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"Im Zweifel gegen die Natur"

Von Petra Tempfer

Politik
Das Kampkraftwerk der EVN in Rosenburg soll auf seine doppelte Leistung ausgebaut werden.
© Matthias Schickhofer

Der geplante Neubau des EVN-Wasserkraftwerks in Rosenburg treibt Umweltschützer auf die Barrikaden.


St. Pölten/Wien. Mehr als eineinhalb Meter in die Höhe und etwa genauso weit in die Tiefe: Um diese Dimensionen soll das Wasserkraftwerk des niederösterreichischen Strom-, Gas- und Wärmeversorgers EVN am Kamp in Rosenburg wachsen. Durch Abriss und Neubau soll der Staudamm erhöht werden, gleichzeitig will man das Flussbett auf einer Länge von eineinhalb Kilometern ausbaggern. Zudem sollen 2,9 Hektar Wald fallen, weil die Stämme sonst im Stausee stehen. Die EVN rechnet mit Kosten von rund zehn Millionen Euro.

Die Intention vonseiten der EVN ist, wie es heißt, die erneuerbaren Energieträger auszubauen, damit Österreich die Ziele der heuer präsentierten Klima- und Energiestrategie erreicht: Strom soll demnach bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen, aktuell sind es 70 Prozent. Im Fall des geplanten Kraftwerks am Kamp, für das die Umweltverträglichkeitsprüfung läuft, sind aber gerade die Umweltschützer empört. Denn das Kraftwerk befindet sich in einem Natura-2000-Schutzgebiet, und durch den Ausbau würde eine Fläche von mehr als acht Fußballfeldern zerstört werden, sagte Gerhard Egger, Leiter der Gewässerschutzabteilung des WWF Österreich, am Mittwoch.

Und das, obwohl die Leistung des Kraftwerks von derzeit 4,2 Gigawatt (GW) pro Jahr zwar auf 8,4 GW verdoppelt werden soll, diese damit aber noch immer nur halb so groß wie jene eines modernen Windkraftwerks wäre, so Egger. Konkret würden rund 1200 Haushalte mehr mit Strom versorgt werden. Generell habe die Wasserkraft auf dem Weg zur 100-prozentigen Stromerzeugung aus Erneuerbaren bis 2030 in Österreich, wo es bereits rund 5200 Wasserkraftwerke gibt, das geringste Potenzial. Österreich und die Schweiz haben die höchste Wasserkraftwerk-Dichte der Welt - rund 60 Prozent der Fließgewässer sind hierzulande in keinem guten ökologischen Zustand.

"Verstoß gegen EU-Richtlinien"

Ein massiver Vorwurf kommt dazu von Clemens Feigel von der Bürgerinitiative für einen lebendigen Kamp. Dabei geht es um die Gutachten der EVN zum Projekt, die das Land Niederösterreich derzeit prüft - das allerdings Mehrheitsbesitzer der börsennotierten EVN AG ist. "Wenn die Behörde mit der EVN kooperiert, kann man kein Vertrauen mehr haben", so Feigel.

Der von den Umweltschützern mit der Causa beauftragte Jurist Josef Unterweger formuliert es folgendermaßen: "Der Projektant steht im wirtschaftlichen Eigentum des Landes Niederösterreich, das Land Niederösterreich bestellt die Gutachter und entscheidet dann auch noch, ob diese gut gearbeitet haben." Tatsächlich sei das Projekt mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie, wonach der ökologische Gewässerzustand zu verbessern ist, und der EU-Fauna-Flora-Habitatrichtlinie nicht vereinbar, sagt er.

In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant: "Bevor das Projekt eingereicht wurde, wurde der Kamp, auf dessen Länge von 55 Kilometern 23 Kraftwerke stehen, als erheblich veränderter Fluss eingestuft, der nicht mehr sanierungsfähig ist", ergänzte Egger. Die Umweltkriterien für den Kraftwerksneubau sind dadurch geringer. "Das ist kein Zufall."

"Derzeit ist die politische Situation im Zweifel gegen die Natur", meinte dazu Ulrich Eichelmann, Geschäftsführer von Riverwatch. Allen Klimaschutzmaßnahmen zum Trotz rode man Bäume, was die CO2-Emissionen ansteigen lässt, und verkaufe die Zerstörung der Natur als Umweltschutz. Sollte das Projekt Kampkraftwerk Rosenburg genehmigt werden, würde eine "rote Linie" überschritten, so die NGOs, die in diesem eine Art "Nagelprobe" für die Umweltgesetze sehen. Fahren tatsächlich die Bagger am Kamp auf, werde man sich diesen jedenfalls entgegenstellen - so wie einst in Hainburg, wo der Protest gegen den geplanten Kraftwerksbau in den 80ern schließlich in den Nationalpark Donau-Auen mündete.

Die EVN sieht das freilich anders und vermutlich auch das Land Niederösterreich - Letzteres will aber keine Stellungnahme abgeben, weil es sich um ein laufendes Verfahren handle, wie es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" aus dem Büro von Umweltlandesrat Stephan Pernkopf (ÖVP) heißt. Vor allem der Vorwurf, die Behörden würden mit der EVN kooperieren, stößt dieser sauer auf. Hier seien unabhängige Gutachter am Werk, heißt es. "Der Vorwurf ist eine bösartige Anschuldigung, mit der man den Rechtsstaat in Frage stellt", sagt auch Ernst Brandstetter von "Oesterreichs Energie", der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft. Damit werde eigentlich behauptet, das Land verstoße gegen seine eigenen Gesetze.

Auch den Begriff Natura-2000-Gebiet habe man offenbar falsch interpretiert, sagt EVN-Sprecher Stefan Zach. In diesem seien per definitionem menschliche Eingriffe erlaubt, sofern diese den Erhaltungszustand des Schutzgutes nicht erheblich beeinträchtigen. Fast die Hälfte der Wasserkraftwerke Niederösterreichs stehen laut Zach in Natura-2000-Gebieten, Windräder ebenfalls.

Ybbs-Kraftwerk in Pipeline

Apropos Windräder: Die Überschneidung der Umweltschützer, die gegen Wasserkraftwerke, aber auch Windparks protestieren, sei groß, so Zach. Um die Klimaziele zu erreichen, müsse man jedoch die Erneuerbaren ausbauen. Für Niederösterreich bedeute das Investitionen in Windräder und Photovoltaik-Anlagen, aber auch, die verbleibenden Potenziale der Wasserkraft zu nutzen. Ein neues Wasserkraftwerk sei zum Beispiel bei Ferschitz an der Ybbs in der Pipeline.

Den Berechnungen von "Oesterreichs Energie" zufolge müsste man die Stromerzeugung aus Erneuerbaren um 30 Terawattstunden (TWh) pro Jahr erhöhen, um das 2030-Ziel zu erreichen. Der Stromverbrauch wird demnach bis dahin von 65 TWh auf 88 TWh steigen. "Wenn man die Potenziale, die wir haben, vergleicht", sagt Brandstetter, "müssten sechs bis acht TWh aus Wasserkraft kommen, je elf bis 13 aus Wind und Photovoltaik und zwei aus Biomasse." Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) möchte vor allem auf Biomassekraftwerke und Photovoltaik fokussieren, wie sie sagte.