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Guter Bauer, böser Bauer

Von Werner Reisinger

Politik
© Wiener Zeitung

Alles für die Kleinbetriebe, das will die Politik. Die Realität sieht meist ganz anders aus.


Wien. Für die einen sind sie unverzichtbarer Bestandteil der österreichischen Kultur, Versorger, Landschaftspfleger und vieles mehr. Für die anderen sind sie eine bevorzugte Berufsgruppe, mit einer mächtigen politischen Lobby im Hintergrund, mit allerlei Privilegien und Unterstützungen aus der öffentlichen Hand. Österreichs Bauern oszillieren irgendwo zwischen respektvoller Bewunderung und Feindbild.

Wer genau unsere Bauern sind, und vor allem, wie es ihnen tatsächlich geht, ist keineswegs leicht festzumachen. Die Statistik zeigt immerhin eine klare Entwicklung: Die Zahl der Betriebe nimmt zwar bundesweit weiter ab, allerdings langsamer als noch vor einigen Jahren (siehe Seite 11). Von einem Bauernsterben kann man aber dennoch nur bedingt sprechen - denn immer weniger, aber immer größere Bauern bewirtschaften eine relativ gleichbleibende Fläche. Dennoch stehen - vor allem in der politischen und medialen Darstellung - vor allem die kleinen Betriebe im Fokus. Sie gilt es laut Politik zu schützen und zu fördern. Dazu bekennen sich alle Beteiligten, von Brüssel bis Wien.

"Die Bauern" gibt es nicht

Dem gegenüber stehen die - öffentlich meist heftig kritisierten - landwirtschaftliche Großbetriebe. Diese sind aber zentral für die Dynamik, die sich in der nationalen und internationalen Agrarpolitik abspielt, sagt Franziskus Forster, Sprecher der Klein- und Bergbauernvereinigung ÖBV/Via Campesina. Die seit vielen Jahren gängige politische Praxis, auf die schützenswerten Kleinbetriebe hinzuweisen, nennt er den "Vorspann-Mechanismus": "Zuerst werden die Bedürfnisse, faktischen Nöte und die bekannten Leistungen der Kleinbauern vorgeschoben, wenn es dann um die Verteilung von Förderungen geht, sieht es oft ganz anders aus, und die Kleineren steigen schlechter aus." Die, wie Forster sagt, oft "massiven Interessenskonflikte" zwischen Groß- und Kleinbetrieben verschwimmen in der politischen Erzählung von "unseren Bauern".

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Beispiele für Forsters Kritik finden sich in der aktuellen Debatte um die Entwicklung der EU-weiten gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Auch aufgrund des Brexit, so heißt es jedenfalls aus der ÖVP, will die EU die Agrarpolitik für das Budget 2021-2027 ändern. Vorgesehen ist eine Kürzung der Direktförderungen: Künftig soll es eine Deckelung bei 100.000 Euro pro gefördertem Betrieb geben, ab 60.000 Euro Förderung ist eine schrittweise Reduktion vorgesehen. Rund 15 Prozent will man auch bei der zweiten Förderungssäule, jener für ländliche Entwicklung, einsparen.

Insgesamt, so fürchtet ÖVP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, droht Österreich der Verlust von 82 Fördermillionen aus Brüssel. Während Köstinger in den Einschnitten bei der ländlichen Entwicklung einen "Angriff auf den Umweltschutz, die Familienbetriebe und den ländlichen Raum" sieht, kann sie mit dem geplanten Deckel bei den Direktförderungen gut leben. Schließlich wird Köstinger nicht müde zu betonen, dass Österreichs Betriebe im internationalen Vergleich als Kleinstbetriebe gelten. Nicht die "Agrarfabriken", sondern die kleinen Betriebe sollen das Agrarmodell der Zukunft sein, sagt sie.

Die Botschaft hört auch Franziskus Forster. Allein, ihm fehlt der Glaube: "Unseren bisherigen Erfahrungen zu Folge wird mit dieser Förderprogrammatik quasi eine strukturkonservative Richtung eingeschlagen", sagt der Sprecher der Via Campesina. Forster sieht - im Gegensatz zu seinem Vis-à-Vis, dem mächtigen Bauernbund, der die Kürzungen generell ablehnt - sehr wohl die Notwendigkeit einer Umverteilung. "Für mich stellt sich aber vor allem die Frage, wie der gleichzeitig von der EU-Kommission ermöglichte größere Spielraum bei der Förderungsverteilung dann auf nationaler Ebene genutzt wird", sagt Forster. Aus seiner Sicht bleibt der Status quo der grundsätzlichen Agrarentwicklung in Österreich quasi unverändert. Genau das ist aber laut den Kritikern das Problem.

Reden über Probleme

"Die im Zuge der subsidiären Entwicklung der EU entstandene Möglichkeit, auch Kleinbauern flächenmäßig direkter zu fördern, wurde in der Vergangenheit nicht ausgeschöpft", so Forster. Es sei abzuwarten, ob Köstinger, die selbst aus dem Bauernbund kommt, ihren Worten Taten folgen lässt und auf nationaler Ebene selbst mit einem anderen Verteilschlüssel vorangeht. Aktuell aber würde darüber in Österreich "noch nicht einmal diskutiert". "Immerhin schreibt die EU-Kommission nur mehr Ziele vor, die Umsetzung aber liegt nun stärker bei den Nationalstaaten."

Wie auch dem Verband Bio Austria, der im EU-Kontext entsprechende Weichenstellungen vermisst, geht es auch der ÖBV um ein grundsätzliches Umdenken in der Agrarpolitik. "Landwirtschaft wird bei uns fast ausschließlich aus einer ökonomischen Perspektive gesehen, aus der Perspektive des Handels", sagt Forster. Über die akuten Probleme - Klimawandel und die damit verbundene Gefahr für die Landwirtschaft und damit auch für die Versorgung mit Produkten, die soziale Situation im ländlichen Raum beispielsweise - werde zwar viel geredet, wenn es aber ans Umsetzen geht, reduziere sich die Diskussion schnell auf die Frage des wirtschaftlichen Erfolgs: "Dann dominieren die Interessen der Großbetriebe."

Auch die Grünen und die SPÖ kritisieren, dass die ÖVP auf EU-Ebene gegen einen stärkeren Schutz kleiner und mittlerer Betriebe vor den möglicherweise negativen Auswirkungen von internationalen Handelsabkommen wie Ceta oder mit dem Mercosur gestimmt hat. "Köstinger sagt, sie werde bis zum Umfallen für die Kleinbauern kämpfen. Handelspolitisch aber ist sie längst umgefallen", fasst Forster die Sicht der Kleinen zusammen.