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Anstoß zur Briefwahlreform

Von Brigitte Pechar

Politik

Nationalratspräsident lädt zum Gedankenaustausch. Villacher Bürgermeister tritt nicht zurück.


Wien. Bürgermeister stehen sehr oft mit einem Bein im Kriminal und sehen sich vor allem immer öfter mit Haftungsklagen konfrontiert. Am Donnerstag ist der Villacher Bürgermeister Günther Albel (SPÖ) am Landesgericht Klagenfurt wegen Falschbeurkundung zu einer Geldstrafe von 14.000 Euro verurteilt worden. Das maximale Strafmaß dafür liegt bei Freiheitsentzug von drei Jahren. Im Prozess ging es um die Fehler, die bei der Auszählung der Bundespräsidentschafts-Stichwahl 2016 gemacht worden waren. Die Wahlkarten wurden zu früh - telweise nicht einmal im Beisein der Wahlbeisitzer - ausgezählt.

Der Villacher Bürgermeister wird nach seiner Verurteilung wegen falscher Beurkundung im Amt nicht zurücktreten. Das sagte er am Freitag der APA. Albel berief sich darauf, dass nicht Villach allein für die Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl durch den Verfassungsgerichtshof verantwortlich gewesen sei. Insgesamt hatte der VfGH 2016 Fehler in 14 Bezirkswahlbehörden - von 113 - beanstandet.

Gemeindebundpräsident sieht keinen Rücktrittsgrund

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser erklärte, Albel habe Fehler eingestanden und die Strafe akzeptiert. Damit sei er seiner Verantwortung nachgekommen. Keinen Grund für einen Rücktritt des Villacher Bürgermeisters sieht auch Gemeindebundpräsident Alfred Riedl (ÖVP) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das Urteil sei richtig und notwendig gewesen, bekannte Riedl. Denn das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Wahl sei das Maß einer Demokratie. Der Bürgermeister müsse sich nun ohnehin einer lokalen Diskussion stellen.

Aber für die Zukunft wünscht sich der Präsident des Gemeindebundes und Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Grafenwörth, dass Wahlkarten noch am Wahltag ausgezählt werden.

Derzeit dürfen Wahlkarten erst am Montag nach einer Wahl ab 9 Uhr ausgewertet werden, bei Nationalratswahlen gibt es sogar noch am darauffolgenden Donnerstag eine Auszählrunde, weil regionalwahlkreisfremde Wahlkarten an die Landeswahlbehörde geschickt werden müssen.

Die sofortige Auswertung steht so auch als Vorsatz in der Regierungsvereinbarung von ÖVP und FPÖ. Briefwahlstimmen sollen demnach künftig zusammen mit den Urnenstimmen der jeweiligen Gemeinde am Wahltag ausgezählt und nicht mehr gesondert behandelt werden. Das hat die unabhängige NGO wahlbeobachtung.org bereits 2016 empfohlen und mit Verfassungssprechern im Parlament diskutiert.

Die NGO, in der international erfahrene Wahlbeobachter vertreten sind, wünscht sich allerdings auch, dass die Briefwahl künftig ausschließlich per Post oder Abgabe im "eigenen" Wahllokal ausgeübt wird. "Die Abgabe der Briefwahlkarte in einem "fremden" Wahllokal sollte nicht mehr zur Anwendung kommen, um ein möglichst korrektes Wahlergebnis am Wahlabend zu gewährleisten und die Anonymität des Wählers zu wahren", schrieben Vertreter von wahlbeobachtung.org erst jüngst in einem Gastkommentar der "Wiener Zeitung". In der Regierungsvereinbarung sei allerdings ausdrücklich die Fortführung der gängigen Praxis festgeschrieben, was wiederum ein verspätetes Wahlergebnis, eine verspätete Zuordnung der Briefwahlstimmen zur jeweiligen Gemeinde und damit ein unpräzises, vorläufiges Wahlergebnis am Wahlabend zur Folge haben würde.

Sobotka lädt zu Anstoßveranstaltung

Die Nationalratsklubs haben über eine Wahlrechtsreform bereits vor der vergangenen Nationalratswahl beraten, die Neuwahl hat diesen Debatten aber ein Ende gesetzt. Wolfgang Sobotka (ÖVP), der als damaliger Innenminister federführend für eine Wahlrechtsreform verantwortlich war, will nun als Nationalratspräsident einen Anstoß dazu geben.

Er hat bereits Vertreter der OSZE und der Organisation wahlbeoabchtung.org sowie die Verfassungssprecher der Parteien und Wahlrechtsexperten des Innenministeriums zu einem Anstoßtreffen am 13. September eingeladen. Damit wolle man einen "breiten, intensiven und strukturierten Diskussionsprozess anstoßen", sagte ein Sprecher des Nationalratspräsidenten.

Das könnte möglicherweise sogar im kommenden Jahr in einer parlamentarischen Enquete münden.