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"Nicht in die Stillosigkeit abgleiten"

Von Werner Reisinger

Politik
© Foto: Christoph Liebentritt

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder im Interview über die Affäre BVT und die Figur, die die SPÖ in der Opposition macht.


Wien. War es Schlampigkeit oder fehlende Erfahrung? Oder wurde von den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ tatsächlich ein parlamentarisches Foul an der SPÖ verübt? Nach der Ablehnung des U-Ausschuss-Antrags zur Causa Verfassungsschutz durch die Koalition von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache haben die Sozialdemokraten jedenfalls noch bis Mitte April Zeit, zu überlegen, ob sie tatsächlich den Weg zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschreiten. Die "Wiener Zeitung" hat SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder getroffen und mit ihm über die Causa BVT und die SPÖ in der Opposition gesprochen.

"Wiener Zeitung": Herr Klubobmann, dass es um die Gesprächsbasis der langjährigen Koalitionsparteien ÖVP und SPÖ nicht zum Besten steht, ist spätestens seit dem letzten Nationalratswahlkampf bekannt. Hat sich die SPÖ zu spät mit den geänderten Rahmenbedingungen auseinandergesetzt?Andreas Schieder: Eines vorweg: In den vergangenen Regierungskoalitionen hätte man sich, als Mehrheitsfraktion, so ein Vorgehen nicht getraut. Hier setzt man sich bewusst über demokratische Standards hinweg, ein klarer Bruch der Usancen. Es geht offenbar darum, zu vertuschen, und wenn man den U-Ausschuss schon nicht verhindern kann, will man ihn wenigstens verzögern. Zeitgewinn ist für die Regierung wohl ein wesentlicher Faktor.

Sie unterstellen den Regierungsparteien, diese würden mit der Ablehnung Ihres Antrags einen neuen erzwingen wollen, der dann einen deutlich eingeschränkten Untersuchungsgegenstand beinhaltet?

Man will wohl verhindern, dass jene Akten in den Ausschuss kommen, die die zentralen Informationen enthalten. Wir können ja nicht überprüfen, ob da jetzt Akten auch möglicherweise verschwinden. Es stehen große Vorwürfe im Raum: Der ÖVP-Klub soll über Akten verfügt haben, die eigentlich BVT-Akten sind. Das wird zwar dementiert, aber Mitarbeiter des ÖVP-Klubs waren bei den Ermittlungen zu den BVT-Beamten als Zeugen geladen. Das ist die Spitze des Eisbergs, die uns sagt: Wir müssen tiefer schauen. Die ÖVP will verhindern, dass wir das ganze Bild sehen.

Experten geben Ihnen vor dem VfGH eher weniger Chancen. War das wirklich eine gute Idee?

Wir sind in einer Evaluierungsphase. Was wir jetzt machen, ist, alles mit Verfassungsjuristen noch einmal durchzugehen. Aber die Gespräche laufen positiv: Wenn man den Experten frühere U-Ausschuss Anträge vorlegt, wird klar, dass wir grundsätzlich im Recht sind. Da geht es nicht um einzelne Formulierungen, wir wollen einen Missstand untersuchen. Dabei ist klar, dass dieser Missstand der Öffentlichkeit noch nicht zu 100 Prozent bekannt ist.

Wieso nicht gleich zusammen mit Liste Pilz und Neos?

Wir haben mit den anderen Parteien Gespräche geführt und tun das auch weiterhin. Es gab unterschiedliche Auffassungen, manche wollten den Zeitraum sogar noch ausweiten, was das noch unbestimmter gemacht hätte. Wir haben uns dann bewusst dafür entschieden. Die Gesprächsbasis war offen und wird es auch bleiben.

Welchen Sinn hat ein U-Ausschuss, wenn viele Zeugen in Gerichtsverfahren stecken und deshalb nicht aussagen müssen?

Es geht nicht um die strafrechtliche Aufklärung. Es geht um die politische Verantwortung. Was bei den Gerichten ist, soll bei den Gerichten bleiben. Die Akten sind ohnehin viel wichtiger als Zeugenaussagen: Es darf ja nichts mehr geschwärzt werden. Außerdem gibt es für alle Fragen, die gewissen Geheimhaltungsstufen unterliegen, die Möglichkeit, die Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen. Der Nationalrat hat das Recht, die Wahrheit zu erfahren. Wir werden dafür sorgen.

Das BVT ist gleichzeitig Ermittlungsbehörde und Nachrichtendienst. Hat der Innenminister völlig unrecht, wenn er über eine Reform des Verfassungsschutzes nachdenken will?

Es gibt international beide Modelle, also reiner Nachrichtendienst oder zusätzlich auch Ermittlungskompetenzen. Beide haben Vor- und Nachteile.

Vielleicht ist das Ergebnis des U-Ausschusses auch, dass man die Behördenstruktur besser machen könnte. Diese Regierung aber zeigt immer das selbe Schema: Bei Behörden, die nicht zu 200 Prozent das machen, was gewünscht ist, wird zuerst eine Effizienzdiskussion losgetreten, und am Schluss wird die gesamte Führungsebene ausradiert, neue Leute werden hingesetzt. Das zeigt sich beim BVT und nun auch beim AMS.

Bruch der Usancen hin oder her: Die Regierung nutzt doch nur, was sie rechtlich darf. Die SPÖ hingegen scheint als Oppositionspartei nicht richtig in den Tritt zu kommen. Wo ist Ihre Antwort?

Erstens: Hochmut kommt vor dem Fall, das muss man dem Herrn Kurz ausrichten. Wenn er sagt: "Die Grenze ist das Strafrecht", dann sollte er höllisch aufpassen, dass in dieser Regierung nicht auch diese Grenze von jemandem überschritten wird. Zweitens: Eine scharfe Opposition zu sein, die die Finger in die Wunden legt, anprangert und sich hörbar wehrt, ist notwendig, man muss deshalb aber nicht in die Stillosigkeit abgleiten. Es ist gerade jetzt wichtig, als Opposition politische Standards aufrechtzuhalten. Das heißt: offenlegen, diskutieren, sachlich argumentieren. Und das bessere Konzept für unsere Gesellschaft entwickeln.