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Volle Kraft auf Blockade

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Mit den neuen Mehrheitsverhältnissen im US-Kongress droht bis 2020 die permanente, totale Konfrontation.


Washington. Wenn über diesen Kongresswahlen ein offizielles Motto stehen würde, dann das: Gut ist es gegangen, fast nichts ist geschehen. Donald Trumps Republikaner können sich glücklich schätzen, dass die noch im Sommer prophezeite "blaue Welle" bei Weitem nicht so heftig anlandete wie befürchtet - aber auch nicht mehr. Die Demokraten stehen derweil auch nicht mit leeren Händen da. Auf ihrem langen Weg zurück zur Macht haben sie mit der Eroberung des Repräsentantenhauses die erste Hürde genommen. Auch nicht wenig - aber bei Weitem nicht genug, um an den Realitäten im Land etwas zu ändern. In den meisten Demokratien westlichen Zuschnitts wären das ideale Rahmenbedingungen für einen politischen Waffenstillstand und die Ausarbeitung von Kompromissen. Nicht so im Amerika von Donald Trump.

Ungeachtet des Wahlausgangs tat der 71-Jährige am Morgen danach, was er immer tut: Zwietracht säen, beleidigen, übertreiben, schmeicheln, Dinge erfinden und seinen Anhängern als objektive Wahrheit verkaufen. Nicht, dass dem Ex-Reality-TV-Star jemand ernsthaft zugetraut hätte, dass er sich angesichts der Ergebnisse der Midterms, die einen zutiefst gespaltenen Kongress hervorbrachten, zusammenreißen würde. Warum auch? Fakt ist, dass sich der Präsident und seine Partei nach den Wahlen in ihrem Gefühl bestätigt fühlen können, dass sich die Strategie der totalen Konfrontation weiter auszahlt.

Was eine Antwort auf die Frage, wie es jetzt konkret weitergeht, entsprechend schwierig macht. Klar scheint, dass ihm die neue demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus das Regieren künftig so schwer wie möglich machen wird. Noch in der Wahlnacht kündigten führende Abgeordnete wie der Kalifornier Adam Schiff an, dass seine Partei ihre neu gefundene Macht allem voran dafür ausnutzen werde, das politische Gesamtkunstwerk Trump erstmals seit dessen Amtsantritt für seine Handlungen zur Verantwortung zu ziehen. Auch Nancy Pelosi, mit hoher Wahrscheinlichkeit die neue Sprecherin der Mehrheit, gab sich wie gewohnt im Ton milde, aber bestimmt: "Wir haben jetzt die Aufgabe, jenes System der ,Checks and Balances‘ mit Leben zu erfüllen, das die Verfassung vorsieht und denen sich die Trump-Administration bisher entzogen hat." Wenn es die Demokraten damit in den kommenden zwei Jahren, die es bis zur Präsidentschaftswahl 2020 dauert, wirklich ernst meinen, fällt die Einschätzung aller politischen Experten auf die Frage nach den Folgen gleich aus: Es droht die totale Konfrontation.

Einen Vorgeschmack auf das was kommt, gab Trump bereits am Morgen nach der Wahl: "Wenn die Demokraten glauben, dass sie im Abgeordnetenhaus Steuergeld für Untersuchungen verschwenden können, werden wir im Senat gezwungen sein, sie ebenfalls zu untersuchen und für die Weitergabe von geheimen Informationen verantwortlich zu machen."

Nachdem das Unterhaus jetzt in Hand der Demokraten ist, können sie mehr als genug tun, um gleich auf mehreren Ebenen gleichzeitig Sand ins Getriebe des Weißen Hauses zu streuen.

Trumps Regierung bietet zahlreiche Angriffsflächen

Die Palette ihrer diesbezüglichen Handlungsmöglichkeiten ist breit, die Angriffsflächen, die ihnen Trump, seine Familie und seine Administration bietet, sind zahlreich. Das reicht von offener Korruption (ausländische Diplomaten und Geschäftsleute, die Gast in seinen Hotels sind und im Gegenzug Zugang zu höchsten Regierungskreisen bekommen) über versteckte (der Grund, warum sich der Präsident bis heute weigert, seine Steuererklärungen offenzulegen, scheint mittlerweile allzu offensichtlich) bis hin zu seiner seltsamen Beziehung zu Russland und zu Wladimir Putin. Von der Schamlosigkeit, mit der sich manche seine Kabinettsmitglieder und ihre Familien kraft ihrer Jobs persönlich bereicherten (der zurückgetretene Gesundheitsminister Tom Price) und bereichern (Innenminister Ryan Zinke), ganz zu schweigen. Bis Montag sah eine republikanische Mehrheit im Kongress über das alles und noch mehr hinweg. Eine Taktik, die sie jetzt teuer zu stehen kommen könnte. Das in dieser Hinsicht wichtigste Instrument: verhaltensauffällige Charaktere wie etwa die letztgenannten und ihre Mitarbeiter zu Anhörungen einladen und zu zwingen, unter Eid Rede und Antwort zu stehen. Wenn sie keine Anklage wegen Missachtung des Kongresses riskieren wollen, müssen dieser Einladung folgen.

Medien zufolge macht sich das Weiße Haus keinerlei Illusionen über die bevorstehende Lawine an Auskünften und Untersuchungen, die die Demokraten künftig begehren und anstoßen werden. Nicht umsonst werden in den kommenden Wochen zahlreiche Kabinettsrücktritte erwartet - und das unabhängig von den Ergebnissen von Sonderermittler Robert Mueller, der die Verbindungen von Trumps Wahlkampfkampagne zu Russland untersucht und dessen Position aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nunmehr ordentlich gestärkt ist. Die Frage, die bei alldem bleibt: Wird es 2020 einen Unterschied machen, auch wenn dann alle Karten am Tisch liegen?

Aufschluss darüber geben vielleicht zwei bemerkenswerte Ergebnisse von der Wahlnacht, die viel, wenn nicht gar alles darüber erzählen, welche Glaubensrichtung die republikanischen Wähler unter Trump mittlerweile haben. In New York (Chris Collins) und Kalifornien (Duncan Hunter) gewannen zwei prominente Konservative ihre Bezirke, die beide unter Anklage stehen. Der eine wegen Insiderhandel, der andere wegen massiver Verschwendung von Wahlkampfspenden und Korruption. Bis zu Trump wäre es nahezu undenkbar gewesen, dass solche Leute wiedergewählt würden, aber nachdem sich beide trotz eindeutiger Fakten der gleichen Taktik wie Trump bedienten - alles nur eine Verschwörung der linken Politiker und ihrer Erfüllungsgehilfen in den Medien -, blieben sie siegreich.