigten) und deportierten Juden überlebt. Aus Israel, den USA, Großbritannien und Frankreich melden sich heute einzelne Nachkommen emigrierter Überlebender. Nach der ursprünglich ablehnenden Haltung der Gemeindevertretung (unter SPÖ-Mehrheit) wurde laut dem Gedenkverein das Mahnmal ausschließlich durch Spenden, mit teilweiser Unterstützung von Bund und Land, vor allem aber durch eine Handvoll engagierter Gemeindebürger errichtet.

"Garten der Erinnerung"

Allein in der zweiten Hälfte 2017 wurden im Burgenland drei Gedenkstätten für ermordete und vertriebene Juden sowie Roma errichtet: im südburgenländischen Jabing, in Mattersburg und eben in Kobersdorf. Der Ort gehörte neben Kittsee, Frauenkirchen, Eisenstadt, Mattersburg, Lackenbach und Deutschkreutz zu den "Sheva Kehillot", den bedeutenden "Siebengemeinden" im heutigen Nord- und Mittelburgenland, in denen der dort herrschende Fürst Esterházy den seit Jahrhunderten ansässigen Juden - freilich aus eigennützigen wirtschaftlichen Gründen - einen Schutzvertrag gewährte. Deutlich weniger Juden lebten im Südburgenland (Schlaining, Rechnitz, Güssing), unter dem Schutzbrief der Adelsfamilie Batthyány.

In den einstigen "Siebengemeinden" keimt erst in den vergangenen Jahren langsam eine ernst zu nehmende Gedenkkultur auf: Zuerst wurde 2013 in Deutschkreutz, ausgerechnet unter einem ehemaligen FPÖ-Bürgermeister, ein Denkmal eröffnet; es folgten 2016 Frauenkirchen, die Heimatgemeinde des Landeshauptmanns Hans Niessl (SPÖ), und im Vorjahr zunächst Kobersdorf, dann Mattersburg. Auch in Frauenkirchen fand am Montag eine Gedenkfeier statt; ebenfalls ein privater Verein errichtete dort die Gedenkstätte "Garten der Erinnerung".

Die Initiative zu diesen Projekten kam meist aus der Bevölkerung. Pauschal kann man aber nicht behaupten, die offizielle Politik würde womöglich aus Angst vor Widerstand in der Bevölkerung den von der Zivilgesellschaft angestoßenen Initiativen hinterherhinken. Etwa in Mattersburg ist die ebenfalls privat initiierte, von Bundespräsident Alexander Van der Bellen eröffnete Gedenkstätte wesentlich von der Gemeinde und Bürgermeisterin Ingrid Salamon, mittlerweile SPÖ-Klubchefin im burgenländischen Landtag, mitgetragen worden. "Es ist gut zu sehen, dass sich etwas bewegt - auch wenn es mancherorts 80 Jahre gedauert hat", betont gegenüber der "Wiener Zeitung" Gabi Tremmel-Yakali vom Gedenkverein Kobersdorf. "Die Initiative mag von Einzelnen kommen, aber mit Blick auf unsere Veranstaltungen, die Vorträge und Filmabende können wir sagen: In Kobersdorf wird das Gedenken von einer breiten Basis getragen."

Einzige erhaltene Synagoge

Das zeigten bis dato ebenso die regelmäßigen Lesungen in der Synagoge, die die einzige erhaltene im Burgenland ist. Das Gebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert und hat denn auch sichtbare Schäden etwa an der Fassade. Der Hintergrund ist: Vor etwa eineinhalb Jahrzehnten wurden zwar Dach und Gewölbe renoviert. Doch seither ist der zuständige Verein (mit Sitz in Wien) zur Renovierung und Erhaltung genau diesbezüglich untätig. Ein örtlicher Freundeskreis zur Erhaltung der Synagoge als kultur-historisches Erbe will dem Verfall nicht weiter zuschauen, sondern die weitere Revitalisierung in Gang bringen. Anträge an mehrere Behörden wurden eingebracht, dass die Renovierung endlich fortgesetzt werden möge. Abgeschlossen sind seit dem Vorjahr hingegen die Renovierungsarbeiten am jüdischen Friedhof von Kobersdorf, dem einzigen in seinem Urzustand erhaltenen im Burgenland.