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"Jeder Dienst spielt nur sein Ministerialspiel"

Von Daniel Bischof

Politik

Rivalitäten, Freunderlwirtschaft, mangelnde Koordination: Fachmann Siegfried Beer geht mit heimischen Diensten hart ins Gericht.


"Wiener Zeitung": Herr Beer, wie schätzen Sie die Causa BVT ein?

Siegfried Beer: Für mich bestätigt sich, dass wir unsere Sicherheitsstruktur verändern sollten. Wäre etwa jemand im Bundeskanzleramt zentral für den Fall zuständig gewesen, wäre die Sache mit der Razzia vielleicht anders gelöst worden. Derzeit läuft bei den Diensten alles nur über die einzelnen Ministerien. Und traditionell gibt es Probleme schon dienstintern und Rivalitäten zwischen den Ministerien.

Welche Auswirkungen hat das?

Es gibt keine Koordination nach oben. Jeder Dienst spielt nur sein Ministerialspiel. Dadurch wissen unsere höchsten Politiker wenig über diese Dienste. Das sieht man, wenn Christian Kern nun von Geheimdiensten redet (Anm.: In Österreich gibt es keine Geheim-, sondern nur Nachrichtendienste). Als Bundeskanzler hat Kern wahrscheinlich wenig mit diesen Diensten zu tun gehabt.

Wie lässt sich das verbessern?

Es muss eine Strukturreform geben, welche die SPÖ/ÖVP-Regierung nicht angepackt hat. Wichtig ist dabei eine ganz einheitliche Koordination der Dienste - etwa durch jemanden im Bundeskanzleramt. Die Diskussion darüber muss über das Innen- und Verteidigungsministerium hinausgehen. Es ist natürlich auch ein Feld, mit dem man sensibel umgehen und in das man Kontrollmechanismen einbauen muss. Wenn das gemacht wird, könnte es sogar eine positive Auswirkung dieser Schlappe geben.

Wie war denn der Ruf des BVT vor den jetzigen Vorkommnissen?

Das BVT hatte Probleme, vor allem mit den Amerikanern. Aber mit denen hat man bald Probleme. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass unsere Dienste generell für ihre Größe und ihr Budget nicht so schlecht dastanden. Sie sind international nicht schlecht vernetzt - die Neutralität und Vermittlungstätigkeit im Kalten Krieg waren dabei sicher hilfreich. Auch leben sie davon, dass sie über bestimmte Regionen wie den Balkan einen guten Überblick haben. Davon zehren die Dienste. Aber das wird alles nicht mehr genügen. Man muss sich im laufenden Geschäft auch bewähren.

Was wird sich durch die laufenden Ereignisse ändern?

Was nun passiert, ist tragisch. Wie die FPÖ das Verteidigungs- und das Innenministerium bekommen hat, hat es ja schon erste Reaktionen gegeben. In Europa wird es Dienste geben, die nun vorsichtiger in der Kooperation mit den Österreichern sein werden, hat es geheißen. Nun ist für alle frei erkennbar, dass hier einiges schiefläuft. Doch unsere Dienste hängen von der internationalen Zusammenarbeit ab. Ohne die geht es nicht.

Hat das BVT noch eine Zukunft?

Jahrelang hat das BVT relativ gut funktioniert. Auch wird man nicht von heute auf morgen eine neue Behörde aus dem Boden stampfen können.

Was muss dann getan werden?

Bisher wurde in unseren Diensten seit Jahrzehnten nicht nach Kompetenz, sondern nach Parteizugehörigkeit und mittels Freunderlwirtschaft rekrutiert. Das BMI war lange in Händen der ÖVP. Es sind also ÖVP-Leute zum Zug gekommen. Unter den roten Innenministern war es rot. Und jetzt wird es sich halt wieder umwandeln. Dadurch entstehen Situationen wie die jetzige, wo alles scheinbar zusammenbricht.

Neben einer Strukturreform braucht es daher auch qualifiziertes Personal. Es mangelt an Spezialisten, die - wie in anderen Ländern längst üblich - eine ordentliche Grundausbildung genossen haben.

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Zur Person

Siegfried Beer ist Historiker und Leiter des "Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies" (ACIPSS) der Karl-Franzens-Universität in Graz.