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Die Konsequenzen einer Anzeige

Von Jan Michael Marchart

Politik
© Illustration: Adobe Stock/Pict Rider

Dass die FPÖ den falschen "Musterlehrling" kriminalisiert hat, könnte nun zu einem rechtlichen Bumerang werden.


Wien. Gegen den afghanischen Flüchtling E. H. wird vom Verfassungsschutz ermittelt. Zumindest wurde am Mittwoch noch ermittelt. Die Freiheitlichen haben den Lehrling einer großen Supermarktkette aus Oberösterreich als mutmaßlichen Terrorsympathisanten angezeigt. Sie beziehen sich dabei auf "Gefällt mir"-Angaben auf Facebook. Am Mittwoch wurde E. H. von den Behörden befragt. Die "Wiener Zeitung" deckte am Dienstag aber bereits auf, dass die FPÖ den falschen "Musterlehrling" verdächtigt. Das könnte nun auch rechtliche Konsequenzen haben.

Der Fall ist bei der Staatsanwaltschaft Wels anhängig. Details über das laufende Verfahren will man dort keine nennen, zu hören ist aber, dass es zeitnah abgeschlossen sein soll.

Zur Vorgeschichte: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte Mitte August den von Abschiebung bedrohten Lehrling öffentlichkeitswirksam besucht. Dies wurde auch auf der Facebook-Seite des oberösterreichischen Landesrates Rudi Anschober von den Grünen mit mehreren Fotos dokumentiert. Im Text dazu ist der Vorname des Lehrlings angegeben, auf einem der Fotos jedoch, auf dem der Jugendliche zu sehen ist, war dieser mit einem anderen Facebook-Profil verlinkt. Auf diesem Profil war schnell ersichtlich, dass es sich um eine völlig andere Person handelt, die außerdem angibt, in Wien zu leben. Auf diese Person bezieht sich die FPÖ aber.

Dubioser Account offline

Der geschäftsführende Klubobmann der FPÖ, Johann Gudenus, gibt sich nach den Recherchen der "Wiener Zeitung" zurückhaltend. Er hat die Anzeige samt "Beweisen" beim Verfassungsschutz eingebracht. In seiner Aussendung vom Mittwoch kommt nur zu Beginn der sogenannte "Asyllehrling" vor. Die FPÖ ist sich selbst nicht mehr sicher, ob sie die richtige Person im Visier hat.

Allerdings gibt die FPÖ Anschober die alleinige Schuld an der Affäre. Der Landesrat sei für seinen Facebook-Auftritt verantwortlich und daher auch dafür, wenn sich Terror-Sympathisanten auf seiner Seite verlinken oder sich als andere Personen auf dem Bild ausgeben. Der fragliche Facebook-Nutzer hatte sich jedenfalls selbst auf dem Foto markiert, unklar ist aber, weshalb. Der Account war am Mittwoch offline.

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky ging noch weiter. Falls es sich wirklich nicht um die gleiche Person handle, müsse sich Anschober bei E. H. entschuldigen, da er ihn mit einem "Terror-Liker" in Verbindung gebracht habe, schrieb Vilimsky in einer Partei-Aussendung.

Üble Nachrede

Aber kann die FPÖ Anschober so einfach verantwortlich machen? Immerhin wurde der afghanische Lehrling tagelang von der FPÖ, mit Gudenus an vorderster Front, in die Öffentlichkeit gezerrt, die "Kronenzeitung" hatte ausführlich berichtet - mit vollem Vornamen und dem ersten Buchstaben des Nachnamens. Das echte Facebook-Profil des Jugendlichen war innerhalb weniger Sekunden zu finden, zumal dort auch der Arbeitgeber, eine Supermarktkette, vermerkt war.

Die Medienanwältin Maria Windhager sieht im Lehrling den Hauptgeschädigten. Dass die FPÖ das beim Verfassungsschutz anzeigt, dagegen könne man nichts machen, selbst wenn die Partei bei der Recherche nachlässig war. "Da ist die Judikatur nicht so streng", sagt Windhager. "Aber wenn die FPÖ das medial ausschlachtet, dann hat E. H. persönlichkeitsrechtliche Ansprüche."

Mehrere Juristen meinen, dass der Lehrling auf "üble Nachrede" klagen oder eine Unterlassungsklage einbringen kann. Und zwar, wenn nachgewiesen werden kann, dass die FPÖ bewusst lanciert hat, dass es sich bei E. H. um einen mutmaßlichen Straftäter handelt. Die Unterlassungsklage hätte den Vorteil, dass das Verschulden der FPÖ nicht nachgewiesen werden muss, also das Argument nicht zählt, dass die Partei sich in der Person geirrt hat. Auch medienrechtlich habe E. H. gute Chancen auf eine Richtigstellung. Immerhin müssen auch Medien prüfen, was sie von Informanten gesteckt bekommen.

Muss man seine User kennen?

Bei Integrationslandesrat Rudi Anschober sei es kniffliger. Wie weit er eine Sorgfaltspflicht womöglich verletzt hat, ist fraglich. Anschober hat den Account, den die FPÖ verdächtigt, nachweislich nicht auf den Bildern mit dem afghanischen "Musterlehrling" markiert. Das war die Person selbst. Die Funktion, Fotos mit Profilen zu markieren ("taggen"), ist auf Anschobers Seite für alle Nutzer freigegeben. "Wenn das so ist, kann er in keiner Form dafür zur Verantwortung gezogen werden", sagt Windhager.

Die Frage sei, ob Anschober der problematische Account hätte auffallen müssen. Windhager ist skeptisch, da die normale Haftung bei der Löschung, etwa von Kommentaren, auf der Kenntnis über die Inhalte beruht. Juristen sind sich einig darüber, dass hier eine Prüfpflicht auszuschließen ist, da man sonst jeden Account, der auf einem öffentlichen Profil etwas postet oder sich auf einem Foto markiert, auf problematische Inhalte durchforsten müsste. Der Vorwurf, dass Anschober für die Markierung verantwortlich sei, sei laut Windhager "fast schon kreditschädigend".