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Personalkarussell gerät komplett außer Kontrolle

Von Martina Madner

Politik

Bruno Rossmann und Wolfgang Zinggl übernehmen Klubführung, Peter Kolba gibt überraschend sein Mandat als Nationalrat ab.


Wien. Ein Konflikt der Liste Pilz ist gelöst - und zwar "rechtzeitig und einstimmig", sagt Bruno Rossmann. Der Abgeordnete und sein Kollege Wolfgang Zinggl sind die neuen Klubobmänner. Sie folgen damit Peter Kolba nach, der das Amt mit Ende Mai aus gesundheitlichen Gründen zurückgelegt hat.

Rossmann will den Klub nach außen hin vertreten, und "bei Skandalösem wie zuletzt den Kürzungen der Mindestsicherung laut aufschreien". Zinggl will nach innen wirken, "den Klub wieder in ruhigeres Fahrwasser führen." Zinggl beantwortet auch gleich zwei Fragen, noch bevor sie gestellt werden konnten: "Wir wollen, dass Peter Pilz in den Klub zurückkommt." Und: "Von uns sieben geht niemand anstelle von Martha Bißmann, weil wir der Meinung sind, dass sie dieses Mandat nicht per Wahl bekommen hat, sondern dass Peter Pilz auf sein Mandat nur vorübergehend verzichtet hat."

Kolba will Mandat zurücklegen

In der Pressekonferenz hatte Zinggl die Diskussion im Klub noch für beendet erklärt, den Staffel dafür ans Duo Peter Pilz und Martha Bißmann weitergereicht. Der scheidende Klubobmann Peter Kolba gratulierte erst noch per Twitter seinen Nachfolgern, um genau an dieser Stelle nur eine Stunde später seinen Followern zuzuzwitschern: "Ein alter Sinnspruch: Was ist schlimmer als ein Feind? Ein Parteifreund." Er nehme es zur Kenntnis, dass jetzt nachgetreten werde.

Und eine weitere halbe Stunde später hieß es dann plötzlich: "Nach Überlegung: Es reicht jetzt! Ich werde morgen mein Mandat zurücklegen und will mit dieser Liste nichts mehr zu tun haben." Damit scheint die Kurzzeit-Karriere in der Politik beendet zu sein.

Zurück an deren Start. Der Jurist leitete von 1990 bis 2017 dem Bereich Recht im Verein für Konsumenteninformation (VKI), hatte aus der Abteilung eine schlagkräftige Einheit im Kampf für Verbraucherrechte und Konsumentenschutz geformt und erstritt in Musterprozessen, Verbands- und Sammelklagen für Verbraucher Millionen an Euros.

Anfang 2017 trennte er sich jedoch wegen Unstimmigkeiten in einer Anlegercausa vom VKI. Kolba fand nach einem nur dreimonatigen Intermezzo bei der gemeinnützigen Stiftung Cobin Claims, die Konsumenten in Sammelklagverfahren vertritt, zu Peter Pilz und trat im Juli 2017 Jahres neben Maria Stern, Sebastian Bohrn Mena und Stephanie Cox als einer der ersten vier Unterstützer von Pilz auf; er kandidierte für den Nationalrat, eigentlich um den Konsumentenschutz im Parlament voranzutreiben, "um sinnvolle Instrumente zu schaffen, um Unrecht nicht zu belohnen", wie er damals sagte.

Kommunikationsprobleme

Es kam alles anders. Als Peter Pilz - nachdem ihm mehrere Frauen vorgeworfen hatten, von ihm sexuell belästigt worden zu sein - bis zur strafrechtlichen Klärung der Vorwürfe nicht in den Nationalrat einziehen wollte, übernahm Kolba die Funktion des Klubobmanns; nur "interimistisch", wie er von Beginn an ankündigte. Und Martha Bißmann rückte als zweite auf der Liste in der Steiermark auf das Mandat von Pilz nach.

Kolba konnte sich fortan nicht mehr auf Konsumentenschutz konzentrieren, sondern hatte den Klub nach innen zu organisieren und nach außen zu vertreten. Das gelang ihm, der nicht für diplomatisches Gespür, sondern eher für rasche Bauchentscheidungen bekannt geworden ist, allerdings nur zum Teil. Er kommunizierte des Öfteren nicht kontrolliert über sein Presseteam, sondern beschwerte sich - meist ebenfalls über Twitter oder Facebook - darüber, dass Medien nicht oder die falschen Inhalte der Liste berichteten, wollte sich manchen Fragen insbesondere zum Pilzschen Rückzug genauso wie zu dessen möglicher Rückkehr nicht stellen - und griff in seiner Wortwahl dabei manchmal zu tief in eine der unteren Schubladen.

