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Bleischweres Erbe

Von Wolfgang Liu Kuhn

Politik

Das Gedenken der Kroaten gilt als "größtes Faschistentreffen in Europa". Nun formiert sich Widerstand.


Bleiberg. Es kommt relativ selten vor, dass eine einzelne Veranstaltung in der Präambel eines Regierungsprogramms Erwähnung findet. Und doch sah sich Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zu Beginn seiner zweiten Amtszeit dazu veranlasst, auf das Gedenken der Kroaten auf dem Loibacher Feld einzugehen. Bezugnehmend auf die Gedenkfeier in Bleiburg/Pliberk erteilte die SPÖ-ÖVP Koalition "politischen Extremisten eine klare Absage".

Heuer soll die Feier am 12. Mai stattfinden, doch bereits jetzt scheint sich das allgemeine Unbehagen zu einem veritablen Sturm zu entwickeln. Schon im Vorjahr forderten 21 Organisationen ein Verbot des Gedenkens, da es "zum größten Neonazi-Treffen in Europa" geworden sei. Seit einigen Wochen formiert sich Protest, dessen Wortführer der Landeshauptmann persönlich ist. Der nahm noch einmal deutlich zu der Causa Stellung: "Es kann und darf nicht sein, dass dort Jahr für Jahr kroatische und andere Rechtsextreme und Faschisten ihre völlig inakzeptable, abstoßende und verbotene ideologische Einstellung mehr oder weniger offen zur Schau tragen."

Massen-Exekutionen

Scharfe Worte gegen eine Veranstaltung, die immerhin von der katholischen Kirche Kroatiens mit dem in Klagenfurt registrierten Verein "Bleiburger Ehrenzug" veranstaltet wird. Offizieller Anlass der Feier, an der immer wieder auch hochrangige kroatische Politiker teilnehmen, ist die Ermordung tausender kroatischer Ustascha-Soldaten nach der Kapitulation Nazideutschlands 1945. Es war eines der letzten Massaker des Zweiten Weltkrieges, das in Kroatien bis heute für emotionale Debatten sorgt. Die Soldaten des faschistischen Ustascha-Regimes flüchteten mit Zivilisten vor den jugoslawischen Partisanen nach Österreich, um sich den britischen Truppen zu ergeben. Diese schickten sie jedoch zurück, woraufhin es zu Massen-Exekutionen durch die Partisanen kam. Die meisten Massengräber befinden sich auf dem Gebiet des heutigen Sloweniens.

Die Debatte um Bleiburg spaltet seit Jahrzehnten die kroatische Gesellschaft, denn die Suche nach der historischen Wahrheit über die Ereignisse von 1945 ist für einige nicht abgeschlossen. Bei den Gedenkmessen auf dem Loibacher Feld werden immer wieder faschistische und nationalsozialistische Symbole gesichtet, Neonazis zeigen den Hitlergruß, rufen lauthals faschistische Parolen oder singen einschlägige Lieder.

Was auch Konsequenzen hat: Am kommenden Donnerstag steht etwa ein Kroate vor dem Klagenfurter Landesgericht, dem nationalsozialistische Wiederbetätigung vorgeworfen wird. Er soll 2017 die Hand zum Hitlergruß erhoben haben und in einem Interview gesagt haben, dass "wir 25 Jahre gebraucht haben, um einzusehen, dass Hitler ein kluger Mann war, der einfach Ordnung schaffen wollte".

EU-weites Verbotsgesetz

Der Mann ist kein Einzelfall. Rudolf Edlinger, früherer SPÖ-Finanzminister und heute Präsident des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes, nennt das Gedenken das "größte Faschistentreffen in Europa".

Mittlerweile gibt es eine breite, parteienübergreifende Front gegen das Treffen. Am Montag riefen EU-Abgeordnete von ÖVP, SPÖ und Neos dazu auf, faschistischen und rechtsextremen Provokationen im Rahmen der Veranstaltung ein Ende zu setzen. "Das Problem ist nicht das Gedenken selbst, sondern der Missbrauch des Gedenkens", sagte dazu Othmar Karas von der ÖVP. Er sprach sich dafür aus, ein EU-weites Verbots- und Wiederbetätigungsgesetz durchzusetzen. Faschistische Symbole wie beispielsweise die Ustascha-Uniformen und Abzeichen sind zwar in Kroatien verboten, in Österreich aber eben nicht.

Landeshauptmann Kaiser forderte eine Ausweitung des österreichischen Verbotsgesetzes auf Ustascha-Insignien. Und der Landeshauptmann rief auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) dazu auf, Druck auf die kroatische Staatsspitze auszuüben. Das Treffen sei eine kirchliche Veranstaltung, "weder der Bund noch das Land Kärnten haben hier eine Handhabe. Wenn es dort zu Verstößen gegen das Verbotsgesetz kommt, werden unsere Behörden einschreiten", erklärte der Bundeskanzler dazu.

Zwar hat die kroatische Regierung seit 2012 die Unterstützung und Mitfinanzierung des Gedenkens offiziell beendet. Querverbindungen zum offiziellen Kroatien sind jedoch nicht zu übersehen. Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović besuchte die Gedenkstätte vor drei Jahren beispielsweise heimlich, einige Tage vor dem offiziellen Gedenken.

Kirche erteilt Auflagen

Ebenso eindeutig wie der Widerstand gegen die geplante Veranstaltung ist jedoch auch die Rechtslage. Das Land kann das Gedenken nicht verhindern, weil die Prozession und der Gottesdienst kirchliche Veranstaltungen sind. Die katholische Kirche Kärntens distanziert sich von rechtsextremen und faschistischen Kundgebungen. Paul Wuthe, Sprecher der Österreichischen Bischofskonferenz, erklärte, die Kirche hoffe, dass das diesjährige Treffen nicht so stattfinde wie zuletzt. Die Diözese Gurk habe der kroatischen Kirche eine letzte Chance gegeben und schriftlich konkrete Auflagen an das Treffen geknüpft: Es dürften demnach keine Fahnen, Abzeichen, Uniformen oder uniformähnliche Teile, provozierende T-Shirts und auch keine Zelte mit Alkoholausschank vor Ort sein. Alle österreichischen Bischöfe würden das unterstützen, betonte Wuthe. Der kroatische Erzbischof habe bereits bestätigt, dass diese Auflagen eingehalten werden würden, sagte Wuthe im Ö1-"Mittagsjournal". "Wenn es heuer wieder so ist wie im letzten Jahr, wird der Bischof keine Erlaubnis für die Messe mehr erteilen", sagte Wuthe. Der Kern des Treffens sei kein Ustascha-Treffen, sondern ein christliches Gedenken an Opfer, die namenlos begraben seien. Das sei über Jahrzehnte ein Ort der Trauer und des Gebets gewesen. Es dürfe keinen Missbrauch geben.

Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt sieht in der Messfeier "keinen politischen Hintergrund", wodurch die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes nicht zur Anwendung kommen könnten. Zudem finde die Feier auf Privatgrund statt: "Die als Grundrecht verankerte Unverletzlichkeit des Hausrechts ist demnach durchzusetzen." Eine Reaktion gibt es allerdings bereits: Die Landespolizeidirektion Kärnten hat angekündigt, die Einsatzkräfte der Exekutive für dieses Jahr erheblich zu verstärken. Sie werden wohl einiges zu tun bekommen - zeitgleich haben sich auch andere Veranstaltungen zum Gedenken der Kärntner und jugoslawischen Partisanen angemeldet.