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"Wir wollten Ruhe im Haus"

Von Werner Reisinger

Politik

Die aktuellen Vorgänge in der IGGiÖ zeigen: Der innere Machtkampf geht weiter.


Wien. Er sei "empört" über die von der Regierung initiierten Moschee-Schließungen, ließ Ibrahim Olgun am Sonntag wissen. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) warf der Regierung - zuständig für das Kultusamt ist Kanzleramtsminister Gernot Blümel - am Sonntag via APA vor, das Ergebnis der Aktion sei "eine Schwächung der Strukturen der IGGiÖ". Aus "politischem Kalkül" heraus wolle die Regierung "die Glaubensgemeinschaft in Verruf bringen". Und: Olgun will die Vereinsstrukturen der betroffenen Moscheen prüfen, fordert eine Stellungnahme des Kultusamts, da "bis dato eine adäquate Miteinbeziehung nicht erfolgt sei".

Im Obersten Rat, quasi die Regierung der IGGiÖ, will man das nicht so recht glauben. Denn dass die betroffenen Moscheen, vier davon befinden sich in Wien, "illegal" betrieben worden seien, das sei ihm von der IGGiÖ selbst zugetragen worden, hatte Blümel auf jener Pressekonferenz am vergangenen Freitag selbst gesagt. IGGiÖ-Vizepräsident Abdi Tasdögen holte nun zum Gegenschlag aus. In einer schriftlichen Stellungnahme erhebt er schwere Vorwürfe gegen Ibrahim Olgun - und fordert dessen Rücktritt.

Streit seit Beginn der Amtszeit

In seiner Stellungnahme bestätigt Tasdögen nicht nur, dass die Infos zu den "illegal betriebenen" Moscheen aus der IGGiÖ selbst kamen, er zeichnet auch minutiös nach, wann dies geschehen ist. Bereits am 11. Mai erhielt der Oberste Rat Post vom Kultusamt. Daraus, schreibt Tasdögen, gehe hervor, dass die IGGiÖ schon am 10. August 2017 dem Kultusamt - damals war noch SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar zuständig - schriftlich die besagten Vorwürfen zur Kenntnis brachte. Das Kultusamt wollte Belege für die Vorwürfe, die IGGiÖ lieferte am 30. August 2017. "Die Regierungsmitglieder haben diese Vorgangsweise am Freitag gelobt und auf die enge Zusammenarbeit mit der IGGiÖ verwiesen", ist in Tasdögens Stellungnahme zu lesen.

Als am vergangenen Samstag der Oberste Rat zu einer dringlichen Sitzung zusammentrag, habe sich Olgun geweigert, den Schriftverkehr mit dem Kultusamt offen zu legen. Weder die Kritik am Vorgehen der Regierung noch die von der IGGiÖ angeblich beschlossenen Maßnahmen seien im Obersten Rat beschlossen worden. Die Sitzung sei einfach abgebrochen worden. "Das ist ein klarer Bruch der Statuten", sagt Tasdögen.

Olgun könnte möglicherweise eine offene Rechnung beglichen haben. Wie die "Wiener Zeitung" ausführlich berichtete, stellten sich nach dessen Wahl Mitte Juni 2017 mehrere kleinere Moscheeverbände gegen Olgun und wollten dessen Wahl anfechten. Brisant: Eine davon war die relativ kleine Arabische Glaubensgemeinschaft, eben jene, die nun von den Moschee-Schließungen betroffen ist. Olguns Antrag an die Kultusgemeinde sei eine Racheaktion, sagt Tasdögen.

Für Olgun wird es eng

Tasdögens Wunsch, dass Olgun als IGGiÖ-Präsident abtritt, ist freilich ebenfalls nicht neu. Schon rund um die Wahl Olguns, der als Erdogan-nahe gilt und aus dem größten Moscheeverband Atip (Teil des Diyanet-Netzwerks der türkischen Religionsbehörde) kommt, kam es hinter den Kulissen zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Olgun und Tasdögen. In einem internen Mail an sämtliche Mitglieder des Obersten Rates warf Tasdögen damals Olgun vor, bereits von der IGGiÖ bestellte Lehrer für muslimische Pädagogik in Krems durch ihm genehme Personen ersetzt zu haben. "Er hat den Obersten Rat immer wieder übergangen", sagt Tasdögen - er kommt aus der Österreichischen Islamischen Föderation, die der Mili Görüs-Bewegung nahesteht - heute. Aber: "Das alles ist keine Retourkutsche."

"Vor zwei Jahren waren es wir, die den Herrn Ibrahim Olgun aufgebaut haben, ihn gewählt haben." Man habe ihm eine Chance geben wollen. Und schließlich sei er es gewesen, der zusammen mit einem weiteren Ratsmitglied die dissidenten Moscheeverbände dazu gebracht habe, ihren Anfechtungsantrag zurückzuziehen. "Wir wollten Ruhe im Haus", sagt Tasdögen. Jetzt aber sei Olgun zu weit gegangen. Olguns Amtszeit könnte also schon demnächst, viel früher als geplant, zu Ende gehen. Noch vor dem Sommer soll der Schura-Rat, eine Art Parlament der IGGiÖ, zusammentreten und Olgun zur Akteneinsicht zwingen. Eines steht jedenfalls fest: Der türkische Präsident Erdogan hat nun durch die Moschee-Schließungen ein weiteres Wahlkampfthema.

Dass auch die türkische Politik beim Streit in der IGGiÖ eine Rolle spielen könnte, liegt auf der Hand: Im Wahlkampf stehen Erdogans Partei AKP und die Mili-Görüs-Partei der "Glückseligkeit" gegeneinander. Die AKP wiederum ist mit den Rechtsextremisten der MHP, auch bekannt als "Graue Wölfe", alliiert.