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Hauptverbandschef muss gehen

Von Brigitte Pechar

Politik

Künftiger Dachverband soll abwechselnd von den Obleuten der fünf neuen Sozialversicherungsträger geführt werden.


Wien. Die Bundesregierung plant im Zuge der Sozialversicherungsreform die Ablöse von Hauptverbands-Chef Alexander Biach. Dies geht aus einem Gesetzesentwurf des Sozialministeriums hervor. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger wird demnach de facto aufgelöst und zu einem Dachverband umgebaut, der nur mehr koordinierende Aufgaben für die Sozialversicherungen übernehmen soll, wie die "Wiener Zeitung" bereits berichtete. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger werden den Regierungsplan am Freitag in einer Pressekonferenz erläutern.

Ab 2020 soll der Vorsitz im Dachverband der künftig nur noch fünf (statt 21) Sozialversicherungsträger im Rotationsprinzip von den Obleuten ausgeübt werden. Die fünf Träger sind die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), in die die neun Gebietskrankenkassen zusammengefasst werden, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), die Pensionsversicherungsanstalt (PVA), die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen SVS, die bisherige SVA, in die die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) inkludiert wird, sowie die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau.

Mahrer legt Obmann der SVA nach Reform zurück

Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer (ÖVP), der auch Obmann der SVA ist, hätte so im Rotationsprinzip künftig auch mit der Führung des Dachverbands ein weiteres Amt übernehmen können. Hätte, weil dessen Büro am Donnerstag klarstellte, dass Mahrer seine Funktion nach der Strukturreform zurücklegen und auch keine neuen Funktionen bei den Sozialversicherungen übernehmen wird.

Der aus der schwarzen Wiener Wirtschaftskammer kommende Hauptverbandschef Biach muss hingegen seinen Platz räumen. Biach führt den Hauptverband seit Mai 2017, trieb dort die Leistungsharmonisierung voran und gilt als versierter Fachmann mit guten Kontakten zu allen Sozialpartnern und zur Ärztekammer.

Die FPÖ warf Biach in den vergangenen Wochen Panikmache und eine Torpedierung der Pläne vor. Es wird ihm Arbeitnehmerfreundlichkeit nachgesagt.

Mit Biach soll auch der rote Hauptverbands-Generaldirektor Josef Probst gehen - sein Vertrag läuft eigentlich noch bis März 2021. Aus Biachs Umfeld ist zu hören, dass er sehr entspannt mit dieser Entscheidung umgeht und ihm wichtig sei, die Reform auf den Boden zu bringen.

Ein Rotationsprinzip sieht die Regierung laut den ersten Entwürfen nicht nur im Dachverband vor, sondern auch bei Krankenkassen und Pensionsversicherung. Obmann bzw. Obfrau der ÖGK sowie die Spitze der PVA sollen jeweils für sechs Monate gewählt werden. Im Verwaltungsrat reicht dafür eine einfache Mehrheit. Laut Sozialversicherungsexperten dürfte die neue Struktur durchwegs Mehrheiten für die Regierungsparteien bringen.

Gewerkschafter sehen Anschlag auf Selbstverwaltung

Aus Arbeitnehmerkreisen wurde ÖVP und FPÖ deshalb zuletzt vorgeworfen, dass es den Koalitionsparteien vor allem um eine Entmachtung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften gehe.

Bei den Arbeitnehmervertretern ist die Aufregung über die Regierungspläne groß. Ein Arbeitnehmervertreter, der nicht genannt werden wollte, erinnerte an Schwarz-Blau I, als mittels Gesetz der rote Hauptverbandschef Hans Sallmutter abgelöst wurde. Dieses Gesetz hat dafür gesorgt, dass seither immer ein Vertreter der Wirtschaftskammer den Hauptverband führt. Jetzt werde auch bei den Sozialversicherungen umgefärbt.

"Dann haben die Dienstgeber überall die Mehrheit. Im richtigen Leben ist die Mehrheit der Versicherten aber bei den Dienstnehmern. Selbstverwaltung heißt, dass die Betroffenen selbst ihre Angelegenheiten wahrnehmen und nicht die Dienstgeber darüber bestimmen, wie viel die Kasse für die Kinder der Hackler zahlt", empörte sich ein anderer Arbeitnehmervertreter.

ÖGB bereitet Gang zum VfGH vor

Der Leitende Sekretär im ÖGB, Bernhard Achitz, hält sich mit konkreten Aussagen vor der Präsentation des Regierungsentwurfs noch zurück. So viel allerdings kann er schon sagen: "Aus unserer Sicht ist der Entwurf mehrfach verfassungswidrig." Über das weitere Vorgehen wolle man aber erst am Freitag informieren.

Kritik kommt auch von den roten Gesundheitslandesräten aus Kärnten, Burgenland, Wien und Niederösterreich, Beate Prettner, Norbert Darabos, Peter Hacker und Ulrike Königsberger-Ludwig. Mit ihnen sei die neue Struktur nicht akkordiert worden. "Mit uns hat niemand gesprochen", erklärten sie in einer gemeinsamen Aussendung. Das sagte auch ÖGB-Sekretär Achitz: "Die Einbeziehung der Sozialpartner war keine wirkliche."

Oberösterreichs AK-Präsident Johann Kalliauer und der Obmann der OÖGKK, Albert Maringer, sehen in der Strukturreform "die größte Enteignung in der Geschichte Österreichs". Die wahren Eigentümer - 8,7 Millionen Versicherte - "sollen damit ausgeschaltet werden", so die Befürchtung. Der schwarze Tiroler AK-Chef, Erwin Zangerl, vermutet eine Schwächung der Arbeitnehmervertretungen und der Versicherten hinter der Reform.