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"Ohne Emotion geht gar nichts"

Von Klaus Huhold

Politik
Geschlecht, Bildung und Herkunft trennen die USA in eine blaue, demokratische und eine rote, republikanische Hälfte.
© WZ-Montage

In den tief gespaltenen USA gewinnt die Wahl, wer seine Basis stärker mobilisiert, sagt der Politikberater und US-Experte Thomas Hofer. Wechselwähler spielen eine immer geringere Rolle.


"Wiener Zeitung": Es ist nun viel davon die Rede, dass die USA ein vollkommen gespaltenes Land seien. Aber waren sie das nicht auch schon früher?

Thomas Hofer: Es hat immer schon ein gewisses Gefälle gegeben. Aber wenn man betrachtet, mit welch starker Ablehnung Demokraten und Republikaner einander gegenüberstehen und dass das Hauptargument die Verhinderung des jeweils anderen ist - dann hat das schon an Qualität zugenommen.

Woran liegt das?

Aufgrund der sozialen Medien gibt es nun viel geschlossenere, in sich gekehrte Räume. Fake News sind oft schwer zu entdecken, sodass unabhängige, objektive Medien mit dem Nachprüfen von Fakten fast gar nicht mehr nachkommen. Und die politischen Akteure spielen genau auf dieser Klaviatur. Das betrifft beide Seiten, aber in erster Linie Donald Trump.

Wo verlaufen die Trennlinien?

Es gibt einen starken Bruch zwischen Stadt und Land, oder auch zwischen den Geschlechtern und im Bildungsbereich. Sehr knapp zusammengefasst kann man sagen: Frauen mit Collegeabschluss wählen überwiegend demokratisch und Männer ohne Collegeabschluss viel stärker republikanisch. Diese waren eigentlich auch eine klassische Wählerklientel der Demokraten - und deshalb bleibt das trotz des Sieges im Repräsentantenhaus ein Problem der Demokraten. Und dann darf man auch nicht den Bruch der Werte vergessen. Bei emotional hoch aufgeladenen Themen wie etwa der Frage nach Rechten für Homosexuelle zeigt sich, wie feindlich diese beiden Lager einander gegenüberstehen.

Gibt es in dieser Gemengelage überhaupt noch Wechselwähler oder gewinnt einfach die Partei, die ihre Basis stärker mobilisieren kann?

Die Zahl der Wechselwähler geht zurück. Gleichzeitig werden die jeweiligen Basiswähler immer emotionaler. Dass die Demokraten bei dieser Wahl besser mobiliseren konnten, war mitentscheidend, dass sie das Repräsentantenhaus an sich ziehen konnten - denn an und für sich ist die Wählerschaft, die an den Midterm Elections teilnimmt, eher republikanisch und auch weiß dominiert. Das zeigt: Die Mobilisierung derjenigen, die man auf seiner Seite hat, wird immer entscheidender.

55 Prozent der Frauen haben die Demokraten gewählt. Ist das die Karte, auf die diese in Zukunft setzen sollten?

Ja. Die hohe Mobilisierungsrate bei Frauen haben aber nicht nur die demokratischen Kandidatinnen bewirkt, für die war auch Trump mit seiner sexistischen Linie verantwortlich. In zwei Jahren bei der Präsidentenwahl ist es aber wieder ein neues Match. Und dabei werden auch weitere Wählergruppen entscheidend sein, etwa die Hispanics. Ein gewisser Barack Obama hat es ja bei seinem Erfolg geschafft, die höchste Wahlbeteiligung aller Zeiten bei Minderheiten hinzubekommen.

Wer sind denn überhaupt die Leute, die weiterhin als Wechselwähler in Frage kommen. Wo gibt es diese noch?

In den Suburbs, den Vorstädten, ist hier etwas zu holen. Genau so wie früher die "Reagan Democrats" gab es dort auch die "Obama Republicans". Und Trump hat es bei seiner Wahl geschafft, im sogenannten "rust belt" (Industriegebiete, die früher oft demokratisch wählten, Anm.) die verunsicherte untere Mittelschicht an sich zu binden. Das ist nach wie vor eine gewinnbare Wählergruppe.

Inwieweit geht es bei den US-Wahlen überhaupt noch um Inhalte - oder werden diese nur durch Emotionalisierung gewonnen?

Ohne Emotion geht gar nichts. Aber das war früher nicht viel anders. Auch schon ein Bill Clinton hat auf der emotionalen Klaviatur sensationell gespielt. Die Kunst ist immer, ein Thema, für das man steht, stärker zu emotionalisieren als der Gegner.

Und was ist das große Thema, die Erzählung von Trump? Dass er der Schutzherr des gefährdeten weißen Mannes ist?

Weiße Männer sind seine Kernzielgruppe, aber ich würde sein Programm nicht darauf reduzieren. Er thematisiert den Statusverlust der Mittelschicht, in der es das Gefühl einer Gefährdung gibt, die ein Abstiegsszenario vor sich sieht. Er spricht Familien an, die von der Aufstiegserzählung der USA gelebt haben. Trump hat das hervorragend in den Slogan "Make America great again" gegossen. Das ist bis heute eine zentrale Erzählung, die man nicht unterschätzen darf - nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell.

Wie zeigt sich das kulturell?

In linksliberalen demokratischen Kreisen wird etwa darüber diskutiert, wie viele Geschlechter es geben soll, und die Rede ist hier von dutzenden. Von der anderen Seite wird das komplette Kontraprogramm gefahren. Dabei zeigt sich, dass es hier kaum ein Kompromisspotenzial gibt. Trump ist hierbei ein Meister, ein paar Vorurteile aneinanderzureihen - und er erzielt sofort eine hohe Emotionalisierung. Es steht zu befürchten, dass diese Polarisierung nicht weniger wird.

Haben die Demokraten derzeit eine herausragende Person oder Erzählung, die sie Trump entgegenhalten können?

Ihnen ist ihre Erzählung ein wenig verloren gegangen, und es hat sich auch noch keine überragende Persönlichkeit herauskristallisiert. Es war zwar ein großer Erfolg, dass sie das Repräsentantenhaus zurückgewonnen haben, aber sie haben die Antwort auf Trump noch nicht wirklich gefunden.

Thomas Hofer studierte Wahlkampfmanagement in Washington. Der
Ex-Journalist, Buchautor und Politikberater beschäftigt sich bis heute
intensiv mit den USA.