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Die Zukunft des Essens

Von Brigitte Pechar

Politik
© cycologe - stock.adobe.com/Klaus Wagenhäuser

Die Landwirtschaftskammer hofft, dass das EU-Agrarbudget für den ländlichen Raum nicht gesenkt wird.


Wien. Pro Jahr benötigen die Österreicher 6816 Milliarden Kilokalorien für ihre Ernährung. Würden die Österreicher entweder um zehn Prozent weniger Fleisch konsumieren oder die vermeidbaren Lebensmittelabfälle um ein Viertel reduzieren, könnte man die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung ausschließlich mit Bio-Landbau sicherstellen. Zu diesem Ergebnis kommen Thomas Lindenthal und Martin Schlatzer vom Zentrum für Globalen Wandel der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) in einer Studie im Auftrag der Initiative "Mutter Erde".

634.000 Hektar werden in Österreich bereits biologisch bewirtschaftet. Das sind 24 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche. Österreich hat damit den höchsten Anteil beim biologischen Landbau in der Union und gilt als mustergültig in der EU.

Es stellt sich die Frage, ob Österreichs Biobauern Schaden nehmen, wenn das EU-Agrarbudget wie geplant ab 2021 bis 2027 auf 78,8 Milliarden Euro gesenkt wird. Vor allem für den Bereich ländliche Entwicklung - in die auch die Förderung der Biobauern fällt - werden für Österreich Kürzungen um 15 bis 25 Prozent befürchtet. "Das ist ein Angriff auf den Umweltschutz, die bäuerlichen Familienbetriebe und den ländlichen Raum", sagte etwa Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger in einer ersten Reaktion zum Vorschlag von EU-Agrarkommissar Phil Hogan am vergangenen Freitag.

Lembacher: "Nur erste Ideen"

Auch die Landwirtschaftskammer als Interessenvertretung der Bauern hofft noch auf eine Wende. "Das sind jetzt nur erste Ideen der EU-Kommission", sagte Ferdinand Lembacher, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer, am Montag zur "Wiener Zeitung". Über Kürzungen will Lembacher erst gar noch nicht reden, denn man stehe erst am Beginn der Verhandlungen. Dennoch gab er zu bedenken, dass das Agrarbudget von Periode zu Periode (diesmal geht es um die Jahre 2021 bis 2027) gekürzt worden sei. In allen anderen Bereichen gebe es eine Valorisierung der Kosten, nur bei den Bauern werde das verabsäumt. Daher hegt er insgeheim noch Hoffnung, dass zumindest keine Kürzungen kommen.

Österreich sei jedenfalls vom Vorschlag des Agrarkommissars besonders betroffen, weil gerade bei der zweiten Säule, der Förderung der ländlichen Entwicklung (die im Land co-finanziert wird), gespart werden soll. Und eben da gelte Österreich als Vorbild für andere EU-Länder. Da hinein fallen Umweltprogramme - und eben auch die Förderung des Bio-Landbaus.

Bei der ersten Säule des EU-Agrarbudgets, den Direktzahlungen, könne man sich Flexibilität vorstellen, sagte Lembacher. 285 Euro erhält ein Betrieb pro Jahr und Hektar aus diesem Topf. Diese Direktzahlzungen sind derzeit mit 150.000 Euro pro Jahr und Betrieb gedeckelt. In Österreich mit seiner kleinstrukturierten Landwirtschaft erhalten die Höchstzahlung gerade einmal 150 Betriebe. Laut Vorschlag von Kommissar Hogan soll die Deckelung künftig bei 60.000 Euro liegen.

Pirklhuber: EU hat kein Ziel

An der geplanten Kürzung des Agrarbudgets sei jedenfalls nicht nur der Austritt Großbritanniens aus der EU schuld, sagte Agrarökonom Wolfgang Pirklhuber, der frühere Landwirtschaftssprecher der Grünen im Nationalrat, zur "Wiener Zeitung". Insgesamt erhalten Österreichs Bauern seit 2016 jährlich 1,9 Milliarden Euro an Förderungen. Davon kommen 61 Prozent von der EU, 22 Prozent von den Bundesländern und 17 Prozent vom Bund.

Die Verringerung der Mittel sei auch gar nicht so sehr das Problem, vielmehr scheitere es an einem gemeinsamen Ziel der EU, sagt Pirklhuber. Der Biolandbau brauche neben den Förderungen vor allem Rahmenbedingungen zum Überleben. Es brauche einen Marktaufbau und Maßnahmen gegen falsche Industrialisierung. Die EU-Kommission handle hier häufig im Interesse der Exportindustrie - also von Konzernen wie Nestlé oder Unilever - weltmarktorientiert. Eine Öffnung der Märkte etwa für brasilianisches oder argentinisches Rindfleisch führe allerdings zu Dumping und am Ende zum Bauernsterben bei uns, sagt Pirklhuber. Ministerin Köstinger müsse darauf achten, dass es zu keinen Kürzungen im Biolandbau komme, dafür aber bei der Industrialisierung. "Agrarpolitik geht jeden an, weil es um die Zukunft des Essens und die Zukunft des ländlichen Raumes geht", sagte Pirklhuber.

Lembacher kann mit dieser Argumentation nichts anfangen, denn die Fleischimporte etwa aus Brasilien unterlägen Handelsabkommen und hätten nichts mit der Agrarfinanzierung zu tun. Allerdings, gibt Lembacher zu verstehen, gebe es die Agrarförderungen nur deshalb, damit europäische Agrarprodukte am Weltmarkt bestehen könnten.

Für die österreichischen Bio-Betriebe sieht der Landwirtschaftskammer-Generalsekretär auch in Zukunft Potenzial, weil sie mit einer zufriedenstellenden Preisentwicklung für ihre Produkte rechnen könnten. Mit Bio-Produkten könnten beim Export Erfolge verzeichnet werden.