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Ein Auge auf die Demokratie

Von Marina Delcheva

Politik

15 Prozent der Österreicher halten Demokratie für tot. Große Mehrheit lehnt "illiberale Demokratie" aber ab.


Wien. Noch vor einem Jahr sprachen sich 43 Prozent der befragten Österreicher im Rahmen einer repräsentativen Umfrage des Sora-Instituts für einen "starken Mann" an der Spitze des Staates aus. Gut ein Viertel meinte sogar, dass sich dieser nicht um Wahlen oder Demokratie kümmern müsse. "Das Ergebnis hat uns dazu veranlasst, den Österreichischen Demokratie-Monitor (ÖDM) zu starten", sagte Sora Geschäftsführer Günther Ogris am Donnerstag im Rahmen der Diskussionsreihe "Demokratie" in Kooperation mit der "Wiener Zeitung".

Der ÖDM soll im Rahmen einer jährlichen Befragung die Einstellung der Österreicher zur Demokratie dokumentieren, um "notfalls Alarm zu schlagen", so Ogris. Das Projekt wird über eine breite Plattform, die von Dr. Karl Renner-Institut und Neos Lab über Industriellenvereinigung, ÖGB, Städtebund bis zu Wirtschaftsprüfern oder einer Kosmetikfirma reicht, finanziert. Parlament und ORF sind Kooperationspartner.

Gut ein Jahr später fällt die Frage nach dem starken Mann nicht mehr so eindeutig aus. Wie der Monitor zeigt, bedeutet Demokratie für 91 Prozent der Befragten, "miteinander zu reden und gemeinsame Lösungen zu suchen" - auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist.

41 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Demokratie in Österreich eher lebendig ist, 15 erklären sie allerdings für "tot". Während fast die Hälfte meint, dass die Regierung die Unabhängigkeit der Medien ausbauen sollte, sprechen sich acht Prozent für eine Einschränkung der Medienfreiheit aus. Ob und wie hoch das Vertrauen in die Demokratie ist, ist eine "sozioökonomische Frage", meint Studienleiterin Martina Zandonella im Rahmen der Diskussion. "Ungleichheit spielt eine zentrale Rolle, wenn es um Demokratie geht", sagt sie. Kurz: Je besser gebildet und je höher das Einkommen, desto höher ist das Vertrauen in die Demokratie und desto stärker die Partizipation.

Misstrauen durch Populismus

Robert Vehrkamp, Senior Advisor der Bertelsmann Stiftung, führt ins Rennen, dass sozial schwache Schichten oft nicht mehr das Gefühl haben, dass sich eine politische Teilhabe für sie lohnt. "Demokratie ist zu einer Veranstaltung der höheren zwei Drittel geworden", sagt er.

Vehrkamp ist Mitbegründer des ebenfalls heuer erwarteten deutschen Demokratiebarometers. Dort liege der Anteil der populistisch eingestellten Wähler bei mittlerweile 30 Prozent. Unter diesen sei der Grad an Unzufriedenheit mit der Demokratie besonders hoch. Interessant dabei ist, dass die Unzufriedenheit dieser Gruppe gestiegen ist, seit die rechtspopulistische AfD im Deutschen Bundestag sitzt. In Österreich hingegen sind jene, die vor dem Regierungswechsel unzufrieden waren, nun zufriedener.

Als Instrument für mehr Teilhabe lobte der politische Kommentator des Schweizer Fernsehens, Claude Longchamp, die direkte Demokratie. Eine lebendige Demokratie sei immer auch "eine Verhandlungsdemokratie und keine Diktatur der Mehrheit. Wir müssen immer zwischen Konsens- und Mehrheitsdemokratie abwägen", sagte er. Die Art und Weise, wie junge Menschen politisch aktiv werden, habe sich durch soziale Netzwerke und neue Formen der Teilhabe stark verändert. "Die Sozialen Medien erschweren es, Mehrheitsthemen herzustellen", alles sei kurzlebiger. Trotz der Debatte um Fake News und der zunehmenden Polarisierung des politischen Diskurses, sei das Vertrauen in traditionelle Medien nach wie vor hoch. Laut ÖDM informieren sich 90 Prozent der Österreicher zumindest ein Mal pro Woche über innenpolitische Themen in den Mehrheitsmedien. 60 Prozent tun das täglich, erklärte Zandonella.

Für das sogenannte "zweite Auge" des ÖDM will Sora ein Monitoring der Institutionen und des demokratischen Lebens auf der Basis statistischer Daten etablieren. Genannt ist das Ganze "Demokratischer Lebendigkeitscheck" und soll mittels Crowdfunding finanziert werden.

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