Zum Hauptinhalt springen

"Optimal und rechtskonform"

Von Werner Reisinger

Politik

Innenminister Herbert Kickl stellte sich im Parlament einer Dringlichen Anfrage der SPÖ.


Wien. An offenen Fragen mangelt es nun wirklich nicht. Wieso kam bei der Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz- und Terrorismusbekämpfung (BVT) am 28. Februar mit der EGS eine Polizeieinheit zum Zug, die normalerweise Drogendealer auf den Straßen Wiens jagt? Wieso wurden, wie sich erst Tage nach der Aktion herausstellte, auch zahlreiche Datenträger der Referatsleiterin des Bereichs Extremismus beschlagnahmt - obwohl gegen sie nicht einmal ermittelt wird? Wieso wurde die umstrittene Amtshandlung mit "Gefahr in Verzug" argumentiert, obwohl BVT-Chef Peter Gridling, der seit vergangener Woche vorläufig vom Dienst suspendiert ist, laut Medienberichten schon seit Anfang Februar von den Ermittlungen gegen das BVT wusste? Wurde die Staatsanwaltschaft und damit die Justiz vom Innenministerium instrumentalisiert?

Je mehr Zeit vergeht, je mehr Meidenberichte erscheinen und je öfter sich Minister und andere Involvierte zur laufenden Affäre zu Wort melden, desto komplexer wird diese. Kaum jemand rechnet nicht mit der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses.

Am Montag versuchte die SPÖ in einer gemeinsam mit der Liste Pilz und den Neos einberufenen Sondersitzung im Nationalrat von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl Antworten auf eine insgesamt 40 Fragen umfassende Dringliche Anfrage zu bekommen. So wollten die Sozialdemokraten wissen, wie Peter Goldgruber, Generalsekretär im Innenministerium, seine Anordnung, für die Hausdurchsuchung die EGS heranzuziehen, begründet habe. Das Verfahren gegen die BVT-Mitarbeiter sei "bereits anhängig" gewesen, "ich wurde von Goldgruber informiert", sagte Kickl in seiner Anfragebeantwortung.

Als Grund, wieso ausgerechnet die EGS die Staatsanwaltschaft bei den Durchsuchungen in BVT und den Privatwohnungen der Beschuldigten BVT-Beamten unterstützt hat, gab Kickl einmal mehr das Problem möglicher Befangenheit anderer Einheiten an. Die EGS weise größtmögliche "Unbefangenheit" auf.

Größtmögliche Unbefangenheit? Gerade was den Leiter der EGS betrifft, sehen viele Medien und Beobachter das ganz anders. Wolfgang Preiszler ist nicht nur FPÖ-Gemeindepolitiker im niederösterreichischen Guntramsdorf, sondern hatte auch in der Vergangenheit bereits mit Peter Goldgruber, nun eben Generalsekretär und Kickls rechte Hand im Innenministerium, zusammengearbeitet. Im Zusammenhang mit den Beschlagnahmungen im Extremismus-Referat gewinnt nun auch Preiszlers Privatleben an Bedeutung. Auf Facebook teilte der Polizist und FPÖ-Mann nämlich in der Vergangenheit rassistische Karikaturen ebenso wie Falschmeldungen einschlägiger rechtsextremer Portale, wie die APA am Montag berichtete. Auch Postings von bekannten Köpfen der Staatsverweigerer-Szene teilte Preiszler. Seine privaten Umtriebe auf Facebook werden nun von der Personalabteilung der Polizei dienstrechtlich untersucht.

Für Preiszler ein "normaler Vorgang", wie er am Montag sagte, doch das Beamtendienstrecht könnte ihm zum Verhängnis werden. Denn die Dienstvorschrift der Polizei schreibt vor, dass ein Polizist dafür zu sorgen hat, dass das Vertrauen in die polizeiliche und dienstliche Arbeit eines Beamten nicht gefährdet werden darf. Abgesehen davon gibt eine weitere Tatsache Stoff für Spekulationen: Just am Tag vor der umstrittenen Hausdurchsuchung plante Preiszler, eine Pressekonferenz anlässlich "15 Jahre EGS" zu geben - und zwar im Beisein von Innenminister Kickl. Am Abend vor der Pressekonferenz wurde diese dann "aus terminlichen Gründen" abgesagt. Dass Herbert Kickl viel von Wolfgang Preiszler hält, zeigt auch ein Facebook-Eintrag des Innenministers vom 10. Februar. Er habe sich von den hervorragenden Leistungen der EGS-Beamten persönlich überzeugen können, ja sogar via Telefon einem Einsatz der Einheit inklusive Festnahme beiwohnen dürfen, schrieb Kickl über ein Foto von ihm und dem EGS-Chef.

Zurück zum Anlass der Hausdurchsuchungen beim Verfassungsschutz. Vergangene Woche betonten ÖVP-Justizminister Josef Moser und sein Generalsekretär, Christian Pilnacek, dass es vor allem die Aussagen von vier anonymen Zeugen gewesen seien, die den raschen Entschluss der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) notwendig gemacht hätten. Einer dieser Zeugen habe nämlich die Möglichkeit einer Beweisvernichtung durch Fernlöschung von Daten in den Raum gestellt. Schließlich gehe es bei den Vorwürfen an die hohen BVT-Beamten ja um mögliche unterlassene Löschung von Daten auf BVT-Servern, die den Wiener Anwalt Peter Launsky und die ehemalige ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer betreffen, sowie um die Affäre um die nordkoreanischen Passmuster. Pilnacek spricht inzwischen von "Alternativen" zur Vorgangsweise, die man seitens der Justiz in Erwägung gezogen hätte, wenn man rechtzeitig informiert worden wäre.

Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass die Zeugen sich bei ihrer Aussage bei der WKStA von Beamten des Innenministeriums (BMI) begleiten haben lassen - für die SPÖ ein Grund, Kickl damit zu konfrontieren. Die Zeugen hätten "kurz vor der Einvernahme" um die Begleitung durch BMI-Beamte "ausdrücklich" ersucht, sagte Kickl am Montag. Er, der Innenminister, habe davon nichts gewusst.

Der Innenminister nützte die Anfragebeantwortung zum Gegenangriff. "Optimal und rechtskonform" sei die Aktion gelaufen, der SPÖ warf er "beschämende Verunglimpfung eines rechtsstaatlichen Vorgangs" vor. Die Polizei führe aus, die Staatsanwaltschaft ermittle: "Die ist die Herrin des Verfahrens."

Der suspendierte BVT-Chef Peter Gridling hat bereits Beschwerde gegen seine Suspendierung angemeldet. Ein BVT-Untersuchungsausschuss könnte übrigens zeitgleich mit einem ebensolchen zum Thema Eurofighter über die Bühne gehen. Die SPÖ will am Dienstag entscheiden - am Montagabend tagt noch der National Sicherheitsrat zusammen. Hinter verschlossen Türen, passend zur Affäre.