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Rechtliche Wende in der Causa "Musterlehrling"

Von Jan Michael Marchart

Politik
Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Ehefrau Doris Schmidauer und Lehrling E. H.
© Karlovits/HBF

Landesrat Anschober prüft rechtliche Schritte gegen die FPÖ. Ansprüche gibt es zahlreiche.


Wien/Linz. Zunächst war E. H. ein afghanischer "Musterlehrling" aus Oberösterreich, dann wurde er vom Wiener FPÖ-Chef Johann Gudenus beschuldigt, ein Terrorsympathisant zu sein, die "Kronen Zeitung" berichtete groß darüber. Die FPÖ erstattete auch Anzeige. Es stellte sich aber nach Recherchen der "Wiener Zeitung" heraus, dass die Partei und Boulevardpresse die falsche Person an die Öffentlichkeit gezerrt hatten. Am Donnerstag bestätigte das auch die Staatsanwaltschaft.

Gudenus findet dies zwar "bedauerlich", ansonsten sei für ihn die Sache erledigt. Die Freiheitlichen denken vorerst nicht daran, sich bei E. H. zu entschuldigen. Die "Kronen Zeitung" nahm die große Aufmacher-Geschichte "Musterlehrling jetzt Fall für den Verfassungsschutz", die online hundertausende Leser erreicht hatte, inzwischen zwar vom Netz, in der auflagenstärksten Tageszeitung des Landes wurde die Richtigstellung der Staatsanwaltschaft jedoch kleinstmöglich in einer Meldung über einen Wiener "Rosenkrieg" versteckt.

Konsequenzen gefordert

Der Fall ist damit aber noch nicht erledigt. Dieser dürfte für die Freiheitlichen, aber auch für die "Kronen Zeitung" ein juristisches Nachspiel haben. Darauf wies die "Wiener Zeitung" bereits im Vorfeld hin.

Nun, da die Causa um E. H von der Staatsanwaltschaft geklärt ist, lässt der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober alle juristischen Möglichkeiten prüfen und will Gudenus klagen. "Jetzt müssen Konsequenzen her", sagt Anschober. Sonst werde das zur Normalität, dass wehrlose Menschen öffentlich verdächtigt werden, "das kann Existenzen zerstören".

Anschober hat Medienanwältin Maria Windhager gebeten, alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, wie sich der zu Unrecht beschuldigte E. H. nun wehren könne. Das Problematische an der Causa sei laut Windhager nicht die Anzeige per se, sondern die Veröffentlichung des Vorwurfes in diversen Medien. Das betrifft sowohl Zeitungsberichte, Presseaussendungen der FPÖ sowie die Facebook-Seiten freiheitlicher Politiker. Bis jetzt hat Gudenus jenen Eintrag nicht von seiner Facebook-Seite entfernt, in dem er behauptet, dass E. H. "der Terrororganisation Hisbollah huldigt". Gespickt war der Eintrag zudem mit Fotos der "Krone"-Artikel über die Causa.

E. H. hat sechs Monate Zeit, seine Ansprüche geltend zu machen, davon gebe es zahlreiche, so Windhager. Sie spricht von übler Nachrede, Verletzung des Identitätsschutzes, allenfalls von einer Verletzung der Unschuldsvermutung, wenn nicht im Konjunktiv über die Vorwürfe berichtet wurde. Parallel dazu können Ansprüche wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung geltend gemacht werden.

Auch wenn die "Kronen Zeitung" eine Entschuldigung bringen würde, so Windhager, würde sie das nicht von der Pflicht befreien, eine Entschädigung zu leisten. "Die erlittene Kränkung ist erfolgt, das kann nicht zur Gänze gutgemacht werden, auch nicht durch eine nachfolgende Veröffentlichung", sagt Windhager. "Die Entschädigung fällt trotzdem an." Windhager schätzt, dass E. H. Anspruch auf einen zumindest vierstelligen Betrag habe. Weiter ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen jene Person, die sich auf der Facebook-Seite des Landesrats Anschobers als E. H. ausgab. Außerdem wird geprüft, ob es sich bei der "Liwa Fatemiyoun" wirklich um eine Terrororganisation handelt. Wie die "Wiener Zeitung" berichtete, reicht jedenfalls ein "Like" nicht aus, um als Mitglied einer Terrororganisation zu gelten. Syrien-Expertin Petra Ramsauer erklärt zudem, dass die "Liwa Fatemiyoun", eine afghanische Kampfmiliz im Syrien-Krieg, an keinen internationalen Terrorhandlungen beteiligt ist, sondern nur in der syrischen Innenpolitik eine Rolle spiele.

"Das muss extrem sein"

Aber wie geht es E. H. ? Wie ist die Stimmung im oberösterreichischen 1500-Seelen-Dorf Neumarkt im Hausruckviertel, in er seit einigen Jahren die FPÖ auf dem Vormarsch ist? Sein Chef im örtlichen Spar-Markt, Franz Maierhuber, habe das alles nie für möglich gehalten. "Das hat eigentlich jeder im Ort gesagt, das war für alle unvorstellbar." Seit die Vorwürfe aufkamen, fürchte sich E. H. rauszugehen, aber auch alleine daheim zu sein. "Ich hab zu ihm gesagt, dass wir das gemeinsam durchstehen. Er ist unschuldig. Er muss zeigen, dass er unschuldig ist", sagt Maierhuber.

Herbert Ollinger ist der Bürgermeister der Gemeinde Neumarkt. Er habe von keinem einzigen im Ort gehört, dass man gegen E. H. "etwas tun muss". Auch die FPÖ sei in dieser Causa keine Verbündete der blauen Bundespartei gewesen, die Gemeindearbeit sei jedenfalls weniger parteipolitisch. Die ungeprüften Vorwürfe von Gudenus müssten Konsequenzen haben, fordert Ollinger, zumindest erwarte er sich eine Entschuldigung des Mandatars. Der Bürgermeister der ÖVP will in der Gemeindezeitung jedenfalls festhalten, dass E. H. unschuldig ist. "Ich kann mir nicht vorstellen, was der Bub jetzt gerade fühlt, das muss extrem sein."