Wien/Innsbruck. Was Innsbruck in den kommenden Tagen erwartet, steht paradigmatisch für die Situation der meisten EU-Mitgliedstaaten, auch im Sommer 2018, drei Jahre nach dem Jahr der großen Flüchtlingsbewegungen: Es wird wieder kontrolliert. Besser gesagt, noch immer. Seit drei Jahren kontrollieren unter anderem Deutschland und Österreich auch an den EU-Binnengrenzen, seit der Nacht auf Montag gibt es nun - aufgrund des Treffens der EU-Innenminister - am Brenner Polizeikontrollen und Lkw-Blockabfertigungen in Richtung Deutschland.

Überwacht wird aufgrund des heiklen Treffens auch aus der Luft. Das Bundesheer wird mit 26 Flugzeugen und 1100 Soldaten im Einsatz sein, über Teile Tirols wird eine Luftraumbeschränkung verhängt. In Innsbruck selbst wurden Platzverbote verhängt, am Flughafen sowie in der Innenstadt sind umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen geplant, über tausend Polizisten werden im Einsatz sein. Bis Freitag Mitternacht werden die Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen andauern. Eine passende Kulisse also für die hochbrisanten Treffen an und rund um den informellen EU-Innenministerrat.

Wo genau die Fronten im Ringen um Lösungen zu Asyl und Grenzschutz verlaufen, ist selbst für genaue Beobachter nicht mehr ganz so leicht eruierbar. Zwar einigten sich Deutschlands CSU-Innenminister Horst Seehofer und FPÖ-Innenminister Herbert Kickl vergangene Woche darauf, weiter auf eine Schließung der "Südroute", also der Route über das Mittelmeer, hinzuarbeiten. Die deutsche Koalition aus CDU, CSU und SPD brachte ebenfalls einen Kompromiss auf den Weg, der vorsieht, Asylzentren an den deutschen Südgrenzen einzurichten und Flüchtlinge wieder nach Österreich zurückzuschicken.

Domino-Effekt Richtung Italien

Herbert Kickl aber will das auf keinen Fall akzeptieren, und von einer "Vereinbarung mit Österreich", die auch im knappen Papier zum deutschen Asylkompromiss vorkommt, könne keine Rede sein. Seehofer aber habe beim Gespräch in Wien zugesichert, dass keine Flüchtlinge nach Österreich zurückgeschickt werden sollen, für die Österreich nicht zuständig sei. Am vergangenen Sonntag hob Kickl per Interview diese Zusage Seehofers nochmals hervor. Doch auch Seehofer meldet sich schon kurz nach dem Treffen mit Kickl medial zu Wort, bekräftigte in einem Interview mit dem "Spiegel" die Formulierung im Papier der deutschen Regierung, wonach Asylwerber an der Grenze zu Österreich abgewiesen werden sollen. "Es wäre keine gute Strategie, darauf zu setzen, dass es keine bilateralen Vereinbarungen gibt. Dann müssten wir darauf zurückgreifen, direkt an der Grenze abzuweisen", sagte Seehofer. Kickls Reaktion darauf deutet an, wohin die Reise gehen könnte: Man werde ebenfalls an der Südgrenze kontrollieren, dadurch werde nicht nur Österreich, sondern auch Deutschland entlastet. "Wir geben den Druck weiter, bis wir irgendwann dort sind, wo die Problematik hingehört: an die Außengrenze der Union."