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Kerns Plan B

Von Simon Rosner

Politik
© photonews.at/Georges Schneider

Christian Kern wird Spitzenkandidat der SPÖ bei der nächsten EU-Wahl, den Parteivorsitz behält er bis November. Der kurze Weg einer großen Hoffnung.


Wien. Das Projekt Kern war für zehn Jahre angelegt. Jetzt, nach nur etwas mehr als zwei Jahren, nimmt es zumindest einen anderen Verlauf als ursprünglich geplant. Christian Kern geht nämlich. Und zwar nach Brüssel. Informationen einiger Medien, wonach der Ex-Kanzler aus der Politik ausscheidet, Vorsitz der SPÖ und Mandat zurücklegt, bewahrheiteten sich nicht. Stattdessen wird Kern als Spitzenkandidat der SPÖ in die EU-Wahl gehen. Den Vorsitz wird er "spätestens nach der Europawahl abgeben", wie Kern sagte.

Am Mittwoch kommt es übrigens zu einem Treffen der europäischen Sozialdemokratie im Vorfeld des EU-Gipfels in Salzburg. Nicht undenkbar, dass Kern ein seriöser Anwärter auch für die Spitzenkandidatur der SPE bei der kommenden Wahl ist. Dass in dieser Hinsicht eine Entscheidung auf den ehemaligen österreichischen Kanzler gefallen wäre, würde zumindest Hektik am Dienstag erklären. Solche Beschlüsse passieren in der Politik oft schnell.

Die Gerüchte über einen Rücktritt hatten am Dienstag jedenfalls für große Aufregung gesorgt, da weite Teile der SPÖ, vor allem in der Parteizentrale in der Löwelstraße, nicht informiert waren. Auch die Spitzen der Gewerkschaft, die sich am Mittwoch auf einer Konferenz gerade Motivation, Energie und Strategie für die Herbstlohnrunde geholt hatten, wussten von nichts - und waren nicht gerade angetan.

Kein Oppositionspolitiker

Spannend ist, dass es offenbar zu Indiskretionen gekommen ist, die dazu geführt haben, dass einige Zeitungen Information erhielten, die sich dann als nicht richtig herausstellten. Sie dürften auf hoher Ebene passiert sein, denn viele Personen sind bei solchen Entscheidungen in der Regel nicht eingeweiht. Was, andererseits, aber auch wieder zur bisherigen politischen Laufbahn Kerns passt, in der Indiskretionen keine kleine Rolle gespielt haben.

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Kern könnte nun jedenfalls einen Absprung zur richtigen Zeit erwischt haben. "Vom Typus her war er auch immer der Staatsmanager, der Kanzler, nicht der Oppositionsführer", sagt der Politologe Peter Filzmaier. Das ist auch der Grund gewesen, weshalb das auf zehn Jahre angelegte Projekt Kern in der österreichischen Innenpolitik zu Ende war, bevor es wirklich aufhört.

Kern konnte aber bisher nicht gehen; nicht nach der Wahl, bei der es ein Plus für die SPÖ, aber dennoch eine schwere Niederlage gab, nämlich den Verlust der Kanzlerschaft nach elf Jahren. Und er konnte auch nicht in Monaten danach gehen - vermutlich auch in Ermangelung wirklich attraktiver Angebote.

So musste Kern auf die immer gleichen Fragen nach seiner Zukunft mit den immer gleichen Beteuerungen antworten, als Kanzler zurückkehren zu wollen, ja, sogar zu werden, musste die Oppositionsrolle und das eine oder andere innerparteiliche Scharmützel schönreden.

"Kern ist intelligent, aber er ist kein politischer Stratege", sagt Filzmaier. Das habe sich auch gezeigt, als er im Jänner 2017 die Chance hatte, in Neuwahlen zu gehen, doch Kern hatte die Gelegenheit verstreichen lassen. Es war nicht die einzige Chance.

Im Mai 2016, als Christian Kern Werner Faymann als SPÖ-Chef und Kanzler ablöste, war er die größte Hoffnung der österreichischen Sozialdemokratie seit Jahrzehnten. Das war zumindest den zahlreichen öffentlichen bis nicht-öffentlichen Reaktionen zu vernehmen; ein Aufatmen nach mehr als sieben Jahren mit Faymann an der Spitze, der durch eine Krise nach der anderen zu gehen hatte. Erst war die Finanzkrise, dann die Jahre der Wirtschaftskrise und schließlich die Fluchtkrise 2015/16.

Zögernder Kanzler

Zwar war die anfängliche Euphorie vor allem von medialen Erzählungen sowie von begeisterten Aussagen dauerbefragter Sozialdemokraten getragen. Doch auch in repräsentativen Umfragen bildete sich die Hoffnung in Kern schnell ab. Doch im Sommer 2016 passierte noch etwas: Der Verfassungsgerichtshof hob die Stichwahl der Bundespräsidentenwahl auf. Sollte sich in so einer Situation auch der Nationalrat auflösen? Heinz Fischer dürfte Kern schnell überzeugt haben, es mit der ÖVP weiter zu versuchen.

Es dürfte dem Neo-Politiker aber schnell klar geworden sein, dass das Ende der Koalition nur eine Frage der Zeit und des Stils ist. Zumindest bereitete sich die SPÖ und das Führungsteam um Kern schon bald mit einem Strategen auf den Tag x vor, der dann im Wahlkampf zu ungewollter Prominenz werden sollte: Tal Silberstein. Kern entwickelte mit den Plan A, eine Art Parteiprogramm ohne Partei.

Im Jänner 2017 präsentierte er ihn in Wels auf einer Showbühne. Teile der Partei aber, vor allem die Gewerkschaft, waren über gewisse Inhalte nicht gerade begeistert, zumal sie nicht abgesprochen waren. Auch die ÖVP tobte, weil sie von nichts wusste- zumindest offiziell. Die Silberstein-Affäre offenbarte, dass es indirekt sehr wohl einen Informationsfluss gab.

Kern hatte wieder Aufschwung, doch er wählte nicht. Spätestens mit der ÖVP-Obmannschaft von Sebastian Kurz verlor Kern das Momentum. Der Plan A ist passé, nun setzt er auf Plan B.