Zum Hauptinhalt springen

"Plastiksackerl und Boxen"

Von Werner Reisinger

Politik

Zweiter U-Ausschuss-Tag: Erneut schwere Vorwürfe an Staatsanwaltschaft und Polizei.


Der Ablauf der Hausdurchsuchung am 28. Februar, die Frage der Möglichkeit von "Fernlöschungen" von Daten auf den BVT-Servern sowie die Rolle besonders eines der vom Innenministerium "vermittelten" Zeugen aus dem BVT standen bei der Befragung der zweiten Auskunftsperson am Dienstag im Fokus.

Wie auch der gestern befragte N. B. ist Herr R. B. in der BVT IT-Abteilung tätig. Er besteht zu Beginn der Befragung auf einem Eingangsstatement. Jahrelang habe er als Polizist "im Außendienst in einem Wiener Schwerpunktbezirk" gearbeitet, dort "Dinge gesehen und erlebt, die Sie nicht sehen wollen", und doch habe er "am 28. Februar zur Kenntnis nehmen müssen, dass es in unserem Rechtsstaat Dinge gibt", die er sich bisher nicht vorstellen habe können.

Mehrmals weist B. in der Befragung auf die aus seiner Sicht unverständliche Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft bei der Veranlassung der Razzia hin. "Aussagen eines Zeugen" – es geht dabei wie schon am Dienstag um Herrn H., einem ehemaligen Kollegen der BVT-IT-Mitarbeiter – seien "ungefiltert und ungeprüft übernommen" worden, und auf deren Basis seien dann die Hausdurchsuchungen veranlasst worden. Rechtswidriger Weise, wie B. in Anspielung auf das Urteil des Oberlandesgerichts mehrfach betonte.

"Ein gewisser Neidkomplex"

Wie auch sein Kollege am Dienstag antwortet R. B. auf die Frage, wieso H. unter den acht Abteilungskollegen mit den gleichen Zugriffsberechtigungen genau ihn und zwei weitere Kollegen bei der Staatsanwaltschaft genannt haben soll. Nur eine Vermutung habe er, keine Erklärung. "Sie können sich äußern, müssen aber nicht", gibt der Verfahrensrichter zu bedenken. "Dieser Kollege ist eine etwas schwierige Persönlichkeit. Ich nehme an, dass bezüglich des Kollegen, wo dann die Hausdurchsuchung durchgeführt wurde, ein gewisser Neidkomplex da war. Dass er dachte, dass diese Personen bessergestellt waren", so B. wörtlich.

Es sei "eine Fahrlässigkeit" der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), dass "hier nicht nachgeforscht und ermittelt wurde".

Wie berichtet, ist Herr H. einer jener Zeugen, die von Herbert Kickls Kabinettsmitarbeiter Udo Lett an die WKStA "vermittelt" worden sind.

Das Verhalten der EGS-Polizisten während der Durchsuchung seines Büros stellt B., etwas anders als sein Kollege, nicht als unverhältnismäßig dar. Dafür betont er umso stärker, den Beamten und der Staatsanwältin Ursula Schmudermayer seine Kooperation angeboten zu haben. Er habe diese gefragt, welche Daten genau gesucht würden – ohne Erfolg. Es sei der Eindruck entstanden, dass die WKStA möglichst viele Datenträger sichern und mitnehmen wollte, um "darauf dann vielleicht Zufallstreffer" zu finden.

Eine genaue Schilderung lieferte B. auch vom offensichtlich geplanten Versuch, die gesamte Serverlandschaft der BVT-Zentrale am Rennweg abzubauen. "Das hätte bedeutet, 50 Server-Rechner mittels einer Spezialfirma abzubauen, zu transportieren und wiederaufzubauen – Denkunmöglich", sagt B. Erklärungen diesbezüglich hätten die IT-Experten der WKStA in den Wind geschlagen, und den Plan erst fallen gelassen, als sie den Serverraum betraten – und die Dimension der Anlagen realisiert hatten.

