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Die Dauerqualen der SPÖ

Von Karl Ettinger und Jan Michael Marchart

Politik

Die Genossen wünschen sich inhaltliche Signale der neuen Parteichefin Rendi-Wagner.


Wien. "Mir wäre es auch lieber, wenn wir in der Öffentlichkeit mit Inhaltlichem punkten würden. Es gibt viel zu tun. Schwarz-Blau legt uns jeden Tag einen Elfmeter auf." Die oberösterreichische SPÖ-Landesgeschäftsführerin Bettina Stadlbauer brachte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Stimmung unter den Parteifunktionären und Genossen auf den Punkt. Nach der chaotischen Ablöse von Parteichef Christian Kern durch Ex-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner wurde sehnsüchtig ein Ende der internen Debatten erhofft.

Mit dem Plan, die Parteireform um zwei Jahre zu verschieben, machte die neue SPÖ-Führung diese Hoffnungen gleich wieder zunichte. Nach Protesten war wieder Krisenmanagement nötig.

Am Donnerstag war daher in der SPÖ einmal Aufatmen angesagt. Rendi-Wagner und Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda wollten mit dem Kompromiss einer abgeschwächten SPÖ-Statutenreform das Gerangel um interne Regeln für die Parteiarbeit, die Österreichs Wähler mäßig interessieren, beenden.

In die Sitzungen des Parteipräsidiums und des Vorstandes ging Rendi-Wagner mit einer modifizierten Variante für eine Parteireform, die nun doch am 24./25. November auf dem SPÖ-Bundesparteitag beschlossen werden soll. Dabei war die Führung bemüht, es Kritikern des ursprünglichen Vorhabens wie den Wienern um Bürgermeister Michael Ludwig und jenen, die gegen eine Verschiebung der Reform um zwei Jahre Sturm gelaufen waren, wie der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer, Recht zu machen.

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Der Steirer sieht auf seinen Druck hin die SPÖ-Öffnung gesichert. Es werde Gastmitgliedschaften und Themeninitiativen geben. Die Mitglieder werden auch die Möglichkeit erhalten, Parteiumfragen in die Wege zu leiten. Diese sollen von fünf Prozent der Mitglieder gestartet werden können. Das Ergebnis einer Abstimmung wird aber erst bindend sein, wenn die Befragung von zehn Prozent oder mehr Mitgliedern beantragt wurde.

Allerdings wurde bei Urabstimmungen der roten Mitglieder über Koalitionsabkommen eine Bremse angezogen. Die Entscheidung darüber soll laut dem Vorschlag zur Statutenreform beim SPÖ-Bundesparteivorstand liegen. Erst wenn sich dieser mit Mehrheit für eine Urabstimmung entscheidet, wird diese über ein Regierungsabkommen durchgeführt.

Entschärftes Modell für Wiederwahl auf Listen

Bei der Kandidatur von SPÖ-Politikern nach zehn Jahren im Amt hat Rendi-Wagner den massiven Vorbehalten vor allem aus der Wiener SPÖ nachgegeben. Eine Zweidrittelmehrheit wird nun laut Vorschlag der SPÖ-Führung künftig nur für die Bundesliste bei der Nationalratswahl notwendig sein. Hingegen kommt die Zweidrittelhürde bei einer neuerlichen Kandidatur auf Landes- und Regionalebene nicht zum Einsatz. Schließlich soll es eine Solidarabgabe an die Partei geben, wenn ein SPÖ-Vertreter Mehrfachbezüge aus politischen Funktionen bezieht.

Schickhofer ist vor allem erfreut, dass nun der Beschluss der Parteireform beim Bundesparteitag erfolgen soll. "Es kommt jetzt ein guter Kompromiss."

Erleichterung herrschte auch in anderen Landesparteien wie in Kärnten oder Oberösterreich, wo eine rasche Statutenreform unterstützt wird. Schließlich sei dies das Ergebnis einer Mitgliederbefragung gewesen. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger hatte hingegen Teile der Reform im "Standard" drastisch als "Idiotie" abgetan. In der Landespartei war allerdings nicht klar, welche Punkte der SPÖ-Stadtchef damit konkret gemeint habe.

