Wien/Bozen. (rei) Das von der FPÖ ausgehende Regierungsvorhaben, die Südtiroler mit österreichischen Zweitpässen auszustatten, sorgt zwischen Österreich und Italien erneut für gehörige Mißtöne. Am vergangenen Wochenende war in der "Tiroler Tageszeitung" zu lesen, die Regierung beabsichtige, einen entsprechenden Gesetzesentwurf bereits bis 7. September zu finalisieren. In Rom reagierte man umgehend und mit scharfen Worten auf den Bericht: Die Frage der Doppelstaatsbürgerschaft sei von "allen Problemen Europas das letzte Problem, das man aufwerfen hätte sollen", sagte am Montag Italiens Außenminister Enzo Moavero zur italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Das Ansinnen der österreichischen Regierung sei eine "sonderbare Initiative".
In Wien ist man nun bemüht, das Vorhaben möglichst zu verschieben. Möglich wäre die De-facto-Staatsbürgerschaft für Südtiroler ohnehin frühestens erst ab 2019, hielt Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal am Montag fest. Er stellte den Termin 7. September in Abrede. Dass man hinter den Kulissen an einem Entwurf arbeite, dementierten aber weder Launsky-Tieffenthal noch FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl. Letztere legt aber größten Wert darauf zu betonen, dass die Arbeit in enger Abstimmung mit Rom und Bozen geschehe. "Wir sind hier in permanentem Dialog", sagte Kneissl am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal". Die Abneigung der Italiener gegen die Pläne ist bei dem Vorhaben allerdings nur eine der Hürden.
Für Arno Kopatscher, Südtirols SVP-Landeshauptmann und damit Parteifreund von Bundeskanzler Sebastian Kurz, ist nämlich vor allem die Frage zentral, wer in Südtirol eigentlich anspruchsberechtigt für einen österreichischen Pass wäre. Dass sei nämlich keineswegs einfach, sagte Kompatscher am Dienstag.
Schutzfunktion Österreichs
Aktuell laufe alles darauf hinaus, dass all jene Personengruppen, für die die Schutzfunktion Österreichs im Sinne des Pariser Vertrages (Gruber-De-Gasperi-Abkommen 1946 zwischen Italien und Österreich) gilt, die Möglichkeit bekommen, neben der italienischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Dies betreffe vor allem die deutschsprachige sowie die ladinische Minderheit in Südtirol. Die italienischsprachigen Südtiroler wären somit ausgenommen. Nach wie vor aber sei eine Entscheidung ausständig, so Kompatscher, der für die Empörung in Rom die Bundesregierung und ihre Vorgangsweise verantwortlich sieht. Im Gesetz sieht er eher einen "symbolischen" Ausdruck der Verbundenheit der dann Anspruchsberechtigten mit Österreich, keineswegs gehe es um eine Ausweitung der Schutzrolle Österreichs oder gar um eine Veränderung des Autonomiestatus.
"Innerstaatliches Recht"
Mit Italien sieht Kompatscher allerdings trotz der Mißtöne eine prinzipielle Verhandlungsmöglichkeit. Vor allem die populistische Fünf-Sterne-Bewegung drängt aber in Rom darauf, das Vorhaben der Österreicher zu vereiteln. Sollte das Gesetz dennoch kommen, würden jene, die einen österreichischen Pass annehmen, die italienische Staatsbürgerschaft verlieren, so deren Chefin Giorgia Meloni.
Fraglich ist indes, ob es in Südtirol überhaupt Bedarf an der Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft gibt. Repräsentative Umfragen dazu liegen aktuell noch nicht vor. Eine Notwendigkeit, die Südtiroler zu fragen, ob sie mit der bisherigen Regelung zufrieden sind oder den österreichischen Vorstoß begrüßen würden, sieht Kompatscher nicht: Schließlich handle es sich um "innerstaatliches Recht in Österreich".