- © WZ/Moritz Ziegler
© WZ/Moritz Ziegler

Sie alarmieren die Politik und Institutionen wie uns, aber sie alarmieren und leiten auch Einzelne, etwas gegen die Gefahr zu tun. Das AMS-Qualifikationsbarometer ist der Versuch, Wissenschaftliches zur Frage, ob und wo uns die Digitalisierung die Jobs wegnimmt, zu liefern - und nicht nur Horrorszenarien. Wir sagen den Menschen ja auch, wo es steigenden Bedarf gibt. Wir informieren und raten auch anderen ab, gewissen Beruf zu wählen. Wir schrecken, um wachzurütteln.

Veränderungen gab es früher auch schon, warum fürchten sich nun alle vor der Digitalisierung?

Von den großen disruptiven Erfindungen, die alles verändert haben, gab es bisher nicht so viele: Da war die Dampfmaschine, die Eisenbahn, die Elektrizität, die Massenmobilität, dann der PC und letztlich das Internet. Die Zyklen dazwischen aber werden kürzer. Vor allem für die Erstausbildung wird es schwierig, weil hier die Anpassung sehr lange braucht. Wir sind nicht so schlecht in der Frage, was es in den nächsten drei bis fünf Jahren braucht. Was es aber in zehn bis 20 Jahren braucht, darüber wissen wir wenig. Es ist ein großes Problem. Wenn niemand weiß, was wir brauchen, wer soll Bildung planen oder junge Menschen bei ihrer Berufswahl anleiten?

Welche Qualifikationen wurden nun wichtiger, welche weniger?

Die Fähigkeit zu lernen, sich neues Wissen anzueignen und selbständig zu arbeiten, steigt mit höherer Bildung, ebenso wie die Fähigkeit, sich auf veränderte Bedürfnisse einzustellen. Das trainierte Hirn lernt auch schneller als das untrainierte. Selbst die falsche Ausbildung ist also besser als keine. Menschen mit einem Studium, das am Arbeitsmarkt nicht nachgefragt wird, haben bessere Arbeitsmarktchancen als jene, die keines haben. Das ist der Trost und der Grund, warum unser Schulsystem, das sich Veränderung gegenüber als sehr widerstandsfähig erwiesen hat, mit Fächern, die seit hundert Jahren die gleichen sind, noch immer eine halbwegs ordentliche Vorbereitung für das spätere Berufsleben ist.

Ist es aber nicht ziemlich ernüchternd, dass unser Schulsystem das Falsche liefert?

Das ist ernüchternd. Es ist aber auch einfach zu sagen, dass wir das Falsche ausbilden, wenn man nicht weiß, was das Richtige wäre. Man kann aber durchaus etwas tun: das zu unterrichten, was wir in Zukunft in jedem Fall brauchen, wie etwa Lernfähigkeit, Lernbereitschaft, kreative Neugierde, aber auch die Such- und Prüfkompetenz sowie ganz allgemeine digitale Kompetenzen. Denn der bloße Konsum von digitalen Inhalten ist nicht die Kompetenz, die Unternehmen suchen.

In der Schule spielt all das aber kaum eine Rolle.

Unser Schulsystem bereitet die Leute sicherlich noch nicht gut genug auf die Veränderungen vor, die da kommen. Darum brauchen wir Reformen im Bildungssystem. Ein eigenes Fach Digitalisierung und Coding alleine ist sicherlich zu wenig. Was es braucht, ist die Durchdringung des Unterrichts mit digitalen Kompetenzen. Das Fach kann trotzdem Mathematik heißen, aber man muss Dinge bearbeiten, die mit Technik zusammenhängen oder noch stärker Informatik reinbringen.