Bei der Parteijugend sieht man den Umstand, dass die Parteireform nun in Angriff genommen wird, als Erfolg an. "Das war das, was wir gefordert haben", erklärte die Vorsitzende der Jungen Generation (JG), Claudia O’Brien. Schließlich haben die roten Jugendorganisationen wegen der Verschiebung einen offenen Brief an den SPÖ-Vorstand gerichtet.

Volle Konzentration auf die inhaltliche Arbeit lautet nun erneut oder noch immer die Parole bei den roten Funktionären. Schließlich kämpfen Gewerkschaft und Arbeiterkammer in diesen Tagen auf allen Ebenen auch mit Aktionen dagegen, dass die Reform der Sozialversicherung wie geplant beschlossen wird.

Freilich wird auch das vom Gezerre um die SPÖ-Statuten überschattet. Statt Rendi-Wagner rückte Sozialsprecher "Beppo" Muchitsch dagegen aus. Die SPÖ-Vorsitzende hat sich zuletzt bemüht, die größte Oppositionspartei als politische Kraft gegenüber der Regierung im Spiel zu halten. Nach dem Raucher-Volksbegehren hat sie eine parteiübergreifende Initiative im Parlament zur Umsetzung des Rauch-Verbots in der Gastronomie angeboten, bekam aber von der Regierung dafür nur die kalte Schulter gezeigt.

Inhaltliche Signale werden spätestens beim Bundesparteitag von Rendi-Wagner erwartet. Es soll klar werden, wohin der Kurs der SPÖ mit ihr an der Spitze führen wird. Diesbezüglich hat sie sich bisher zurückhaltend gezeigt.

Drozda steht als Kampagnenleiter am Prüfstand

Dass die Statutenreform vorerst erledigt ist, hat auch für den innerparteilich nicht unumstrittenen Bundesgeschäftsführer Priorität. Thomas Drozda selbst soll sie bei einer Sitzung Anfang Oktober ohne Druck der Wiener Genossen infrage gestellt und völlig unterschätzt haben, wie sauer das der Basis aufstößt.

Drozda organisiert den Parteitag und haftet daher für Fehltritte. Ein solcher Fehltritt wäre ein ungelöster interner Streit über die Parteireform gewesen, der die rote Basis verstimmt hätte und zu einer ordentlichen Hypothek für Drozda und Rendi-Wagner würde. Aber nicht nur für die Vorbereitung des Parteitags ist Drozda verantwortlich. Er ist auch SPÖ-Kampagnenleiter der Europawahl im Mai 2019. Es ist seine erste bundesweite Wahl, die Drozda organisieren und führen muss. Das trauen ihm in der SPÖ nicht viele zu, weil er in der Partei nicht tief verankert sei und das Kampagnen-Handwerk nicht beherrsche.

Noch dazu befindet sich die Parteizentrale nach den Abgängen von Ex-Parteichef Christian Kern und Drozdas Vorgänger Max Lercher im personellen Umbruch, wie es heißt. Auch das ist eine Baustelle für den neuen Parteimanager. Wie kampagnenfähig die SPÖ in der jüngeren Vergangenheit war, zeigte Kerns verkorkster Nationalratswahlkampf.

Die Entscheidung über die EU-Kandidatenliste stand in den SPÖ-Gremien auch auf der Tagesordnung. Fix waren als Spitzenduo Ex-Klubchef Andreas Schieder und EU-Parlamentarierin Evelyn Regner. Auf Listenplatz sechs tritt die Juso-Vorsitzende Julia Herr an. Luca Kaiser wurde auf Platz neun gereiht, für den Sohn des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser ist die Hoffnung auf einen Einzug ins EU-Parlament damit geplatzt. Er stand wegen eines Tweets ("Österreich ist eine Nazion mit einem scheiß Innenminister. #kickl") unter Beschuss.

Kern sollte ursprünglich die SPÖ in die EU-Wahl führen. Er wird laut "trend" Präsident des Kuratoriums der Austrian Chinese Business Associatian.