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Lais-"Schulen" bestehen vorerst weiter

Von Werner Reisinger

Politik
Die "Weinbergschule" bei Seekirchen in Salzburg: Den Betreibern wurde eine "angemessene Frist" eingeräumt.
© ORF/Am Schauplatz

Bildungsminister Faßmann fühlt sich nur für Privatschulen, nicht für die dubiosen Lais-Lerngruppen zuständig.


Wien. Sie sorgen nach wie vor für Aufregung und Kritik: die sogenannten Lais-"Schulen", die sich geschickt als Alternative zur Regelschule tarnen und damit immer mehr vom Schulsystem frustrierte Eltern ansprechen. In fast franchiseartiger Manier verbreitet sich das wundersame Konzept vom "natürlichen Lernen" in allen Bundesländern, Seminare und Workshops werden abgehalten, Lerngruppen oder gar "Schulen" entstehen. Wie die "Wiener Zeitung" im vergangenen Jahr aufdecken konnte, ist das Lais-Konzept von der russischen Schetinin-Schule und der ebenfalls russischen, völkisch-esoterischen Anastasia-Bewegung inspiriert. Bei Lais sollen Kinder von Kindern lernen, auch sogenannte "Schaubilder" werden verwendet. Entsprechend ausgebildete Lehrkräfte gibt es keine, ein pädagogisches oder didaktisches Konzept sucht man ebenfalls vergeblich.

Nicht alle Anhänger der Lais-"Schulen" sind im esoterischen Milieu zu verorten. Sektenexperten aber warnen seit Jahren vor dem Phänomen, das Alternative ebenso anzieht wie Personen mit Hang zu Verschwörungstheorien, (Rechts-)Esoterik - oder aus dem völkisch-rechtsextremen Milieu.

Monatelange "Prüfungder Lais-Methode"

Rein rechtlich gesehen agieren die Lais-"Schulen" in einem Graubereich. Sie funktionieren über das Recht auf häuslichen Unterricht mit jährlichen Externistenprüfungen, ein Privatschulrecht im eigentlichen Sinne besitzt nur ein Projekt, die sogenannte "Weinbergschule" in Seekirchen am Salzburger Wallersee. Seit Jahren schieben sich die zuständigen Behörden gegenseitig die Verantwortung zu. Dass sich auch das ÖVP-geführte Bildungsministerium unter Heinz Faßmann nicht wirklich für die Lais-"Schulen" zuständig fühlt, zeigt nun die Beantwortung einer Anfrage des grünen Bundesrats David Stögmüller und seiner Kollegen an Faßmann.

Stögmüller wollte von Faßmann unter anderem wissen, wie viele Lais-Projekte es österreichweit gibt, wie viele Kinder und Jugendliche derartige "Schulen" besuchen - und ob und wenn ja, in welcher Form sich das Bildungsministerium mit dem Phänomen Lais beschäftigt.

Die Argumentation des Bildungsministers: Da es sich - bis auf die "Weinbergschule" - um keine Privatschulen handelt, seien "Fragestellungen nach Schulen, die nach der sogenannten ‚Lais-Methode‘ unterrichten, für den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums (. . .) zu verneinen". Es würden deshalb weder Zahlen zu den Schülern noch zu den Lais-Projekten vorliegen. Ob die bei Lais verwendeten Methoden den pädagogischen Gesichtspunkten für einen ordnungsgemäßen Unterricht entsprechen, will der Bildungsminister nicht beantworten - und beruft sich auf das parlamentarische Interpellationsrecht.

Fall Weinbergschule:"Frist eingeräumt"

Bereits Faßmanns Vorgängerin, SPÖ-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, ließ die Lais-Methode 2017 auf ihren pädagogischen Wert prüfen. Ergebnisse dazu liegen bis heute nicht vor. Das Bildungsministerium prüfe die Lais-Methode "unter anderem zum Zweck der Gewährleistung von tragfähigen Rahmenbedingungen für einen ordnungsgemäßen Unterricht an Schulen". Wie lange das noch dauern wird, ist offen: "Ein konkretes Enddatum kann derzeit nicht angegeben werden", heißt es in der Anfragebeantwortung. Faßmann weist allerdings darauf hin, dass bei der Externistenprüfung die angewendeten Lernmethoden keinen "Gegenstand dieser Prüfung" darstellen. Ob Faßmann diesen Umstand zu ändern sucht, wie dies einige Landesschulräte bereits eingefordert hatten, bleibt offen.

