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Neue Zuwanderer statt Lehre für Asylwerber

Von Simon Rosner

Politik

Das Innenministerium wehrte sich erfolgreich gegen eine pragmatische Lösung bei den Asylwerbern in Lehre. Wirtschaftsvertreter reagieren enttäuscht, dafür freuen sie sich über die Ausweitung der Mangelberufsliste.


Wien. Asylwerber, die derzeit eine Lehre absolvieren, dürfen diese nun doch nicht beenden, wenn sie einen negativen Bescheid erhalten. Der Erlass, der 2012 den Zugang zur Lehre für Asylwerber geöffnet hat, wenn die Stelle nicht anderweitig besetzt werden konnte, ist mit Mittwoch außer Kraft gesetzt worden. Das war von der Regierung bereits vor zwei Wochen angekündigt worden.

Anders als damals rückte man nun aber vom Plan ab, Asylwerbern, die derzeit eine Lehre absolvieren, zu ermöglichen, diese Ausbildung zu beenden, ehe sie das Land verlassen müssen. Das war zwar nicht, was die Wirtschaft, vor allem die Kammern in den Bundesländern forderten, die auf Ausnahmeregelungen pochten, doch hätte diese Variante den Unternehmen ein wenig mehr Planungssicherheit gegeben.

"Jede Sonderlösung für Lehrlinge, die ein gesichertes Bleiberecht bis zum Ende des Lehrverhältnisses enthält, wäre ein Präzedenzfall, der weitere Forderungen für Ausnahmen nach sich ziehen würde", heißt es in einer rechtlichen Beurteilung aus dem Innenministerium.

Prüfung im Asylverfahren

Der unter anderem auf Asyl spezialisierte Anwalt Georg Bürstmayr widerspricht dieser juristischen Darstellung. Er verweist auf die Möglichkeit, im Zuge des Asylverfahrens ein Bleiberecht auszusprechen, wenn besonders berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen. "Bei dieser Abwägung spielen private und öffentliche Interessen eine Rolle", sagt Bürstmayr. "Wenn ein Unternehmen in einer Schlüsselindustrie wie dem Tourismus in der ganzen Region niemanden für seinen Ausbildungsplatz findet, dann scheint doch ein öffentliches Interesse vorzuliegen", sagt der Anwalt.

Ausgeschlossen ist jedenfalls nicht, dass es auch zu solchen Entscheidungen kommen wird, Kanzler Sebastian Kurz verwies am Mittwoch darauf, per Erlass hätte man hier aber Klarheit schaffen können. Es geht um derzeit 900 Lehrlinge in einem Asylverfahren, von denen rund 60 Prozent mit einem positiven Bescheid rechnen können.

Der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober, der eine Initiative gegen die Abschiebung von Lehrlingen gestartet hatte, warf der FPÖ "bösartige Ideologie" statt einer "Lösung der Vernunft" vor. Doch auch in der ÖVP sowie in der Wirtschaftskammer reagierte man mit Unverständnis. "Ich verstehe diesen Kurs nicht, denn alle Unternehmen, die ich besuche, suchen händeringend nach Mitarbeitern", sagte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer.

Die Wirtschaft hatte an diesem Tag aber auch Grund zur Freude: Wohl nicht ganz zufällig beschloss die Regierung die lange geforderte Regionalisierung der Mangelberufsliste.

Neue Mangelberufe

Was ein Mangelberuf ist, wurde vor Jahren sozialpartnerschaftlich ausgehandelt und in eine Formel gegossen. Er liegt dann vor, wenn in einer Berufsgruppe auf eine Stelle 1,5 Arbeitslose oder weniger entfallen. Das Ost-West-Gefälle bei Fachkräften führt hier bisweilen zu Verzerrungen. So gibt es etliche Berufe, die im Durchschnitt zwar keinen Mangel an Fachkräften aufweisen, wohl aber in einzelnen Bundesländern.

Wie genau die neue Regelung umgesetzt werden soll, ist allerdings noch nicht klar. Offenbar ist die Ausweitung der Mangelberufsliste doch etwas kurzfristig beschlossen worden. Anzunehmen ist, dass eine Rot-Weiß-Rot-Karte nur dann bewilligt wird, wenn eine Arbeitskraft eine Stelle in einem Bundesland annimmt, in dem es einen Mangel gibt. Das trifft zum Beispiel auf Köche in Tirol zu.

Der Mangelberuf ist eben aber nur eine politische Definition. Tatsächlich suchen auch in Wien zahlreiche Gastronomen Köche, die qualifiziert sind und bereit sind, unter den angebotenen Konditionen zu arbeiten. Dass sich durch die de facto Ausweitung der Mangelberufsliste die Zahl der Zuwanderer insgesamt vergrößern wird, liegt auf der Hand. Bereits am Dienstag hatte Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer gesagt, dass es ohne qualifizierte Zuwanderung auch nicht gehen werde. Diese neuen Gastarbeiter sollen unter anderem aus Asien geholt werden, etwa IT-Techniker.

Asylberechtigte vermitteln

Doch was ist mit jenen Zuwanderern, die schon in Österreich sind? Eine größere Gruppe sind die anerkannten Flüchtlinge. Während Asylwerber, die keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, bisher ihre eigene Situation durch eine Lehre verbessern konnten, ist dies bei Asylberechtigten anders. Trotz einiger Initiativen, unter anderem auch der Wirtschaftskammer, gelingt es bisher kaum, junge Asylberechtigte in offene Lehrstellen zu bringen.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck kündigte an, Mittel dafür aufzustocken, konkret sollen Weiterbildungskurse aus der betrieblichen Lehrstellenförderung dafür verwendet und erhöht werden. Etwa damit junge Asylberechtigte besser Deutsch lernen. Einen anderen Hebel hat sie bei der überbetrieblichen Lehrausbildungen ausgemacht, wo es für die Lehrlinge derzeit keine Verpflichtung gebe, sich zu bewerben. Das soll sich künftig ändern.

Ein grundsätzliches Problem bei Asylberechtigten: Die Lehrlingsentschädigung liegt unter der Mindestsicherung, zudem haben meist nur Hotels die Möglichkeit, den im Osten des Landes wohnenden Lehrlingen eine Unterkunft anzubieten. Eine finanzielle Unterstützung von der Familie, wie das bei Ausbildungen meistens notwendig ist, fehlt bei Flüchtlingen fast immer. Sie können sich die Lehre kaum leisten.