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"Beim Thema Pflege führt man die falsche Diskussion"

Von Petra Tempfer

Politik

Dass sich aktuell alles um den Wegfall des Pflegeregresses dreht, drängt laut Volksanwalt Kräuter die eigentliche Problematik in den Hintergrund.


Wien. Es seien nicht nur vereinzelte "schwarze Schafe", auf die sich die Probleme in der Langzeitpflege in Heimen beschränkten, sagte Volksanwalt Günther Kräuter am Mittwoch bei der Präsentation des Jahresberichts der Volksanwaltschaft. Vielmehr habe es bei knapp der Hälfte der 100 im Vorjahr besuchten Alten- und Pflegeheime zu wenig Personal gegeben, und man habe auch zahlreiche weitere Missstände entdeckt. Die meisten kritischen Feststellungen betrafen das Thema freiheitsbeschränkende Maßnahmen (56), unmittelbar gefolgt von jenen zu den Lebens- und Aufenthaltsbedingungen in den Einrichtungen (53).

Zimmerarrest im Altenheim

In einem Heim in der Steiermark zum Beispiel bezeugten Bewohner, dass zwei Bedienstete Pflegebedürftige vor anderen angeschrien und geschubst hätten. Als Sanktion auf unerwünschtes Verhalten soll man ihnen vorübergehend das Handy abgenommen und Zimmerarrest oder Speisesaalverbot über sie verhängt haben. Die Bewohner gaben an, dass sie aufgegeben hätten, sich über die Pflegerinnen zu beschweren, weil es ohne Reaktion geblieben sei.

Die aktuell geführte Diskussion zum Wegfall des Pflegeregresses zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, bei der es vor allem um die Frage der Kostenübernahme geht, drängt laut Kräuter die eigentliche Problematik in den Hintergrund. Hier führe man "die falsche Diskussion". Vielmehr sollte es um die Qualität der Pflege, also um die Betroffenen selbst gehen. Wichtig sei, das Altern in Würde sicherzustellen. Dass der Pflegeregress mit Beginn dieses Jahres abgeschafft wurde, sei "ausdrücklich" begrüßenswert, so Kräuter, weil er eine Art Erbschaftsteuer gewesen sei.

Die Situation an sich sei absurd: Die teuerste Form der Pflege - jene in Heimen - werde unterstützt, und die billigste, die die Betroffenen meist auch noch wollen - jene zuhause -, nicht. Die mobile Pflege müsse daher ausgebaut werden. Mit welchem Geld? "Es gibt den Pflegefonds, der mit 370 Millionen im Jahr dotiert und zu zwei Drittel vom Bund gespeist ist", so Kräuter.

Positiv sei, dass mittlerweile ein All-Parteien-Antrag vorliegt, das Heimopferrentengesetz auf Opfer von Gewalt in Krankenhäusern und privaten Heimen auszuweiten. Kräuter hofft auf einen schnellen Beschluss: Sechs Antragsteller seien bereits verstorben.

Volksanwältin Gertrude Brinek, die derzeit den Vorsitz innehat, kritisierte indes die Proteste der Richter gegen das Justizbudget und drohenden Personalmangel. Diese störten das Vertrauen in den Rechtsstaat, so Brinek. Der Alarmismus sei unangebracht. Die Zahl der Stellen sinke heuer und 2019 nicht. Dass man Richteranwärter-Stellen reduziere, sei angesichts sinkender Fallzahlen zulässig. Das Kanzleipersonal müsse allerdings schon aufgestockt werden. Richter-Präsidentin Sabine Matejka reagierte "verwundert" auf die Kritik. Schließlich habe sich die Volksanwaltschaft immer für rasche Verfahren starkgemacht. Und dass keine Richter abgebaut werden, sei auf eben diese Proteste zurückzuführen.