Er habe noch immer den Eindruck, dass von der WKStA "hier nichts vorbereitet wurde", und das obwohl man mit H. einen Zeugen bei der Hand gehabt habe, der Kenntnisse über den Aufbau der Serverlandschaft gehabt habe, sagt B.

Auch stellt B.in den Raum, dass im Zuge der Razzia möglicherweise die Telefonanlage der BVT-Zentrale manipuliert wurde. "Vielleicht bin ich schon paranoid, aber uns ist aufgefallen, dass wir am Tag nach der Hausdurchsuchung von unseren Klappen im Büro unsere Diensthandys nicht mehr angerufen werden konnten", sagt B. Er könne sich nur erinnern, dass Staatsanwältin Schmudermayer von einem seiner Kollegen die Zutrittskarte zur Telefonanlage, die ebenfalls im Serverraum

Gefahr in Verzug?

Nach wie vor nicht geklärt ist die Frage der vermuteten Möglichkeit, Daten auf BVT-Servern aus der Ferne zu löschen. Wurde während der Razzia versucht, Remote-Zugriffe auf die Datensysteme des BVT zu unterbinden? "Wenn mir jemand den Begriff der Fernlöschung definieren würde, von dem hier immer gesprochen wird, dann könnte ich antworten", so der IT-Techniker.

Mehrmals betont B. jedoch, dass "jede Handlung" in den BVT-Systemen automatisch mitprotokolliert wird, auch, wenn nur Dokumente gelesen werden. Die "Historisierung" bedeute auch, dass im Falle einer Änderung an einem Dokument auch die alte Version gespeichert würde, sowie wer wann die Änderungen vorgenommen hat, erklärt B.

Er habe während der Durchsuchung jenes Datensystem, aus dem diese Zugriffs-Geschichte auslesbar ist, nicht herausgeben wollen, sagt B. Aufgrund des Drucks der Staatsanwaltschaft habe er dann aber nachgegeben.

B.s Aussagen stehen hier teilweise im Widerspruch zu jenen seines Kollegen, der am Dienstag befragt wurde. "Ein Systemadmin hat die Möglichkeit auf alle Daten zuzugreifen, ein Nutzer nur auf seine Daten. Der Zugriff wird mitprotokolliert, nicht aber jeder Klick, wenn ich was lese", sagte der Befragte, ebenfalls IT-Techniker im BVT, gestern.

Schleppende Befragung 

Eher schleppend verläuft im Anschluss die Befragung der letzten am Mittwoch geladenen Auskunftsperson, B. P. Er ist Beschuldigter im Verfahren der WKStA und leitete bis zu seiner Entlassung das Spionage-Referat im BVT. Nun stehe er vor dem Existenzminimum, sagt P., der in seinem ausführlichen Eingangsstatement dem Ausschuss wie auch den Medien seinen Dank aussprach, die Causa BVT aufklären zu wollen.
Nach seiner - ausführlichen - Schilderung der Durchsuchung seines Privathauses am 28. Februar wird die Sitzung aber mehrmals unterbrochen, auch, um das Prozedere der Vorlage von Dokumenten zu klären. "Ich möchte mich bitte kurz mit meiner Vertrauensperson beraten", begehrt P. mehrmals.

Dann legt Peter Pilz einen seinen Angaben nach in seinem Privatbesitz befindlichen Teil des Strafakts gegen B. P. vor. Darin enthalten: Ein Brief des Beschuldigen von 2009, in dem er den damaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, als seinen "Bundesbruder" bezeichnet und ihm anbietet, "jederzeit für authentische Informationen abseits der formellen Kanäle" zur Verfügung stehen zu wollen. "Ist dieser Brief von Ihnen", fragt Pilz später. "Ja, der ist von mir", sagt B. P. Zum Zeitpunkt des Briefes war er seit zweieinhalb Jahren im BVT tätig. Auch heute ist er noch "stolz darauf", dem Cartellverband anzugehören.
Bei Nachfragen dazu entschlägt sich B. P. der Aussage mit Hinweis auf seinen Status als Beschuldigter im WKStA-Verfahren.