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Schule wird digital

Von Petra Tempfer

Politik

Der "Masterplan Digitalisierung" für das Bildungswesen wurde beschlossen. Nicht alle Bildungsexperten sind begeistert.


Wien. Stick statt Schultasche und interaktives Whiteboard statt Schultafel - Bücherschleppen und kreideverstaubte Tafelschwämme gehören vermutlich bald der Vergangenheit an: Am Mittwoch hat der Ministerrat den "Masterplan Digitalisierung" für das Bildungswesen beschlossen. Dieser soll bis Sommersemester 2019 fertig sein und den derzeit laufenden Einzelinitiativen und Projekten diverser Schulen einen einheitlichen Rahmen geben. Die Kernpunkte sind laut Ministerratsvortrag moderne Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien, eine bessere Infrastruktur wie schnelles Internet an allen Schulen sowie eine verstärkte Aus- und Weiterbildung der Lehrer.

Der Masterplan tritt an die Stelle von Initiativen wie der im Vorjahr unter Ex-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) gestarteten Digitalisierungsstrategie. Diese setzte auf ähnliche Themen und hatte zur Folge, dass heuer die verbindliche Übung "Digitale Grundbildung" für Schüler an den NMS und AHS-Unterstufen flächendeckend umgesetzt wird. Die verbindliche Übung wird mit einem Ausmaß von zwei bis vier Wochenstunden (über die gesamten vier Jahre gerechnet) eingeführt. Auf dem Stundenplan stehen dabei Office-Anwendungen, Informations-, Daten- und Medienkompetenz oder Computational Thinking.

Nur die Hälfte der Schulen hat WLAN in allen Räumen

Aktuell führen laut Bildungsministerium lediglich 5,9 Prozent der Neuen Mittelschulen (NMS), 6,4 Prozent der Allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und 14,6 Prozent der Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) Klassen mit schülereigenen Geräten wie Notebooks oder Tablets. An rund zwei Drittel dieser Schulen wird mit diesen Geräten bei Bedarf im Unterricht gearbeitet. Nur etwa die Hälfte verfügt über WLAN in allen Unterrichts- und Aufenthaltsräumen. Ein pädagogisches Konzept für den unterstützenden Einsatz digitaler Technologie im Unterricht haben 65,5 Prozent der NMS, 58,8 Prozent der AHS und 50 Prozent der BHS.

Zuerst digitale Kompetenzen bei Lehrern schaffen

Das soll sich nun gravierend ändern. "Wir müssen auch in der Schule ins digitale Zeitalter einsteigen und einen Plan erstellen, wie wir digitale Inhalte mit traditionellen Kulturtechniken verknüpfen", sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP). Und: "Digitalisierung ist weder reines Schreckgespenst noch reiner Hoffnungsträger, es kommt darauf an, was wir daraus machen."

Was konkret daraus gemacht werden soll, ist laut Bildungsministerium freilich "noch nicht abschließend geklärt". Ungefähre Ziele haben Faßmann und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aber schon im Zuge ihrer Asien-Reise in der Vorwoche präsentiert. Am wichtigsten ist laut Faßmann, digitale Kompetenzen bei Lehrern zu schaffen - sonst nütze auch ein Masterplan nichts. Weiters müsse man die Schulen flächendeckend mit schnellem Internet und Tablets, Laptops oder digitalen Tafeln versorgen, also digitale Klassenzimmer schaffen. Und schließlich müssten die Inhalte in Form von Lehr- und Lernsoftware digitalisiert werden. In diesem Zusammenhang müsse man sich auch die Lehrpläne anschauen, einiges streichen, anderes hinzufügen.

Das alles kostet freilich Geld. Wie viel, das kann man laut Bildungsministerium zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Kurz verwies darauf, dass der Finanzminister informiert sei. Am aufwendigsten sei jedenfalls die Schaffung der Netzanbindung, wobei sich Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) zuversichtlich zeigte, den Ausbau des schnellen Internets voranzutreiben. Die Ausstattung der Klassen kostet laut Kurz zwar auch Geld, aber weniger.

Bleibt noch die Frage, wer die Tablets oder Laptops der Schüler bezahlt. Eine für Eltern nicht unwesentliche Frage, sollen es doch möglichst einheitliche Geräte sein, damit der Unterricht nicht zum Chaos wird. Will man dem technischen Fortschritt gerecht werden, muss man womöglich im Laufe der Schulkarriere zwei oder drei Geräte kaufen - hat man mehrere Kinder im schulpflichtigen Alter, summieren sich die Kosten.

Bei den Endgeräten für Schüler gebe es verschiedene Möglichkeiten und Modelle, mit und ohne Einbindung der Eltern, heißt es dazu aus dem Bildungsministerium. Für Details sei es aber noch zu früh, diese zu erarbeiten sei ebenfalls Ziel des Masterplans.

Bildungsexpertin Heidi Schrodt hält "nicht viel davon, dass jetzt viel in neue Tablets investiert wird", sagt sie zur "Wiener Zeitung". Denn das Geld sei knapp, und andere Themen wie Integrationsmaßnahmen hätten Priorität. Jene Schüler, die bereits ein Tablet besitzen, sollen dieses daher in der Schule benutzen dürfen, und jenen, die noch keines haben, soll die Schule eines für die Schulbesuch-Dauer zur Verfügung stellen. Ein ähnliches Modell habe Schrodt in einer Schule in Schweden erlebt, und es habe gut funktioniert.

"Der digitale Unterricht verbessert Schule nicht"

Die Digitalisierung im Bildungswesen an sich hält die ehemalige Direktorin der AHS Rahlgasse für wichtig, daran komme man ohnehin nicht vorbei, sagt sie. Kommt man schon, kontert Bildungsexperte Stefan Hopmann, der diese für nicht notwendig hält. "Forschungsergebnisse zeigen, dass der digitale Unterricht Schule nicht verbessert", sagt er. Die OECD kam im Rahmen einer Pisa-Zusatz-Auswertung zu dem Schluss, dass die Verfügbarkeit entsprechender Geräte nicht automatisch zu besseren Lernergebnissen führt.

Aufgabe der Schule sei zwar sehr wohl, die Schüler auf die Herausforderungen des digitalen Lebens vorzubereiten, indem man ihnen etwa die Gefahren der unsortierten Internetnutzung aufzeigt - "aber nicht, indem die Schule selber digital wird", so Hopmann. Früher wie heute gehe es beim Unterricht auch darum, soziale Kompetenzen zu erlernen. Die Digitalisierung sei dabei sogar ein Schritt zurück: Durch sie seien die Schüler mehr aufs Internet fokussiert und weniger auf das gemeinschaftliche Arbeiten.