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"In Österreich bin ich das Objekt der Bedrohung"

Von Eva Zelechowski

Politik

Schwarze Österreicher erleben Ausweiskontrollen als Alltagsrassismus. Ein Interview mit dem Rapper T-Ser.


Am Sonntag sitzen sechs junge Männer im Franz Josef Park bei der Kaiserstraße im 7. Wiener Gemeindebezirk. In der Vormittagssonne machen sie es sich in einem Gartenpavillon bequem, packen ihre Laptops aus, reden, lachen, arbeiten. Eigentlich nichts Besonderes. Dann kommt es zu einem Polizei-Einsatz, der das Meeting des Österreichischen Rappers T-Ser und seiner Kollegen vom Label Akashic Rekords unterbricht.

Die jungen Männer posteten Videos des Vorfalls im Netz und warfen der Wiener Polizei Racial Profiling vor. Die "Wiener Zeitung" hat berichtet. Die Personenkontrolle samt der Forderung, den Park zu verlassen, habe ihrer Meinung nach mit ihrer dunklen Hautfarbe zu tun. Die Polizei wies die Vorwürfe zurück und kündigte eine Untersuchung an. Die "Wiener Zeitung" sprach mit dem 25-jährigen österreichischen Rapper T-Ser über Alltagsrassismus in Verbindung mit der Polizei und weshalb er diese Erfahrungen in Rap-Songs thematisiert.

Wiener Zeitung: Wir haben am Montag eine Stellungnahme der Polizei-Pressestelle veröffentlicht. Was ist an diesem Tag aus Ihrer Sicht passiert?

T-Ser: Als wir zwanzig Minuten im Park waren, kamen zwei Polizeibeamte auf uns zu. Wir haben sie gefragt, ob es eine Personenkontrolle ist und weshalb sie durchgeführt wird. Die Antwort war: "weil ihr verdächtig ausseht". Ich habe erklärt, dass es in Österreich keine Ausweispflicht für Österreicher gibt, aber mich bereit erklärt, meine Personalien anzugeben, weil ich keinen Ausweis dabeihatte.

Die Polizei sprach von "Schwerpunktkontrollen", die in diesem Park durchgeführt würden, da es dort oft zu strafrechtlich relevanten Handlungen komme.

Wir wurden aber weder aufgefordert, unsere Taschen zu öffnen oder nach Drogen durchsucht. Ich habe nach der Amtshandlung nach einer Dienstnummer gefragt und bekam darauf die Antwort, dass ich ruhig sein soll, sonst werde ich verhaftet. Ich habe ihm geantwortet, es sei strafbar, wenn er sie mir verweigert. Dann habe ich begonnen, alles aufzunehmen. Als die Amtshandlung beendet war, habe ich die Beamten gebeten, uns in Ruhe zu lassen, weil wir weiterarbeiten wollen. Die Beamtin hat wortwörtlich gesagt: "Ich kann machen, was ich will". Sie haben sich geweigert zu gehen, obwohl die Amtshandlung vorbei war.

Der Polizei zufolge hätten sich einige Personen geweigert, sich auszuweisen.

Das ist eine Lüge. Zwei Personen, die ihren Ausweis nicht dabeihatten, haben ihre Daten angegeben. Die anderen vier haben sofort ihre Ausweise hergezeigt.

In dem Video sieht man, wie ein Polizist Ihren Kollegen am Ärmel packt und ihn auffordert, sich auszuweisen.

Das war die Verstärkung, die später gerufen wurde. Und es ist absurd. Die ersten Polizisten haben bereits alle Daten aufgenommen. Ich glaube, sie empfanden es als Provokation, weil wir unsere Meinung äußerten und kritisiert haben, aufgrund unserer Hautfarbe kontrolliert zu werden. Wir kannten unsere Rechte und wir äußerten sie.

Die Polizei meinte, jemand aus der Gruppe hätte die Beamten beim Verlassen des Parks beschimpft. Stimmt das?

Ich habe den Polizisten "schämt euch" nachgerufen. Wir haben niemals "fickt‘s euch" gesagt. Wir sind nicht dumm.

Wie waren die Reaktionen in den Sozialen Medien?

Zuerst gab es sehr viel Empörung von Usern. Über Nacht haben die Medien den Vorfall aufgegriffen. Auf Facebook dominierten negative Kommentare, auf Instagram gab es viel mehr Solidarität. Ich habe versucht, mich auf die positiven Kommentare zu konzentrieren. Auch ein FPÖ-Gemeinderat teilte den Beitrag auf Facebook und bezeichnete uns als "Pack", mit dem sich die Polizei herumschlagen muss. (Anm. d. Red.: Der Eintrag wurde inzwischen auf Facebook gelöscht).

Wie sind Sie mit den Hasskommentaren umgegangen?

Ich wollte verstehen, wie solche Menschen denken und habe einen Hater über Instagram angerufen. Ich habe versucht, ihm zu erklären, durch welche Realitäten Menschen gehen, wenn sie nicht weiß sind und Begegnungen mit Polizisten haben. Nach einer Stunde war er auf unserer Seite. Das Gespräch hat mir auch selbst die Augen geöffnet.

Im Rap thematisieren Sie seit Jahren Rassismus und Polizeikontrollen in der österreichischen Gesellschaft.

Ich versuche die Realität meiner multikulturellen Community widerzuspiegeln, die von diesen Erfahrungen geprägt ist. Ich benutze die Musik als Sprachrohr.

Sie sind in Salzburg aufgewachsen. Gibt es Unterschiede punkto Alltagsrassismus zu Wien und anderen Ländern?

In anderen Ländern fühle ich mich eher von Polizisten beschützt. In Österreich bin ich das Objekt der Bedrohung, der Verdächtige. In Wien und Salzburg ist es Alltag. Mit 18 Jahren haben die regelmäßigen Kontrollen auf der Straße angefangen. In Österreich haben viele Menschen sofort das "Gangster-Image" im Kopf, wenn sie einen dunkelhäutigen Mann sehen.

Der Vice-Redakteur Tori Reichel, der auch Ihr Bruder ist, hat im vergangenen Jahr ein kurzes Video-Portrait über Sie gemacht. Es zeigt den Video-Dreh zum Song "N.W.A." in Kaisermühlen. Der Vice-Clip endet mit einem Polizei-Einsatz. Was ist passiert?

Zuerst haben Anrainer die Polizei gerufen. Als wir den Dreh woanders in der Nähe der Uno-City fortgesetzt haben, sind wieder Beamte gekommen. Mehrere Dienstwagen sind mit Blaulicht angerückt, was ziemlich unverhältnismäßig war. Aber zumindest wurden wir nicht angegriffen, beleidigt oder verfolgt. Das Hauptproblem an diesen Vorfällen ist nicht die Polizeikontrolle selbst, sondern aus welchem Grund, in welcher Art und mit welcher Regelmäßigkeit wir kontrolliert werden.