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Friss oder stirb

Von Werner Reisinger

Politik

Finden SPÖ und ÖVP in Kärnten nach dem Rücktritt von Christian Benger doch noch zusammen?


Klagenfurt. Donnerstagnachmittag im Büro des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser. Antrittsbesuch des neuen ÖVP-Landeschefs Martin Gruber. Noch nicht einmal 24 Stunden steht Gruber an der Spitze der Kärntner ÖVP und muss sich schon einer recht komplexen Situation stellen. Denn nach dem Rücktritt von Christian Benger, der für die ÖVP die Koalitionsverhandlungen mit Peter Kaisers SPÖ führte, ist Grubers Partei in einer Zwangslage. Entweder die ÖVP akzeptiert die Bedingungen der SPÖ, oder die Landeshauptmann-Partei wird erneut das Gespräch mit der FPÖ Gernot Darmanns und dem Team Kärnten von Gerhard Köfer suchen. "Das ist eine conditio sine qua non", stellte Kaiser am Donnerstag klar, dass es hier keine Verhandlungsbereitschaft geben werde.

Wenn die ÖVP mit Kaisers SPÖ in Koalition treten will, muss sie drei Bedingungen erfüllen: Der bereits fertig ausverhandelte Koalitionspakt bleibt aufrecht und wird nicht wieder aufgeschnürt, die ÖVP stellt sich hinter das "Kärnten-Paket" für wichtige Investitionen, das Kaiser mit dem Bund realiseren will, und das Einstimmigkeitsprinzip bei Regierungsentscheidungen wird per Verfassungsänderung für die bevorstehende Legislaturperiode "bis auf weiteres" ausgesetzt.

"Wir spielen mit offenen Karten"

Den ersten beiden Punkten habe die ÖVP vollinhaltlich zugestimmt, sagte Kaiser nach dem Antrittsbesuch. Beim Thema Einstimmigkeitsprinzip dürfte der neue ÖVP-Chef, der übrigens in Begleitung des alten erschien, versucht haben, eine Befristung herauszuholen. Doch gerade da wollen die Genossen hart bleiben. "Da weichen wir keinen Millimeter mehr ab", sagt Daniel Fellner, SPÖ-Landesgeschäftsführer.

"Die Art und Weise, wie der alte ÖVP-Chef aus dem Amt geschieden ist, hat zu einem massiven Vertrauensverlust geführt." Nachdem es zahlreiche Hinweise gebe, wonach die ÖVP-Bundespartei kräftig am Stuhl von Christian Benger gesägt habe, bestehe die Gefahr, "dass man in Wien versucht, ein ähnliches Spiel zu spielen wie im Bund." Sprich: Ein von Sebastian Kurz "etwas ferngesteuerter ÖVP-Kärnten-Chef" könnte versuchen, den Wahlsieger Peter Kaiser und die Landesregierung zu beschädigen.

"Wir sind gezwungen, der ÖVP das Messer aus der Hand zu nehmen", wie es Fellner ausdrückt. "Wir spielen da auch mit offenen Karten. Das wollen wir verhindern, und deshalb bestehen wir auf dem vorläufigen Aus für das Einstimmigkeitsprinzip", sagt der SPÖ-Landesgeschäftsführer. Ob der neue ÖVP-Chef Martin Gruber dem zustimmen wird oder nicht, war zu Redaktionsschluss noch unklar.

Dass bei Christian Bengers Abgang von der ÖVP-Spitze wohl innerparteiliches Mobbing im Spiel war, wird indes immer deutlicher. Zwar hatte die SPÖ schon kurz nach dem Wahlsonntag am 3. März mit einem Wechsel an der Spitze der ÖVP gerechnet. Benger sei "schon lange angeschlagen", war damals aus SPÖ-Kreisen zu hören. Im Wahlkampf sei er von der eigenen Partei eher "versteckt" worden, diese habe verstärkt auf das Image der Bundes-ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz gesetzt. In der SPÖ ging man davon aus, dass sich Benger noch vor den Koalitionsverhandlungen zurückziehen werde.

Dass er dies eben nicht tat und stattdessen an der Spitze des ÖVP-Teams die Verhandlungen führte, minderte die Skepsis der SPÖ nicht, sagt Bundesgeschäftsführer Fellner. "Wir haben deshalb in jeder Verhandlungsrunde betont: Wer verhandelt, muss auch im Regierungsteam sitzen. Die ÖVP hat das immer bestätigt und jeden Zweifel ausgeräumt."

Und dann eben doch Bengers Rücktritt. Welche Rolle spielten die Bundespartei und Sebastian Kurz wirklich? Medienberichten zufolge soll es vergangene Woche in einem Wirtshaus ein Treffen von Bengers Gegnern gegeben haben, die Runde soll telefonischen Kontakt zu Sebastian Kurz gehabt haben. "Nächste Woche ist Benger Geschichte", so dessen kolportierte Aussage. Gleichzeitig sollen am vergangenen Wochenende auffällig viele negative Kommentare zu Benger in den sozialen Medien aufgetaucht sein.

Aufstand der Bürgermeister

Ablösegerüchte um Benger gab es aber schon im vergangenen Sommer, lang vor dem Wahlkampfauftakt. Wie die "Kleine Zeitung" online am Donnerstag berichtete, habe vor allem ein Kreis von Oberkärntner ÖVP-Funktionären und Bürgermeistern massiven Druck auf die Landesparteispitze ausgeübt. Die Bürgermeister sollen ultimativ einen Landesratssessel für den bisherigen Klubobmann Ferdinand Hueter gefordert haben, andernfalls werde man "beim Parteitag einen eigenen Weg" gehen, so die eindeutige Ansage.

Geschehe dies nicht, drohen die dissidenten Schwarzen mit eigenen Listen bei den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen 2021. "Alle Funktionäre haben bereits zu verstehen gegeben, dass sie andernfalls nicht mehr bereit sind, etwas für die Landes-ÖVP zu tun", ist in dem Brief wörtlich zu lesen. Hueter habe zudem diese Woche sein Bürgermeisteramt in Berg im Drautal zurückgelegt, da dieses mit dem Amt eines Landesrats unvereinbar wäre.