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Gegen die Orbans dieser Welt

Von Werner Reisinger

Politik

Tag der Arbeit: Der scheidende Bürgermeister Michael Häupl hielt seine letzte Rede auf einem SPÖ-Maiaufmarsch.


Wien. "Ich möchte mich hier in aller Form bei der Bundesregierung für die Rekordbeteiligung am Wiener Rathausplatz bedanken!" Launig eröffnete SPÖ-Chef Christian Kern seine Rede vor dem gut gefüllten Rathausplatz am 1. Mai. Kern übte heftige Kritik an der ÖVP-FPÖ-Regierung, die er im Bunde mit rechten Entwicklungen in ganz Europa sah. Im Gedenkjahr 2018 versuchte Kern, die Genossen auf Widerstand und eine deutliche Abgrenzung nach rechts einzuschwören: "Wir sind die gewesen, die vor 100 Jahren an der Wiege unserer Republik gestanden, Demokratie und Rechtsstaat verteidigt haben." Österreich erlebe eine "permanente Grenzverschiebung der politischen Moral und des Anstands", sagte Kern. Er ging auch auf die Angriffe auf Journalisten und Medien ein: "Wir erleben, dass Journalisten bedroht werden und die Pressefreiheit infrage gestellt wird. Und da geht es nicht nur um den ORF."

"Zugabe funktioniert ned"

Nur die Sozialdemokratie sei ein Garant dafür, dass Österreich nicht ins Fahrwasser der autokratischen Systeme in Osteuropa komme: "Auf einer Seite die Orbans, die Kaczynskis, die Straches, die für eine gelenkte Demokratie stehen, auf der anderen Seite stehen wir und werden das Modell der liberalen Demokratie verteidigen", sagte Kern. Wegen oder trotz des schönen Wetters waren nicht nur wie üblich tausende Vertreter aus den Sektionen der Wiener Bezirke, sondern auch zahlreiche Schaulustige und Sympathisanten auf den Rathausplatz gekommen. Schließlich war es auch der letzte Auftritt des scheidenden Wiener Bürgermeisters Michael Häupl auf einem roten Maiaufmarsch.

Sichtlich gerührt nahm Häupl die Glückwünsche und Würdigungen der Parteispitze ("Du bist schon jetzt eine lebende Legende!") und der SPÖ-Anhänger entgegen. In seiner Ansprache lieferte Häupl zwar brav die von ihm erwarteten launigen Sprüche. Wer aber eine angriffige Rede erwartet hatte oder ein Einschwören der Genossen auf die noch ungewohnte Oppositionsrolle, wurde enttäuscht. Nach nur wenigen Minuten verließ Häupl das Rednerpult. Die Zuhörer vergalten es ihm dennoch mit großem Applaus, besonders die Sozialistische Jugend feierte lautstark den langjährigen Wiener Bürgermeister. Der stieg alsdann wieder zum Pult hinab: "Das mit der Zugabe funktioniert ned. Ich wünsch euch noch einen schönen 1. Mai! Tschüss!"

Ganz verschwinden aus der Politik werde er aber sicherlich nicht, sagte Häupl noch zuvor. "Ich werde sicher kein Balkonmuppet, das allen erklärt, was zu tun ist. Aber unpolitisch, das werde ich sicher nicht", rief Häupl seinen Fans zu.

FPÖ "hat sich selbst ausgeladen"

Zuvor hatten auch der künftige Bürgermeister und Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig sowie die Finanzlandesrätin Renate Brauner kein gutes Haar an der Regierungspolitik gelassen. Sie übten massive Kritik an den Plänen von Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache zur AUVA und zum geplanten 12-Stunden-Tag. "Heute muss man, anstatt eine Arbeitszeitverkürzung zu erreichen, gegen eine Arbeitszeitverlängerung kämpfen", befand Brauner. "Wir stehen an eurer Seite, wenn es darum geht, die AUVA zu verteidigen", rief Ludwig den AUVA-Bediensteten zu, die mit entsprechenden Transparenten aufmarschiert waren. Die Sympathie, die Michael Häupl entgegenschlug, muss Ludwig sich bei der roten Anhängerschaft freilich noch erarbeiten. Applaus gab es für das Mauthausen Komitee, das die Regierungsvertreter der FPÖ nicht zu der Befreiungsfeier am 8. Mai im ehemaligen KZ Mauthausen eingeladen hatte. "Die FPÖ hat sich selbst ausgeschlossen", sagte Kern.