Wien. Shaffi Shinwari war ein Segen für Sylvia Hochstöger. Die Unternehmerin aus dem Mühlviertel beschäftigt 30 Mitarbeiter in ihrer Spenglerei. Aufträge gibt es genug, nur an Fachkräften mangelt es. "Wir bekommen kaum noch Bewerbungen, höchstens eine pro Jahr", sagt Hochstöger. Dachdecker ist ein Mangelberuf, es finden sich selten Lehrlinge. 2017 gab es laut AMS 19 Lehrstellensuchende auf 37 freie Lehrstellen. Ein ähnliches Ungleichgewicht herrscht bei den Spenglern. Hochstöger erzählt, dass mitunter Jahre verstrichen, in denen sie keinen einzigen Lehrling ausbilden konnte.

2016 hatte sie Glück. Sie konnte den jungen Afghanen Shinwari einstellen. Hochstöger engagierte sich in der lokalen Flüchtlingshilfe, sie hatte daher keine großen Bedenken, einen Asylwerber zu beschäftigen. "Die Integration am Land funktioniert sehr gut", sagt sie. Shinwari würde Tag und Nacht lernen, gute Noten schreiben, mit auf die Baustellen fahren. Seine Chancen, als Dachdecker übernommen zu werden, stehen gut.
Das Fremdenrecht machte Hochstöger jedoch einen Strich durch die Rechnung. Shinwaris Asylbescheid ist in erster Instanz negativ. Nun hängt die Abschiebung über ihm wie ein Damoklesschwert. Muss er Österreich verlassen, klafft in Hochstögers Betrieb ein Riesenloch. Ersatz findet sie so schnell keinen.
Das ist kein Einzelfall. Im März 2018 absolvierten österreichweit 805 Asylwerber eine Lehre. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage an das Sozialministerium hervor. Der Großteil von ihnen, rund 363 Asylwerber, sind in Oberösterreich beschäftigt. Dort ist die Lage besonders prekär. Ein Drittel ist von der Abschiebung bedroht. Seit Monaten kocht die Diskussion um Asylwerber in Ausbildung. Für die Wirtschaft sind die Asylwerber die Fachkräfte von morgen. Für die Politik zählt die Zahl der Abschiebungen. Ein Dilemma. Denn die Betriebe suchen händeringend nach Lehrlingen. Der grüne Integrationslandesrat Rudi Anschober aus Oberösterreich stellt sich hinter die Betriebe. Die von ihm initiierte Online-Petition "Ausbildung statt Abschiebung" hat mehr als 51.000 Unterstützer gefunden. 340 Unternehmen haben sich der Plattform bisher angeschlossen.
Asylwerber dürfen nicht arbeiten - Ausnahme: Lehre
Aus wirtschaftlicher Sicht sei es ein "Unsinn", Asylwerber, die in einer Ausbildung stecken, abzuschieben, sagte Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. Und selbst in der ÖVP werden nun Stimmen laut, etwas gegen die Situation zu unternehmen. "Wenn er ordentlich integriert ist, Deutsch lernt und sich an die ausgemachten Werte hält, ist es nicht in Ordnung, zu sagen: Brich die Ausbildung ab und ab nach Hause", sagte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner vergangene Woche.