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"Der Herwig ist wieder da"

Von Jan Michael Marchart

Politik

Hofers Mitarbeiter Götschober ließ sich beurlauben. Obwohl die Ermittlungen noch laufen, ist er zurück im Ministerium.


Wien. Es ist eine hastig einberufene Pressekonferenz Ende Februar. Der Vorsitzende der Burschenschaft "Bruna Sudetia", Herwig Götschober, spricht in abgehackten Sätzen und greift häufig auf seinen Zettel zurück, um sie zu beenden. Nach dem folgenreichen Skandal um antisemitische Liederzeilen der Burschenschaft "Germania zu Wiener Neustadt" ist wieder ein NS-Liederbuch aufgetaucht, das laut der Stadtzeitung "Falter" im Besitz von Götschobers Verbindung gewesen sein soll. Wenige Stunden zuvor hatten Einsatzkräfte der Wiener Staatsanwaltschaft die Bude der "Bruna Sudetia" untersucht und mehrere Kisten mit unbekanntem Material beschlagnahmt. Was mitgenommen wurde, wisse er nicht, sagt Götschober sichtlich aufgeregt. Er werde aber die Verantwortung dafür tragen.

Brisant ist die Causa deswegen, weil der Burschenschafter Götschober als Pressereferent und Social-Media-Beauftragter im Büro von Infrastrukturminister Norbert Hofer arbeitet, der sich in der Causa vehement vor seinen Schützling stellt. Götschober selbst lässt sich aber noch am Abend nach der Hausdurchsuchung von seiner Tätigkeit als Pressereferent des Kabinetts Hofer beurlauben - bis die Vorwürfe "restlos aufgeklärt" sind.

Das ist drei Wochen her und so ernst dürften Götschober und Hofers Ressort das dann doch nicht gemeint haben. Denn der Burschenschafter hat seine Arbeit als Pressereferent inzwischen wieder aufgenommen, obwohl das Verfahren laut Staatsanwaltschaft noch anhängig und keinesfalls "restlos aufgeklärt" ist.

"Herr Götschober ist gerade in einem Termin"

Götschober ist in der vergangenen als auch in dieser Woche im Infrastrukturministerium gesehen worden. Das bestätigen mehrere Mitarbeiter aus Hofers Ministerium unabhängig voneinander. Er hätte Götschober unlängst in den Gängen bemerkt, erzählt ein hochrangiger Beamter. Ein anderer reagiert mit der lapidaren Aussage: "Ja, der Herwig ist wieder da." Wie lange Götschober seit der Causa NS-Liederbuch wieder im Kabinett Hofer tätig ist, können sie aber nicht beantworten.

Ein Anruf in Götschobers Abteilung. Auch die Assistentin im Pressebüro bestätigt Götschobers Anwesenheit im Ministerium. "Der Herr Götschober ist jetzt momentan gerade in einem Termin", so die Assistenz. "Kann ich ihm etwas ausrichten?" Mit welcher Begründung sitzt Götschober wieder an seinem Arbeitsplatz? Er werde sich melden, heißt es dann.

Aber Götschober meldet sich nicht und reagiert nicht auf Anrufe. Auch die Presseassistenz und der Sprecher Hofers, Volker Höferl, schweigen sich bei der weiteren Recherche darüber aus, warum Götschober trotz laufender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wieder Termine für Hofers Ministerium abspult.

Seit wann arbeitet Götschober wieder? Wurde er wirklich beurlaubt oder hat er sich selbst Urlaub genommen? Arbeitet er eingeschränkt oder so, als wäre nichts gewesen? Gilt er im Verfahren als Beschuldigter oder nicht? Abgesehen davon, dass es sich die FPÖ nicht nehmen lassen würde, es öffentlich kundzutun, wenn Götschober in der Affäre entlastet wäre, die Fragen der "Wiener Zeitung" bleiben unbeantwortet.

Staatsanwaltschaft ermittelt noch

Weil das Verfahren der Staatsanwaltschaft noch anhängig ist, lässt sich über die Behörde nicht eruieren, ob Götschober als Beschuldigter geführt wird. Ebenso gibt sie beim derzeitigen Stand der Ermittlungen keine Auskunft darüber, wie viele Bücher in der Burschenschaft eingesammelt wurden und ob darunter welche sind, die jenem Exemplar ähneln, aus dem der "Falter" zitiert hat.

Die Burschenschaft selbst distanzierte sich stets von den antisemitischen Liedern. Ihr Buch sei weder optisch noch inhaltlich jenem Exemplar ähnlich, das dem "Falter" vorliegt. Stattdessen prüften sie rechtliche Schritte wegen "diffamierender Berichterstattung" gegen das Wiener Wochenblatt und Götschober kündigte eine interne Aufarbeitung der Vorkommnisse an. Auch aus Hofers Ministerium hieß es, dass Götschober nicht wisse, um welches Buch es sich dabei handelt. Der Vorsitzende der "Bruna Sudetia" besitze eines, das mit dem umstrittenen Liederbuch "nicht zu vergleichen ist". Die Lieder seien darin auch nicht enthalten. Norbert Hofer sagte dem Ö1-Radio: "Ich dränge auf Aufklärung und möchte wissen: Wo kommt dieses Buch her?"

Vergleicht man die Schriftbilder der beiden Liederbücher dieser Causa, so könnte es sein, dass es sich bei dem Exemplar mit den antisemitischen Textzeilen um eine neue Version handelt. In dem vom "Falter" zitierten Liederbuch befindet sich, wie schon im Liederbuch der Verbindung "Germania" des ehemaligen niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer, die Liedzeile "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million‘." Eine Verhöhnung des Judenmords in der NS-Zeit. Unter dem Kapitel "Heiteres" finden sich in dem besagten Liederbuch weitere antisemitische Textstellen. Etwa aus dem Lied: "Freut euch des Lebens": "Zwei Juden badeten einst im Fluß, weil jeder Mensch einmal baden muß. Der eine, der ist ersoffen, vom anderen wollen wir’s hoffen." Oder auch: "Zwei Juden schwammen einst im Nil, den einen fraß ein Krokodil, den anderen hat es nur angeglotzt, da hätt’ es den ersten fast ausgekotzt."

Auch findet sich ein Lied in dem Buch, in welchem geklagt wird, "noch ist Deutschland dreigeteilt"; "Es lebe hoch Deutsch-Österreich, mit ihm das ganze Deutsche Reich."

Götschober ist nicht nur Obmann der "Bruna Sudetia" und ein Kabinettsmitarbeiter Hofers, sondern auch FPÖ-Bezirksrat in Wien-Leopoldstadt und Schriftführer jenes Vereins, der den freiheitlichen Akademikerball organisiert. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) stuft ihn als Verbindungsmann zur außerparlamentarischen Rechten ein.