Das ist nun Vergangenheit. Er habe lange durchgehalten, wolle aber nicht weit über 50 Prozent seiner Zeit für "internes Intrigieren verschwenden", vermeldete Kolba auch für den eigenen Klub überraschend: "Ich hatte zwei Möglichkeiten: Klubaustritt oder Mandat niederlegen. Ich bin kein Sesselkleber, daher Mandatsverzicht." Das alles gab er im Laufe des Donnerstages konsequenterweise auch auf Twitter bekannt, für ein Telefonat war er nicht erreichbar.

Platz für Pilz‘ Comeback?

Für eben erst gekürten geschäftsführenden Klubobmann kam das aus heiterem Himmel. "Es erwischt uns völlig kalt", sagte Zinggl im Gespräch mit der APA. Er habe noch keine Gelegenheit gehabt, mit Kolba zu sprechen. "Er hat es niemandem gegenüber angekündigt, auch seinen Mitarbeitern gegenüber nicht."

Man habe am Mittwoch eine gute Sitzung gehabt, "da war auch Herr Kolba dabei - und guter Dinge". Er bedanke sich jedenfalls noch einmal für Kolbas Arbeit, betonte Zinggl.

Ob Kolbas angekündigter Verzicht nun den Weg für den Listengründer freimacht, ist noch unklar. Kolba zog über das Mandat aus Niederösterreich in den Nationalrat ein, auf Platz zwei der Landesliste steht Maria Stern, eine der Initiatorin des Frauenvolksbegehrens. Verzichtet diese nicht, stünde Pilz weiter vor verschlossenen Parlamentstüren.

Um also zurückkehren zu können, müsste aber Maria Stern nicht nur verzichten. Zusätzlich müsste Alfred Noll, der über die Bundesliste im Nationalrat sitzt, auf deren Niederösterreich-Mandat nachrücken. Nur so könnte Pilz über das dann frei werdende Bundeslisten-Mandat in den Nationalrat einziehen.

Die Zukunft der Frauen

Abgesehen davon, dass noch unklar ist, ob Stern, eine Lehrerin, dazu bereit wäre - auch sie war bis Redaktionsschluss nicht erreichbar -, stellt sich die Frage, ob mit dieser Rochade der angekündigte Weg der Liste nicht konterkariert würde. Schließlich hatte Rossmann am Vormittag gerade erst verkündet: "Die Zukunft gehört den Frauen."

Stern ist als Feministin bekannt: Neben ihrem Engagement beim Frauenvolksbegehren arbeitete sie auch bei der Plattform für Alleinerziehende für Frauenrechte mit; und sie kümmert sich, ohne Mandat, als Sprecherin der Liste Pilz um Frauenthemen. Sie zum Verzicht zu bitten, könnte weitere Wähler, und vor allem Wählerinnen der Liste vor den Kopf stoßen.

Also müsste doch Martha Bißmann für freie Bahn sorgen? Die sagt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" weiterhin ganz klar: "Nein". Sie will Abgeordnete bleiben und "damit auch jungen Menschen, gerade auch den Frauen darunter, zeigen, dass man standhaft bleiben kann, wenn viel Gegenwind herrscht".

Bißmann sah - vor dem Hinschmeißen Kolbas - die Männer der Liste am Zug: "Keiner der vier Männer will bei den nächsten Wahlen wieder kandidieren. Es sind die Frauen im Klub, die Visionen vorantreiben und die Zukunft gestalten wollen." Aber: "Der ganze Druck, die ganze Verantwortung, die ganze Schuld wurde auf mich abgeschoben."

Sie will jedenfalls am Montag in den Klub zurückkehren. Sie geht von einer "professionellen und konstruktiven Zusammenarbeit" aus, aber auch vielen weiteren Diskussionen. Dieses mal aber weniger, um die "gewisse Skepsis" die zum Beispiel Zinggl gegenüber ihr hegt, auszuräumen, sondern um Kolbas Nachfolge.