Einzig die Kritik von Bildungswissenschaftern und Sektenexperten ist dem Bildungsminister bekannt. Den Vorwurf der Untätigkeit bezüglich Lais will Faßmann nicht gelten lassen - und verweist auf die besagte "Weinbergschule". Die Berichterstattung der ORF-Sendung "Am Schauplatz" brachte vergangenen Herbst Bewegung in die Arbeit der Behörden. Seitdem läuft ein Verfahren auf Entzug des Öffentlichkeitsrechts, das die von der sektoiden "Gemeinschaft werktätiger Christen" geführte Schule 2006 verliehen bekam.

Ob es tatsächlich zu einer Schließung der Privatschule kommt, ist trotz mehrerer anhängiger Verfahren wegen möglicher Kindeswohlgefährdung und den inzwischen bekannten Praktiken indes alles andere sicher. Entsprechend der Rechtslage sei den Schulbetreibern im Zuge des Aberkennungsverfahrens die "Beseitigung bestehender Mängel binnen angemessener Frist" eingeräumt worden, ist in einer weiteren Anfragebeantwortung an die Salzburger Grünen zu lesen. Aufgrund des anhängigen Verfahrens müsse von der Erteilung näherer Auskünfte Abstand genommen werden. Wo das Ministerium die Mängel genau sieht, bleibt aber offen. Durch die "Schauplatz"-Reportage sowie die Beobachtungen der Bundesstelle für Sektenfragen ist bekannt, dass die Kinder der "Weinbergschule" auch Kampfsport trainieren. Seit einigen Jahren ist der "Schetinin"-Absolvent Richard Kandlin, in der Lais-Szene wie ein Missionar bekannt, am Hof tätig. Die Schulleiter erhalten "Durchsagen" von göttlichen Instanzen, die Kinder werden von der Öffentlichkeit völlig abgeschottet.

Zahl der Kinder im "häuslichen Unterricht" steigt seit Jahren

Die umstrittene Kultschule erhält dank ihres Öffentlichkeitsrechts auch staatliche Subventionen. Immerhin rund 14.500 Euro flossen im Schuljahr 2016/17 an den "Zachhiesenhof", wo auch die meisten Eltern der Kinder der "Weinbergschule" wohnen. Auch für das laufende Schuljahr liege ein Förderantrag vor. Diesem sei jedoch aufgrund des laufenden Verfahrens bisher nicht entsprochen worden, heißt es in der Anfragebeantwortung des Bildungsministers. Die "eventuelle Auszahlung einer Förderung wird Gegenstand weiterer Beratungen in Abhängigkeit der Ergebnisse der ermittelnden Behörden" sein. Alles wartet also auf den Salzburger Landeschulrat, der die Überprüfungen durchzuführen hat. Doch der schweigt.

Medienberichten zufolge hat sich am "Zachhiesenhof" seit der "Am Schauplatz"-Reportage einiges verändert. So sollen einige der ansässigen Familien den Hof bereits verlassen haben, und zwar Richtung Ungarn, wo es ebenfalls entsprechende Siedlungsprojekte geben soll - auch solche, die von der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung inspiriert sind. Derzeit besuchen laut Anfragebeantwortung nur mehr 13 Kinder die "Weinbergschule". Die Schulleitung aber habe sich seit dem Schuljahr 2005/06 nicht verändert. Noch dürfen die "werktätigen Christen" ihre Schule weiter betreiben.

Dass die Zahl jener, die ihre Kinder aus dem Regelschulsystem nehmen, stetig zunimmt, zeigt eine vom Bildungsminister bei den Landesschulräten durchgeführte Erhebung. Im laufenden Schuljahr sind dies österreichweit 2320 schulpflichtige Kinder. Vor fünf Jahren waren es noch 1828 Kinder gewesen.