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Von Bundes- und Landessachen

Von Martina Madner

Politik
© Adobe Stock/Wild Orchid

Die Begutachtung zum Verfassungsgesetz bringt Kritik von der Jugendfürsorge.


Wien. Justizminister Josef Moser (ÖVP) will mit der Reform "Doppelgleisigkeiten", "Blockademöglichkeiten" und die "derzeit zersplitterte Kompetenzverteilung" zwischen Bund und Ländern entwirren. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter freute sich, dass ein Teil der österreichischen Verfassung "schon bald Rechtsgeschichte" sein werde.

Es geht um Artikel 12 der Bundesverfassung, die geplante Novelle derselben, deren Begutachtung am Montag endete - und die Kritik jener, die von den vergleichsweise kleinen Änderungen im Gesetz bereits betroffen sind.

Diskussion über Artikel 12 bleibt vorerst ungelöst

Im Artikel 12 heißt es: "Bundessache ist die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung." Das bedeutet, dass sowohl Bund als auch Länder jeweils für Teile ein und derselben Gesetzesmaterie zuständig sind, was in der Praxis zu Unklarheiten führen kann, wer genau worüber zu bestimmen hat.

Im Mai hatte sich Moser bei der Landeshauptleutekonferenz mit den Spitzen der Bundesländer eigentlich darauf geeinigt, Artikel 12 abzuschaffen und klarere Grenzen zwischen den Kompetenzen von Bund und Ländern zu ziehen. Eigentlich, weil der Wortlaut im Entwurf der aktuellen Novelle nach wie vor genau so enthalten ist.

Der Grund dafür ist, dass Bund und Länder drei Punkte noch bis Ende 2018 in Arbeitsgruppen verhandeln wollen: Auf den genannten Satz folgt also in der Sprache von anno dazumal, dass er in folgenden Angelegenheiten weiterhin gilt: dem "Armenwesen", zu dem die Mindestsicherung gehört, den "Heil- und Pflegeanstalten", also den Krankenhäusern und dem "Elektrizitätswesen".

Gestrichen wurde dagegen die Bevölkerungspolitik, für die laut Artikel 10 künftig der Bund zuständig ist. Ebenfalls nicht mehr genannt werden "Volkspflegestätten", Anforderungen für Kurorte und -einrichtungen, aber und auch die "Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge".

Kritische Stimmender Jugendvertreter

Für diese Angelegenheiten, also auch die Jugendfürsorge, sind künftig offenbar die Bundesländer zuständig, was Anlass für kritische Stellungnahmen von Vertretern, die in diesem Bereich arbeiten, ist. So zum Beispiel die Bundesjugendvertretung, die von Auswirkungen auf hochsensible Lebensbereiche wie Erziehungshilfen, Gewaltschutz oder Fremdunterbringung, ausgeht und sagt: "Es ist zudem eine Nivellierung nach unten zu befürchten."

Für das Beibehalten von bundeseinheitlichen Standards argumentieren auch das Netzwerk Kinderrechte, die Kinderschutzzentren, der Familienbund und andere mehr. "Sie werden keinen, der in dem Bereich arbeitet, finden, der nicht für ein Bundesgesetz ist", sagt zum Beispiel Andrea Holz-Dahrenstaedt, die als Salzburger Vertreterin für die Österreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaften spricht.

Es sei außerdem der falsche Zeitpunkt, das Bundesgesetz zur Kinder- und Jugendhilfe von 2013 werde noch bis Herbst evaluiert, habe auch laut Bundespolitik Verbesserungen gebracht: "Das klingt für mich nach einem Abtausch zwischen Bund und Ländern, wo man die Auswirkungen auf eine sensible Materie möglicherweise gar nicht mitbedacht hat", sagt Holz-Dahrenstaedt.

Die Vorarlberger Landesregierung beruhigt, in deren Stellungnahme wird eine 15a-Vereinbarung oder auch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe für diese Materie angeregt. "Unbestritten ist, dass Mindeststandards im genannten Kompetenzbereich der Kinder- und Jugendhilfe unerlässlich sind", heißt es außerdem zu dieser Frage.

Kleiner, aberbedeutender Schritt

Ein anderer Abtausch, den die Novelle vorsieht, wird von Verfassungsrechtlern durchaus befürwortet. Für Bezirksgerichte ist künftig der Bund zuständig, was für Heinz Mayer "große Bedeutung hat, weil die Länder bisher die Gerichtsorganisation blockieren konnten". Auch das manche Gesetze künftig nicht mehr die Zustimmung von Bund bzw. Ländern benötigen, sondern ohne Einspruch nach einer Frist in Kraft treten, sei "vernünftig".

Aber ist es die angekündigte große Reform? "Eher ein kleiner, wenn auch nicht unbedeutender Schritt", sagt Mayer. Noch deutlicher wird Verfassungsrechtler Theo Öhlinger: "Minimalprobleme wurden zwar damit gelöst, das ist positiv. Eine Leitlinie, die für die Zentralisierung der Gesetzgebung beim Bund, und die Konzentration der Verwaltung bei den Ländern sorgt, fehlt aber. Das hätte das Hickhack zwischen Bund und Ländern beenden können."