Wien. Der Kampf um den 12-Stunden-Tag ist noch nicht zu Ende. Die Gewerkschaft bereitet sich auf Kampfmaßnahmen vor. Der ÖGB will "mit allen uns zur Verfügung stehenden legalen Mitteln gegen den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche" vorgehen und "ab sofort" Betriebsräte-Konferenzen und Betriebsversammlungen in allen Bundesländern abhalten. Für den 30. Juni kündigte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian eine Demonstration in Wien gegen die Regierungspläne an. "Sollte der Entwurf der Regierung am 5. Juli trotzdem in dieser Form beschlossen werden, wird es weitere Aktionen geben", so die Gewerkschaft.

Während der Präsident der Industriellenvereinigung Georg Kapsch am Mittwoch neuerlich betonte, dass auch künftig in Summe nicht mehr gearbeitet werde, sehen ÖGB und Arbeiterkammer Freizeit, Geld und Gesundheit der Arbeitnehmer in Gefahr.

"Angst nicht gerechtfertigt"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat indirekt zu einer Abrüstung der Worte aufgerufen. Nach dem Treffen der österreichischen und der bayerischen Landesregierung in Linz "appellierte" der ÖVP-Obmann an Sozialpartner und Interessenvertreter, "möglichst sachlich zu agieren". Es sei weder angebracht Jubelchöre noch Angst zu verbreiten, die so nicht gerechtfertigt sei. Denn die acht Stunden Arbeit pro Tag blieben, man mache nur eine stärkere Flexibilisierung möglich.

Für Wolfgang Mazal, Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien, ist jedenfalls eines sicher: "Der generelle 12-Stunden-Tag kommt mit diesem Gesetz nicht." Das wäre ja auch EU-rechtswidrig, denn die EU-Arbeitszeitrichtlinie lässt innerhalb von 17 Wochen nur eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von maximal 48 Stunden zu. Länger dürfe auch künftig in Summe nicht gearbeitet werden.

Außerdem gibt Mazal zu bedenken, dass bestehende Kollektivverträge und auch Einzelverträge durch das neue Gesetz nicht obsolet würden. Das müssten die Sozialpartner dann neu verhandeln. Was die Freiwilligkeit betrifft, sagt der Arbeitsrechtsexperte, dass diese schon jetzt eine zweifelhafte Sache sei - er verwies etwa auf die Androhung von Änderungskündigungen. Aber auch Mazal kann sich eine Begleitregelung dazu sehr wohl vorstellen.

Umstritten ist auch, ob Arbeitnehmer mit Gleitzeitverträgen bei einer Verlängerung auf 12 Arbeitsstunden pro Tag um ihre Überstundenzuschläge umfallen. IV-Präsident Kapsch bekräftige, dass mit der Gesetzesinitiative "der Beibehaltung des gegenwärtigen Überstundenreglements bei Gleitzeit eindeutig nichts entgegensteht". Geändert werde bei der Gleitzeit somit lediglich die maximale gesetzliche Tages- und Wochenhöchstarbeitszeit. Angeordnete Überstunden würden weiterhin als solche entlohnt werden. "Das heißt, was heute schon für die 9. und 10. Stunde gilt, soll künftig erweitert bis zur 12. Stunde gelten", sagte der IV-Präsident.