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"Zentrales Instrument ist eine ökosoziale Steuerreform"

Von Petra Tempfer

Politik
Das geplante 100.000-Dächer-Programm soll private Investitionen für Photovoltaik fördern.
© fotoia/manfredxy

Für Umweltministerin und Verkehrsminister hat der Kampf gegen den Klimawandel "höchste Priorität" - laut Experten kann man die Klimaziele ohne Steuerreform aber nicht erreichen.


Wien. Dass es derzeit, Ende Mai, hochsommerliche Temperaturen hat, mache die Dringlichkeit des Themas noch deutlicher - der Klimawandel sei vor allem im Osten spürbar, sagte Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Mittwoch bei der Parlamentsenquete zur Klima- und Energiestrategie, zu der auch zahlreiche Experten geladen waren. Der Bauernhof in Kärnten, auf dem sie aufgewachsen sei, kämpfe mit den Folgen der zunehmenden Trockenheit, so Köstinger. Für sie und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) hat der Kampf gegen den Klimawandel "höchste Priorität", wie beide sagten. Ohne Steuerreform werde man diesen aber nicht gewinnen, warnten Experten.

Die Pariser Klimaziele zu erreichen, wonach die globale Erwärmung bis 2100 unter zwei Grad Celsius gehalten werden muss, sei "eine der größten Herausforderungen", so Köstinger. Die Klima- und Energiestrategie, deren Entwurf die Ministerin gemeinsam mit Hofer Anfang April vorgelegt hat, sehe Maßnahmen vor, um kurzfristige Ziele bis 2030 zu erreichen. So soll etwa Österreichs Strom bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern kommen, im Moment sind es laut Köstinger 72 Prozent. Bezogen auf die Energie insgesamt soll der Anteil der Erneuerbaren bis dahin von 35 auf 45 bis 50 Prozent steigen.

Jedes Haus ein Kraftwerk

Dazu müsse das Energiesystem nachhaltig umgebaut werden. Jedes einzelne Haus solle als Kraftwerk gesehen werden, sagte Köstinger und verwies damit auf das geplante 100.000-Dächer-Programm zur Photovoltaik. Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit sollen dabei aber stets gewährleistet bleiben: Auf das Thema Speicher werde im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft (ab Juli) beim informellen Energieministerrat im September in Linz ein klarer Fokus gelegt werden.

Im Wesentlichen gehe es um die Bereiche Gebäude und Verkehr, sagte Köstinger. Die geplante Anhebung der Gebäude-Sanierungsrate auf rund zwei Prozent im Jahr gehe nur gemeinsam mit den Bundesländern. Ab 2020 werde es im Neubau keine Ölheizungen mehr geben, heute gebe es noch 700.000 in Eigenheimen. 2025 soll dann der sozial verträgliche Austausch der Ölkessel gegen umweltfreundliche Alternativen beginnen. Ziel sei ein europäischer CO2-Mindestpreis als Steuerungsinstrument.

Hofer verwies für seine Zuständigkeitsbereiche vor allem auf die Elektro-Mobilität. Der Verkehrssektor sei für 29 Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes im Land verantwortlich, sagte er. Das E-Auto werde sich durchsetzen. Der Antrieb soll erneuerbar sein, also mit Energien erfolgen, die auch in Österreich vorhanden seien.

Das seien ambitionierte Ziele, und dennoch gingen sie nicht weit genug, so der allgemeine Tenor unter den Experten der anschließenden Generaldebatte im Zuge der Enquete. Diese vermissten großteils vor allem eines: eine konkrete, zielführende Maßnahme wie den Stopp der direkten und indirekten Förderung fossiler Energieträger - Köstinger hatte sich ja zum Beispiel mehrmals dagegen ausgesprochen, das Steuerprivileg für Diesel abzuschaffen.

"Zentrales Instrument ist eine ökosoziale Steuerreform", sagte etwa der Klima- und Energieexperte Erwin Mayer. Die Steuersätze für fossile Energieträger seien derzeit sehr unterschiedlich und sollten auf das Benzin-Niveau (bis zu 195 Euro pro Tonne CO2) angeglichen werden. Gleichzeitig sollte es laut Mayer einen Ökobonus oder Förderungen geben, wenn man Strom aus erneuerbaren Energien verwendet. "Es geht um Umschichtung", so Mayer.

Anreize statt Strafen

Ohne Steuerreform und Verbote werde es nicht gehen, sagte auch Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb von der Boku unabhängig von der Enquete zur "Wiener Zeitung". Mit der vorliegenden Klima- und Energiestrategie und dem Bekenntnis, nicht strafen, sondern lediglich Anreize schaffen zu wollen, "beraubt sich der Staat aller Möglichkeiten, die er hat", sagt Kromp-Kolb. 2020 soll es ja laut Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) eine Steuerreform geben - eine Chance, hier Zeichen zu setzen. Die Regierung werde jedenfalls am Erfolg der Klima- und Energiestrategie gemessen werden, so die Klimaforscherin.

Die Klima- und Energiestrategie wird voraussichtlich auf der Agenda der zweiten Regierungsklausur von ÖVP und FPÖ kommendes Wochenende stehen. Bevor der geplante Ministerratsbeschluss im Juni erfolgt, sollen laut Regierung weitere Inputs eingearbeitet werden.